auch Georg Simmel aus, der freilich bei einem eigenartigen Relativismus ankam und besonders
dank des vielfältig facettierenden Stils zahlreidre Jünger anlockte. Auf Kant beruft sich auch
Vaihinger, dessen bedeutende „Philosophie des Als-ob“ vielleicht den größten Erfolg, der
einem neueren Systeme beschieden war, errungen hat. Ebenfalls mit Kant, allerdings einem
realistisdr gedeuteten Kant, verträglich ersdreint Kiilpes System, das sein Autor jedodi nur
zum Teil vollenden konnte. Damit sind jedoch die Namen derjenigen, die im Zeidien Kants
eigne Wege sudren, nicht erschöpft, und schon reihen sich ihnen zahlreiche Ne uf i ehrt i an er,
Neusche 11 ingi aner, Neuhe ge 1 ianer und Neufriesianer an. Aber auch an nochfrüherereDenker
knüpft man an. Auf Plato und der Sdiolaslik will Husserl sein System begründen, der es
ebenfalls zu einem gewissen Erfolg gebracht hat, troh oder vielleicht gerade wegen der fürdrterhehen
Sprache seiner jüngsten Schriften. Ganz andrer Art ist Diltheys feinsinnige Gedankenwelt
geartet, dessen reiches Erbe zahlreiche angesehene Sduiler verwalten und weiter ausbauen. Mit einer
kühnen Metaphysik tritt auch William Stern in die Schranken, der weiteren Kreisen hauptsächlich
als Psychologe bekannt war, in seiner Philosophie jedoch gar nicht psychologistisch ist. Aussichtsreich
sdieint auch der Vitalismus zu sein, der in Driesch, in Becher und anderen beredte Anhänger
gefunden hat. W. Ostwald, der Chemiker, hat seinen Energetismus zum Weltprinzip gemacht-
Aus einer „Kritik der Sprache“ sucht F. Mauthner ein System zu machen, oder genauer
gesagt, allen anderen Systemen den Boden zu entziehen, auf dem sie wurzeln. Ein selbständiges
System hat auch Heinrich Gomperz entworfen. Und dabei habe idr noch gar nicht der
nidrtdeutsdren Systeme gedadrt, die ebenfalls in Deutschland Anhänger gefunden haben, so vor
allem Bergsons schillernde und gerade darum so anziehende Metaphysik und der Pragmatismus
der Angelsachsen William James und H. C. S. Schiller. Eine stattliche Heerschar, wohl-
gerüstet an Gelehrsamkeit und Geist. Beschlagen in der Vergangenheit der Philosophie, genährt
mit Mathematik, Naturwissensdraft und Geschichte kommen sie daher, meist feindlich einander,
und jeder gewillt, den Lorbeerkranz der Wahrheit für sich zu erringen. Aber das Volk von heute kümmert
sidi wenig um seine Philosophen. Man gönnt ihnen die Professoren- und Geheimrafsfifel, aber
man liest sie nicht. Umso schlimmer für das Volk, denken jene vielleicht wie Hegel von den
Verächtern seiner Philosophie und sie trösten sich vielleicht mit der Zukunft, was freilich ein
unsicherer Wechsel ist. Wir aber in der Gegenwart dürfen fragen, ob hier nicht ein Problem
liegt, das des Nachdenkens wert ist? Es sind, trot> aller Kunsthistoriker, nicht die besten Maler,
die fürs Museum malen, um die nie das Volk in Liebe und Haf> entbrannte, deren Werke nicht
hineinleuchtefen in die Wohnungen lebender Menschen. Hier muh irgend ein Mangel stecken.
Diesem Problem will idi hier nachgehen, und idi glaube, seine Lösung ist darin zu suchen, dah
die heutigen Philosophen zu aussdrliehlidr beherrscht sind von dem Gedanken, die Philosophie
zur „Wissenschaft“ zu gestalten.
