sind die Sammlungen nirgends sdion geworden.
Der Ehrgeiz ist befriedigt, nie™ ein seelisdies
V erlangen.
Der Ehrgeiz richtet sich freilich nidif materia-
listisch nur auf Besiß; er richtet sida vor allem
ehrgeizig auf das, was in den lebten Jahrzehnten
mit dem Wort „Kultur“ bezeidmet worden ist.
Das Kunstsammeln ist nur eines unter vielen
Symptomen. Charakteristisdr für die geistige
Verfassung im Westen ist es, daß der Kultur-
ehrgeiz auf allen Gebieten zu Formen der
Großmannssucht geführt hat. Es ist freilida in
ganz Deutschland so gewesen. Am ehrgeizigsten,
am großmannssüchtigsten war man aber dodi im
Rheinland. Selbst Berlin ist übertroffen worden.
Es hat dem Vorgehen nidif ein Zug von Unter -
nehmerkühnheit gefehlt, dodi hat die Ungeduld,
bis zum nädisfen Donnerstag eine Kultur zu
schaffen, audi wahrhaft schrecklidie Formen
angenommen. Um ein Beispiel für viele zu geben,
sei nur an den seinerzeit weit gediehenen Plan eines
Bismarck-Nationaldenkmals am Rhein erinnert,
der halb pfiffiger Spekulation und zur anderen
Hälfte einem mißgeschaffenen nationalistisdien
Pathos entsprungen ist. Diese Verbindung von
Spekulation und Romantik ist diarakteristisdi.
Der Kulturhunger in den Rheinlanden wirkte
fast wie eine Krankheitserscheinung. Er bewegte
sidi immer dicht am Rande einer Krisis, so daß
die Explosion in der Cölner Werkbund-Aus-
stellung, wenige Wodicn vor Kriegsausbrudi,
ganz symptomatisch und symbolisch ersdieinen
will. Es war in den Großstädten und Industrie-
zentren des Westens fortwährend Gründerzeit^
es herrsdite dort mehr nodi als anderswo der
„Betrieb“. Man versudite auf einen Schelmen
anderthalbe zu sehen. Die Losung sdiien zu
sein: „Was die Berliner können, das können
wir sdion lange!“ Wenn es wenigstens wahr
gewesen wäre! Aber so produktiv der Ehrgeiz
im Anhäufen bedeutender Kunstwerke auch ge-
wesen ist, darüber hinaus konnte er nicht viel
erreichen. Berlin ließ sidi nur äußerlidi über-
trumpfen, aus dem Grunde sdion, weil viele
historisdie Vorbedingungen im Rheinland fehlen.
Was übersteigert werden konnte, das eben war
nicht nadiahmungswiirdig. Nirgends hat der
„Jugendstil“ einen so fruchtbaren Boden ge-
funden, nirgends ist in der Baukunst so grotesk
Repräsentation mit Monumentalität verwechselt
worden, nirgends ist die Kunst so materialistisch
als Ware behandelt, ist audi im Geistigen so
sehr mit Dampf und Elektrizität gearbeitet worden.
In Düsseldorf, der alten Kunststadt, ist eine
neue Malergcneration herangewachsen. Gute
mittlere Talente, die siditbar von der alten
Düsseldorfer Tradition abstammen, etwas zarte
Mensdien, bestimmt, in Lokalen ihre Rolle
zu spielen und ihr Leben still in der Aditung
ihrer Mitbürger zu verbringen. Diese Künstler
standen natürlich in einem gewissen Gegensah
zur Generation der Väter und mußten darum
mit einigem Kampf sidi durchsehen. Bis hierher
ist alles normal. Nun aber wurden sie vom
Wirbel der Zeit erfaßt. Der Ehrgeiz ihrer
Llmgebung bradite es dahin, daß sie sidi als
Kulturerneuerer, als deutsdie Kulturherolden
sdiledithin fühlten, sie sahen ihre Aufgaben
bald darin, einem neuen Stil in der Malerei
Sdirittmadicrdicnsfe zu leisten und das ganze
Rheinland an die Spiße der deutschen Kultur-
bewegung zu bringen. Bestärkt wurden sie,
weil sidi ihnen nahezu alle geistigen Führer des
Rheinlandes, Bürgermeister und Kunsthistoriker,
Sammler, Museumsdirekforen und Journalisten
ansdilossen und weil einer den andern immer
übersteigerte, bis sie alle wie im Rausdi sprachen
und handelten. Da diese Künstler gruppe nicht viel
mit den eigenen besdieidenen Bildern ausrichten
konnte, verfiel man darauf, programmatisdie
Ausstellungen zu madien, und es gelang damit so
gut, daß man von den Veranstaltungen in ganz
Deutsdiland, ja sogar jenseits der Grenzen spradi.
Große Städte bewarben sidi darum, diese Aus-
stellungen zu machen, sie sahen darin Attraktionen
zur Hebung des Fremdenverkehrs und maditen
Reklame dafür, wie für Gewerbcaussfellungen
mit Vogelwiese. Diese Veranstaltungen sind,
troß ihrer Gewaltsamkeit nicht wertlos gewesen.
Nahmen sidi auch die rheinisdien Künstler
wunderlidi darin aus, übersah man auch die
Hausherren in einer beleidigenden Weise, so
sind dodi, im historischen Teil wenigstens, Werke
zusamniengekommen, wie man sie vielleidit nie-
mals vorher oder nadiher in Europa beisammen
gesehen hat. Die Kosten haben van Gogh,
Gauguin, Cezanne und Mundi bestritten. Es
ist bei all der Hast, bei allem ungesunden Ehrgeiz
48
Der Ehrgeiz ist befriedigt, nie™ ein seelisdies
V erlangen.
