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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Herrmann-Neiße, Max: Sechs Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0045

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BEKEHRUNG.


noch das Göttliche in dunklen Fernen
Sich barg vor meinem Herzen, fühlt ich schon,
Dah ich dereinst es würde lieben lernen.

Wenn nachts ich durch das stille Städtchen walle,
Und alles tot ringsum, die Brunnen rausdien,
Nur hier und dort atmet ein Tier im Stalle,
Die Häuser hocken starr, als ob sie lauschen,
In sich gebückt, des Wassers weichem Falle,
An Giebeln sich noch festlich Fahnen bauschen,
Und meine Schritte klingen durch die Halle
Vereinsamt wieder und wie sclbstverloren,
Und irgendwo hoch oben friert ein Licht,
Und Wächter stehn vermummt in dunklen Toren:
Da ist es plötzlich, dab mein Stolz zerbricht.
Ich knie betend vor den lebten Sternen,
Und meine trüben Jahre weih ich nicht.

O MYTHISCHE MELANCHOLIE.

Hu so Ist mich führen, wenn ich furchtsam werde,
Ich suchte Einsamkeit, doch diese nicht,
Die ohne jede tröstende Gebärde
Mich in die Folter fremden Fronens flicht.

Du sollst mich halten, wenn ich mich verliere,
Dorthin verliere, wo Verdammen droht — —
Und halte fern die Furcht geträumter Tiere,
Sehend Gefesselter im Flammentod.
So wahnverworfen wie in diesen Tagen,
Die Gott ermorden, war die Welt noch nie,
Du sollst mich schüfen: Zuflucht sei dem Zagen
Dein Zelt, o mythische Melancholie!

21

<3*
 
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