* *
*
Gewih, jede edite Philosophie muh wissenschaftlich fundiert sein, sie selber aber muh mehr
sein als Wissenschaft. Das haben die meisten neueren Philosophen übersehen und eben darum
fehlt ihren Systemen die zündende Kraft des Persönlichen. Sie, die meist in der Geschichte
ihres Gebietes weitgreifende Studien gemacht haben und in den Werken Platos und Kants zum
guten Teil besser Besdreid wissen, als diese selbst gewuljf haben mögen, sie übersehen das eine
vollkommen, dah HR großen Philosophen ihren Ruhm nicht dank ihrer „Wissenschaftlichkeit“
geniehen, sondern dank eines Etwas, das besteht, obwohl das Wissenschaftliche an jenen Systemen
längst als sterblich erkannt worden ist. Wer kann heute Platons Kosmogonien mit anderen
Gefühlen als befremdetem Erstaunen lesen, wer des Aristoteles Naturwissenschaft anders werten
als unter dem Gesichtspunkte des historischen Interesses, wem erscheint die Monadenlehre des
groben Leibniz, rein wissenschaftlich genommen, nidit als ein abstraktes Phantasma? Aber troh
alledem und wenn die Wissenschaftler jenen Philosophen nodr derbere Absurditäten nadrweisen,
dank des vielfältig facettierenden Stils zahlreidre Jünger anlockte. Auf Kant beruft sich auch
Vaihinger, dessen bedeutende „Philosophie des Als-ob“ vielleicht den größten Erfolg, der
einem neueren Systeme beschieden war, errungen hat. Ebenfalls mit Kant, allerdings einem
realistisdr gedeuteten Kant, verträglich ersdreint Kiilpes System, das sein Autor jedodi nur
zum Teil vollenden konnte. Damit sind jedoch die Namen derjenigen, die im Zeidien Kants
eigne Wege sudren, nicht erschöpft, und schon reihen sich ihnen zahlreiche Ne uf i ehrt i an er,
Neusche 11 ingi aner, Neuhe ge 1 ianer und Neufriesianer an. Aber auch an nochfrüherereDenker
knüpft man an. Auf Plato und der Sdiolaslik will Husserl sein System begründen, der es
ebenfalls zu einem gewissen Erfolg gebracht hat, troh oder vielleicht gerade wegen der fürdrterhehen
Sprache seiner jüngsten Schriften. Ganz andrer Art ist Diltheys feinsinnige Gedankenwelt
geartet, dessen reiches Erbe zahlreiche angesehene Sduiler verwalten und weiter ausbauen. Mit einer
kühnen Metaphysik tritt auch William Stern in die Schranken, der weiteren Kreisen hauptsächlich
als Psychologe bekannt war, in seiner Philosophie jedoch gar nicht psychologistisch ist. Aussichtsreich
sdieint auch der Vitalismus zu sein, der in Driesch, in Becher und anderen beredte Anhänger
gefunden hat. W. Ostwald, der Chemiker, hat seinen Energetismus zum Weltprinzip gemacht-
Aus einer „Kritik der Sprache“ sucht F. Mauthner ein System zu machen, oder genauer
gesagt, allen anderen Systemen den Boden zu entziehen, auf dem sie wurzeln. Ein selbständiges
System hat auch Heinrich Gomperz entworfen. Und dabei habe idr noch gar nicht der
nidrtdeutsdren Systeme gedadrt, die ebenfalls in Deutschland Anhänger gefunden haben, so vor
allem Bergsons schillernde und gerade darum so anziehende Metaphysik und der Pragmatismus
der Angelsachsen William James und H. C. S. Schiller. Eine stattliche Heerschar, wohl-
gerüstet an Gelehrsamkeit und Geist. Beschlagen in der Vergangenheit der Philosophie, genährt
mit Mathematik, Naturwissensdraft und Geschichte kommen sie daher, meist feindlich einander,
und jeder gewillt, den Lorbeerkranz der Wahrheit für sich zu erringen. Aber das Volk von heute kümmert
sidi wenig um seine Philosophen. Man gönnt ihnen die Professoren- und Geheimrafsfifel, aber
man liest sie nicht. Umso schlimmer für das Volk, denken jene vielleicht wie Hegel von den
Verächtern seiner Philosophie und sie trösten sich vielleicht mit der Zukunft, was freilich ein
unsicherer Wechsel ist. Wir aber in der Gegenwart dürfen fragen, ob hier nicht ein Problem
liegt, das des Nachdenkens wert ist? Es sind, trot> aller Kunsthistoriker, nicht die besten Maler,
die fürs Museum malen, um die nie das Volk in Liebe und Haf> entbrannte, deren Werke nicht
hineinleuchtefen in die Wohnungen lebender Menschen. Hier muh irgend ein Mangel stecken.
Diesem Problem will idi hier nachgehen, und idi glaube, seine Lösung ist darin zu suchen, dah
die heutigen Philosophen zu aussdrliehlidr beherrscht sind von dem Gedanken, die Philosophie
zur „Wissenschaft“ zu gestalten.
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Gewih, jede edite Philosophie muh wissenschaftlich fundiert sein, sie selber aber muh mehr
sein als Wissenschaft. Das haben die meisten neueren Philosophen übersehen und eben darum
fehlt ihren Systemen die zündende Kraft des Persönlichen. Sie, die meist in der Geschichte
ihres Gebietes weitgreifende Studien gemacht haben und in den Werken Platos und Kants zum
guten Teil besser Besdreid wissen, als diese selbst gewuljf haben mögen, sie übersehen das eine
vollkommen, dah HR großen Philosophen ihren Ruhm nicht dank ihrer „Wissenschaftlichkeit“
geniehen, sondern dank eines Etwas, das besteht, obwohl das Wissenschaftliche an jenen Systemen
längst als sterblich erkannt worden ist. Wer kann heute Platons Kosmogonien mit anderen
Gefühlen als befremdetem Erstaunen lesen, wer des Aristoteles Naturwissenschaft anders werten
als unter dem Gesichtspunkte des historischen Interesses, wem erscheint die Monadenlehre des
groben Leibniz, rein wissenschaftlich genommen, nidit als ein abstraktes Phantasma? Aber troh
alledem und wenn die Wissenschaftler jenen Philosophen nodr derbere Absurditäten nadrweisen,