Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0596
DOI Heft:
April-Heft
DOI Artikel:Edschmid, Kasimir: Profile, 3,Theodor Däubler
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0596
Prozeß auf der Erde überhaupt. Im Sdrein sind alle Farben, Freuden, Aben-
teuerlichkeiten des Erlebens immer vorhanden. Bauern und Gebirgler unter-
scheiden ihn auch nicht etwa wei^, sondern blau und rot. In Wahrheit ist
das natürlich erst der Anfang, ihn zu begreifen. So ist das wichtigste wohl
an ihm. Man mu| denken, daf} er stark im Süden wandere und am besten
von dort aus seine Sehnsuchtverschwisterung mit den Sternen erreiche, und
man kann nicht verfehlen, dabei von Malern reden zu müssen, um ihn deutlidr
zu machen. Da ist Chagall, der ja auch im slavischen Seelenlabyrinfh die
Südlichkeif hat. Die russische Seelenbreite hat Däubler gewib, aber es ist
nur ein Bogen. Dann hat er jene Klarheit, die schon aus dem Gefühl vom
Jenseits der Gegenstände kommt, das Klee in guten Momenten erreicht. Jenes
Nur-Wissen um Tiefe der Farben und der Mondbewegungen. Manchmal
scheint es, als laufe die ganze Epoche dort hinaus und das dauernde Zerstören
der Form lande in einer ganz abstrakten Kunst. Mir scheint das ein bedeut-
samer und enger Irrtum, Denn nur ganz wenigen und innerlich erlauchten
Personen ist es verliehen, über die Dinge hinaus zu sehen und die Mauer zu
überblicken, hinter denen das Weltgeschehen wie ein schönes und feierliches
Changieren der leuchtenden und klaren Welfkörper vor sich geht. Dahin rechne
ich nicht die italienischen Futuristen, aber Chagall, Klee und Däubler. Die
andre Kunst wird immer auf der Erde bleiben, wo sie im Kampf mit den
Gegenständen und ihrer Vergeistigung schwere Niederlagen und heftige Siege
von fast gleicher Grölte erreichen wird. Auf das Ins-Grammophon- und Bilder-
buch-haffe Treiben des Dramas, das in den Scharnieren schon knackt, geistig
wohlverstanden, aber dennoch knackt wie ein Panopükumaffe, wird ein wilder
Fiereinsturz naturalistischer Gefühle folgen. Ihr habts zu weif getrieben schon.
Ihr werdet arg verhauen werden. Das Negieren der Tatsachen und ins Blaue
wursteln mit reinen Vorstellungen ist eine Räterepublik von Neunzehnhundert-
neunzehn. Die Bauern werden euch mit Knüppeln erschlagen. Eine Schule der
gegenstandslosen Kunst halte ich für unmöglich, aber ich glaube, es wird ein
starker dekorativer Stil daraus entstehen. Die Suggesfivitäf des erregenden und
harmonisch-einschlingenden Weltalls werden nur ganz wenig überirdisch schauende
Künstler fertig bringen. Fast alle abstrakten Künstler sonst würden versagen,
wenn man sie vor Aufgaben der SfoffÜchkeitsbezwingung stellte und zwar so,
da^ ihnen nur offensichtlich Dilettantisches und Dünnes gelänge. Das heilst, ihr
Zusammenbruch wäre kein radikaler und bestürzender, was ja für sie spräche,
sondern er würde werden wie eine Entschleierung. Nun hat aber Däubler noch
etwas, nämlich auch die kosmische Ruhe, das Idyllische und sidr im Geistigen
so zuhause fühlende, als sei das seif Jahrtausenden die Tätigkeit seiner Familie.
Etwas ähnliches hat Franz Marc bei uns versudrf, indem er auf die groben
persischen Vorbilder kam. An geistiger Idylle haben wir ja den Schweizer Walser.
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teuerlichkeiten des Erlebens immer vorhanden. Bauern und Gebirgler unter-
scheiden ihn auch nicht etwa wei^, sondern blau und rot. In Wahrheit ist
das natürlich erst der Anfang, ihn zu begreifen. So ist das wichtigste wohl
an ihm. Man mu| denken, daf} er stark im Süden wandere und am besten
von dort aus seine Sehnsuchtverschwisterung mit den Sternen erreiche, und
man kann nicht verfehlen, dabei von Malern reden zu müssen, um ihn deutlidr
zu machen. Da ist Chagall, der ja auch im slavischen Seelenlabyrinfh die
Südlichkeif hat. Die russische Seelenbreite hat Däubler gewib, aber es ist
nur ein Bogen. Dann hat er jene Klarheit, die schon aus dem Gefühl vom
Jenseits der Gegenstände kommt, das Klee in guten Momenten erreicht. Jenes
Nur-Wissen um Tiefe der Farben und der Mondbewegungen. Manchmal
scheint es, als laufe die ganze Epoche dort hinaus und das dauernde Zerstören
der Form lande in einer ganz abstrakten Kunst. Mir scheint das ein bedeut-
samer und enger Irrtum, Denn nur ganz wenigen und innerlich erlauchten
Personen ist es verliehen, über die Dinge hinaus zu sehen und die Mauer zu
überblicken, hinter denen das Weltgeschehen wie ein schönes und feierliches
Changieren der leuchtenden und klaren Welfkörper vor sich geht. Dahin rechne
ich nicht die italienischen Futuristen, aber Chagall, Klee und Däubler. Die
andre Kunst wird immer auf der Erde bleiben, wo sie im Kampf mit den
Gegenständen und ihrer Vergeistigung schwere Niederlagen und heftige Siege
von fast gleicher Grölte erreichen wird. Auf das Ins-Grammophon- und Bilder-
buch-haffe Treiben des Dramas, das in den Scharnieren schon knackt, geistig
wohlverstanden, aber dennoch knackt wie ein Panopükumaffe, wird ein wilder
Fiereinsturz naturalistischer Gefühle folgen. Ihr habts zu weif getrieben schon.
Ihr werdet arg verhauen werden. Das Negieren der Tatsachen und ins Blaue
wursteln mit reinen Vorstellungen ist eine Räterepublik von Neunzehnhundert-
neunzehn. Die Bauern werden euch mit Knüppeln erschlagen. Eine Schule der
gegenstandslosen Kunst halte ich für unmöglich, aber ich glaube, es wird ein
starker dekorativer Stil daraus entstehen. Die Suggesfivitäf des erregenden und
harmonisch-einschlingenden Weltalls werden nur ganz wenig überirdisch schauende
Künstler fertig bringen. Fast alle abstrakten Künstler sonst würden versagen,
wenn man sie vor Aufgaben der SfoffÜchkeitsbezwingung stellte und zwar so,
da^ ihnen nur offensichtlich Dilettantisches und Dünnes gelänge. Das heilst, ihr
Zusammenbruch wäre kein radikaler und bestürzender, was ja für sie spräche,
sondern er würde werden wie eine Entschleierung. Nun hat aber Däubler noch
etwas, nämlich auch die kosmische Ruhe, das Idyllische und sidr im Geistigen
so zuhause fühlende, als sei das seif Jahrtausenden die Tätigkeit seiner Familie.
Etwas ähnliches hat Franz Marc bei uns versudrf, indem er auf die groben
persischen Vorbilder kam. An geistiger Idylle haben wir ja den Schweizer Walser.
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