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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Schreker, Franz: Über die Entstehung meiner Opernbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0152

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alles mögliche zusammengetragen. Da gab es ein altfränkisches, ein persisches, ein türkisches
Zimmer, eine mit allem möglichen phantastischen Kram, ausgestopftem Tierzeug angefüllte Jagd-
stube in der Mansarde — dodr das reizvollste waren zwei siebenbürger Bauernzimmer im Erd-
geschoß. Mit einem jener riesigen Ofen, die verwadisen scheinen mit einer anheimelnden Ofen-
bank, wundervollen Schränken; an den Wänden verstreut uralte Waffen, Gewänder, Kostüme
in grellen Farben, getrocknete Maiskolben, Zinngesdiirr, Krüge, Teller und ein Sdirank, aus dem
glißerte zwisdren vergilbten Sdileiern und Brautkränzen Schmuck aller Art. Wir saßen — es
war spät abends — alle um den Tisdi; das flackernde Lidit der Kerzen eines eisernen Kron-
leuchters, der von der Decke herabhing, gab dem Raum etwas gespenstisch miftelalterlidies.
Und herein trat ein junges Mäddien unserer Bekanntsdraft in gewollt phantastisdiem Kostüm,
eine Laute, von der viele bunte Bänder flatterten, im Arm. Und sie sang mit leiser, rührender
Stimme alte deutsche Volkslieder, vergessene Balladen. Es kam eine seltene Stimmung über
uns alle. Meine liebe, alte Mutter hatte nasse Augen, und idi selbst, idr blickte durch Tränen,
wie durdi Kristall: die Stube wurde zur Szene. Das Mäddien — sie hieß Else — wandelte
sidi seltsam. Die Laute prangte in den Händen eines sdiönen Jünglings, die Hellebarden an
den Wänden bekamen Träger, die Zinnkrüge füllten sich mit sdiimmerndem Wein, und aus dem
Schrank gleißte in überirdisdier Pracht ein königlich Gesdimeide. In dieser Stunde ward mir
die ganze Handlung meiner Oper »Der Sdiaßgräber«. — —
Idi fuhr — es ist noch nidit lange her — von Dresden nadi Nürnberg. Meine Gedanken,
idi hatte eben die Partitur des »Sdiaßgräber« vollendet — weilten sehnsüditig bei neuen diditorischen
Plänen. Der Zug hielt. Da sdiien cs mir, als riefe der Sdiaffner den Namen „Irrel oh eA Ganz
deutlich. Und idi blickte hinaus und budisfabierte wahrhaftig am Stationsgebäude den Namen
einer Ortsdiaft Irrelohe. Da war es mir klar, daß dieser Name, über dessen möglidierweise
hödist prosaisdie Entstehung idi nidit weiter nadifragen wollte, den Keim einer Diditung in
sidi trage. Und so war es. Die Oper, an der idi eben arbeite, trägt ihn; das Budi war in
drei Tagen vollendet. »Irrelohe« — Flammen aus einem Wahn!

Wien, im September 1910.
 
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