Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

DOI issue:
Februar-Heft
DOI article:
Frieg, Will: Junge westfälische Künstler
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0410

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
andere. Wer die westfälisdre Kunst in den Tiefen erfassen will, mul? vor allen Dingen die Eigenart
der Westfalen kennen. Zwei Eigensdiaffen sind es, die ihn besonders stark zeichnen. Es sind
sdiwer zu nehmende, hartsdiädelige Mensdien; sie halten fest am Alten, sind sadilich, einfadr und
praktisdi, breit und massig stehen sie da, eckig gefügt wie der Dom in Soest. Daneben neigen
sie stark zur Mystik, zur Sage, zum Aberglauben. (Vehme.) Westfalen ist das Land der
Spökenkieker. Man trifft hier heute noch Menschen mit dem zweiten Gesicht. Kein Stamm hat
die alte Muspillisage, die Weltbrandsage so stark ausgebildet wie die Westfalen. Vom Birken-
baum bei Werl erzählt man sonderbare Dinge: die Völkcrsdiladit soll hier stattfinden, im Hell-
wege, die Auseinandersetzung zwischen dem feurigen Süden und dem eisigen Norden, zwisdren
Weil? und Sdiwarz, zwisdien Gut und Böse: die Erde wird verbrennen und eine neue ernpor-
steigen, verklärt und sdröner. Diesen Phantasien und Mysterien entsprechend hat die rote Erde
auch seltsame Dichter (Moeller van den Bruck würde sagen: verirrte Deutsdre) hervorgebradrt:
Peter Hille, den im Erdenleben verzauberten Merlin, der bei seinen Wanderungen durch Wald
und Welt das Geheimnis alles Seins erlauschte und das Wesen der Dinge im lebten Wort
tönen hörte; Christian Dietridr Grabbe, der verwitterungsselig gewaltige Quader wälzte zu
Riesendramen und es doch nur zu Ruinen brachte; Annette von Droste-Hiilshoff, die Spöken-
kiekerin von Rüsdrhaus, der wohl Niei?sdres Wort sdron vorsdiwebte: das Ewig - Männlidre
zieht uns hinan.
An zwei Orte ist die neue Kunst in Westfalen geknüpft: Soest und Hagen. Soest, das
grobe Dorf Westfalens ist grünrot. Liranos und Mond beherrsdien die Stadt: sie ist darum
ein mystisdier Mittelpunkt. Handel und Industrie konnten nie ganz festen Ful? fassen. Das Karma
von Soest gestattet nur Schönheit und Kunst. Deshalb brachte diese Stadt den groben Wilhelm
Morgner hervor. Um ihn gruppiert sidi die neue Soester Malersdrule: Eberhard Viegener,
Arnold Topp, Wilhelm Wulff. Hagen ist der Antipode von Soest. Industrie- und Parvenue-
stadt. Häblidi, aber mit schöner Umgebung. Ihre Farben sind grauschwarz und giftiggrün.
Saturn und Mars haben Gewalt über sie. Für die Kunst wirkt sie mehr organisatorisch, pädago-
gisdr, merkantil (das Folkwang-Museum mit all seinen Zielen und Veranstaltungen). Dodr an
Hagen kann man so leiclnt sdieitern: LIpphoff, Stoermer, Böttidicr . . . Hier niubte Christian


Emst te Peerdt Ölgemälde 1892. Im Besitje des Geheimrats Bayer, Elberfeld „Das Tal

552
 
Annotationen