Der Ehrgeiz richtet sich freilich nidif materia-
listisch nur auf Besiß; er richtet sida vor allem
ehrgeizig auf das, was in den lebten Jahrzehnten
mit dem Wort „Kultur“ bezeidmet worden ist.
Das Kunstsammeln ist nur eines unter vielen
Symptomen. Charakteristisdr für die geistige
Verfassung im Westen ist es, daß der Kultur-
ehrgeiz auf allen Gebieten zu Formen der
Großmannssucht geführt hat. Es ist freilida in
ganz Deutschland so gewesen. Am ehrgeizigsten,
am großmannssüchtigsten war man aber dodi im
Rheinland. Selbst Berlin ist übertroffen worden.
Es hat dem Vorgehen nidif ein Zug von Unter -
nehmerkühnheit gefehlt, dodi hat die Ungeduld,
bis zum nädisfen Donnerstag eine Kultur zu
schaffen, audi wahrhaft schrecklidie Formen
angenommen. Um ein Beispiel für viele zu geben,
sei nur an den seinerzeit weit gediehenen Plan eines
Bismarck-Nationaldenkmals am Rhein erinnert,
der halb pfiffiger Spekulation und zur anderen
Hälfte einem mißgeschaffenen nationalistisdien
Pathos entsprungen ist. Diese Verbindung von
Spekulation und Romantik ist diarakteristisdi.
Der Kulturhunger in den Rheinlanden wirkte
fast wie eine Krankheitserscheinung. Er bewegte
sidi immer dicht am Rande einer Krisis, so daß
die Explosion in der Cölner Werkbund-Aus-
stellung, wenige Wodicn vor Kriegsausbrudi,
ganz symptomatisch und symbolisch ersdieinen
will. Es war in den Großstädten und Industrie-
zentren des Westens fortwährend Gründerzeit^
es herrsdite dort mehr nodi als anderswo der
„Betrieb“. Man versudite auf einen Schelmen
anderthalbe zu sehen. Die Losung sdiien zu
sein: „Was die Berliner können, das können
wir sdion lange!“ Wenn es wenigstens wahr
gewesen wäre! Aber so produktiv der Ehrgeiz
im Anhäufen bedeutender Kunstwerke auch ge-
wesen ist, darüber hinaus konnte er nicht viel
erreichen. Berlin ließ sidi nur äußerlidi über-
trumpfen, aus dem Grunde sdion, weil viele
historisdie Vorbedingungen im Rheinland fehlen.
Was übersteigert werden konnte, das eben war
nicht nadiahmungswiirdig. Nirgends hat der
„Jugendstil“ einen so fruchtbaren Boden ge-
funden, nirgends ist in der Baukunst so grotesk
Repräsentation mit Monumentalität verwechselt
worden, nirgends ist die Kunst so materialistisch
als Ware behandelt, ist audi im Geistigen so
sehr mit Dampf und Elektrizität gearbeitet worden.
In Düsseldorf, der alten Kunststadt, ist eine
neue Malergcneration herangewachsen. Gute
mittlere Talente, die siditbar von der alten
Düsseldorfer Tradition abstammen, etwas zarte
Mensdien, bestimmt, in Lokalen ihre Rolle
zu spielen und ihr Leben still in der Aditung
ihrer Mitbürger zu verbringen. Diese Künstler
standen natürlich in einem gewissen Gegensah
zur Generation der Väter und mußten darum
mit einigem Kampf sidi durchsehen. Bis hierher
ist alles normal. Nun aber wurden sie vom
Wirbel der Zeit erfaßt. Der Ehrgeiz ihrer
Llmgebung bradite es dahin, daß sie sidi als
Kulturerneuerer, als deutsdie Kulturherolden
sdiledithin fühlten, sie sahen ihre Aufgaben
bald darin, einem neuen Stil in der Malerei
Sdirittmadicrdicnsfe zu leisten und das ganze
Rheinland an die Spiße der deutschen Kultur-
bewegung zu bringen. Bestärkt wurden sie,
weil sidi ihnen nahezu alle geistigen Führer des
Rheinlandes, Bürgermeister und Kunsthistoriker,
Sammler, Museumsdirekforen und Journalisten
ansdilossen und weil einer den andern immer
übersteigerte, bis sie alle wie im Rausdi sprachen
und handelten. Da diese Künstler gruppe nicht viel
mit den eigenen besdieidenen Bildern ausrichten
konnte, verfiel man darauf, programmatisdie
Ausstellungen zu madien, und es gelang damit so
gut, daß man von den Veranstaltungen in ganz
Deutsdiland, ja sogar jenseits der Grenzen spradi.
Große Städte bewarben sidi darum, diese Aus-
stellungen zu machen, sie sahen darin Attraktionen
zur Hebung des Fremdenverkehrs und maditen
Reklame dafür, wie für Gewerbcaussfellungen
mit Vogelwiese. Diese Veranstaltungen sind,
troß ihrer Gewaltsamkeit nicht wertlos gewesen.
Nahmen sidi auch die rheinisdien Künstler
wunderlidi darin aus, übersah man auch die
Hausherren in einer beleidigenden Weise, so
sind dodi, im historischen Teil wenigstens, Werke
zusamniengekommen, wie man sie vielleidit nie-
mals vorher oder nadiher in Europa beisammen
gesehen hat. Die Kosten haben van Gogh,
Gauguin, Cezanne und Mundi bestritten. Es
ist bei all der Hast, bei allem ungesunden Ehrgeiz
48