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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Hollander, Walther von: Die ewige Wanderschaft: Novelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0602

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Herzen, die ungeformt in die Erde gestampft wurden, auch sein Herz faulen zu
lassen, sein Herz, in das der Griffel Gottes die ersten ungeschickten Bilder geriet
hatte, — das schien ihm unmöglich. So hielt er sich hoch über allem Geschehen
fest, blieb aufrecht, wo andere sanken, und kehrte am Ende der Qualen mit zer-
rüttetem Körper und aufrechter Seele zurück. Ziellos und umhergetrieben, erwachend
aus einem tollen, lärmenden Traum blieb ihm ein Schleier über die Welt gebreitet,
eine Tür verschlossen vor jedem Eingang.
Zu einem welkenden Strauß bunter, wahlloser Blumen zusammengebunden, hielt
er sein Leben in den Händen, ein Freier, ein Werbender aus Verzweiflung. Nur
von einer Frau noch erhoffte er Rettung aus dem verzerrenden Taumel in das Nichts
des täglich verrauschenden Lebens und den endlichen Einblick in die Mystik der
Vollendung, von einer Frau, selten gemischt aus Hingabe und Trieb.


An dem Abend, da Michael auf Angelika traf, erschien es seinem wandersüchtigen
Herzen unheimlich und verlockend, in diesem empfängnisdurstigen Herzen zu
wurzeln. In heilen Wogen brandete sein Blut um den Gedanken, Frucht zu bringen.
Glanz sah er aus dem verzehrenden Blau der Augen Angelikas brechen und auf
seinen Scheitel fallen, der schon in den Einsamkeifsschnee des ewigen Alfers ragte.
Erinnerung nutzloser Wege stand auf und befahl, nicht mehr zu zögern, Griff und
Schrift zu beschleunigen, diesen Meteor aus seiner silbernen Bahn an die unerfüllte
Brust zu reihen.
Noch scheute er, der Werbung nachzugeben, die stürmisch hinter seinen Lippen
stand, und lenkte seinen Blick, indes sie wortlos miteinander gingen, in das sinnlose
Gewühl der steinumgrenzten Sfadtsfraße, horchte gequält den überflüssigen Worten
der Vorübergehenden nach und spann aus den abgerissenen Feßen der Gespräche,
Blicke und Gebärden den gleichgültigen Verlauf gleichgültiger Schicksale zusammen.
Aufflammen, Brennen und Verzischen, Begehren, Trinken, Sättigung und Hah
ergriff er gleichermaßen. Er lächelte des nie enttäuschten Mutes der Sfraßenwanderer
und sah, betroffen von Schönheit, dem gespannten Profil einer Frau nach, die
festlich weiß in einem erleuchteten Wagen in die Ferne fuhr. Endlich erwachend
aus dem Spuk der fremden Schicksale fühlte er, daß sein Herz durch die zerstörenden,
erzwungenen Wanderungen dieses Krieges doch aus der Ferne vertrieben sei, und
stieß inmitten der Straße mit Hammerworfen nach Angelika. Er ließ die erstaunt
Lächelnde nicht mehr zu ihren Gedanken zurückfliehen, sperrte Vergangenheit und
Gegenwart mit lodernden Worffeuern von ihr ab und riß die noch Zögernde mit
der Wucht steiler Männlichkeit über seine Schwelle.
Angelika aber, ganz eingehüllt in das Lächeln des Untergangs, stürzte mit dem

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