Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

DOI Heft:
Januar-Heft
DOI Artikel:
Entwurf zu Kursen für Kunstbetrachtung, für Kunstkritik und Kunstpolitik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0305

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
möglichst umsonst oder gegen denkbar geringes Entgelt. Hier sollen dem groben Publikum die Wege zur neuen
Kunst gebahnt werden, in vorbereitenden Vorträgen, durch wesensgemäfj eingestellte Aufsähe in der Tagespresse, am
besten vielleicht auch noch durdr eine eigene, wirklich führende Kunstzeifschrift.
Erst dadurdr würde der ernsthaften Kritik der ernste Boden bereitet: in einem Publikum, das aus einer umfassenden
Kulturgesinnung heraus das neue Kunstwerk ridrtig versteht und wertet. Damit wäre die Brücke zwischen Künstler
und Publikum geschlagen durch die Arbeit des schöpferischen Kritikers, des idealen Vertreters des Publikums, der
sich des Kunstwerks in mitschaffender Phantasie annimmt.
In diesem Sinne will der „Deutsche Werkbund“, der Förderer eines qualitätserfüllten Ausgleichs zwischen Industrie-
strenge und künstlerischer Phantasie in Architektur und Kunstgewerbe, für seine Ideen mit dem Mittel der Volkshochschule
propagandistisch werben. Warum soll nun dieser Versuch nicht auch auf alle andern Künste ausgedehnt werden
und das Verständnis für sie in breiteste Massen tragen?
Voraussetzung ist natürlich, dah sich die richtigen Persönlichkeiten für diese ernsthafteste Kulturaufgabe finden:
Denn wie der schöpferische Künstler, so wird auch der schöpferische Kunsfbetrachter, der mit Phantasie und instinktivem
Urteil ausgestattete Kritiker, geboren. Das Studium kann der Ausbildung seiner kunstkritisdren Fähigkeiten helfen,
sie aber niemals aus blofjer Gelehrsamkeit heraus erschaffen.
So wäre denn an sidi der hier entwickelte Plan der Kritiker-Kurse sehr fragwürdig, wenn nicht das tatsädrliche
und geistige Bedürfnis mehr Kritiker und mehr Kunstbetrachtungen verlangte, als es geborene kritische Genies
gibt: Auf dah sich aber nidrt, wie eine böse Erfahrung lehrt, in diese so ernsthafte Aufgabe unberufene Dilettanten
oder gar sdrmutüge Schieberseelen eindrängen, darum haben die Kritiker-Kurse — welche man sidr als gelegentliche
Veranstaltung, wie auch als bleibende Einrichtung denken kann — für die Ausbildung eines gut gerüsteten, ständigen
Ersahes in diesem geistigen Beruf zu sorgen.


251
 
Annotationen