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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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April-Heft
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Meyer-Eckhardt, Viktor: Vier Gedichte
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0613

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CRUCIFIXUS
IN EINEM BÖHMISCHEN DOM

Schon kam ihm die Erlösung, lange ruht
Auf blasser Brust sein schwer gekröntes Haupt,
Doch Abend hat ihn mild mit Gold umlaubt,
Zur Schulter liegt der Locken braune Flut
Als eine dunkle Traube, voll von Blut,
Wie eines Jünglings, der verging im Traum
Des Wiesenduftes in der Sommernacht,
Sind seine Lippen: lieblich eingelacht
In Müdigkeit, wie schmaler Silbersaum
An Purpur: seine Zähne, offen kaum.
Die Finger, die nicht Krampf noch Fieber schwellt,
Verdecken ganz die Nägel zart und still,
So wie ein Kind, das Kränze winden will
lind vor der Arbeit in Gedanken fällt,
In seinen Händen sanfte Knospen hält.
Für soviel Frieden war die Welt zu krank,
Für soviel Schönheit viel zu trüb und blind.
Die Marter, die wie einen Frühlingswind
Aus Vaterlanden seine Seele trank,
War alles, was sie hatte, war ihr Dank.


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