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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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April-Heft
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Keim, Heinrich Wilhelm: Hans Franck
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0620

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weitem Begreifen und intimstem Einfühlen heraus die Kunst der Vergangenheit
und der Gegenwart darzustellen und kritisch zu ihr sich Stellung zu schaffen.
Glühend bekannte er da seine germanische Seele, glühend enthüllte er da die grobe
Zukunft des germanischen Geistes, die groben Gegensätze von Form und Aus-
druck, von Melodie und Rhythmus, von Schönheit und Geistergriffenheit zu einer
Einheit zu verschmelzen, in der beide die Notwendigkeit ihrer Existenz von der
Bewegung der Seele, nicht von einem schablonenhaften, äußern Gesetz empfangen.
Deshalb auch ist Francks Kunst nie das Erklingen einer stets gleichgestimmten,
vorgefaßten Form. Sein immer einzigartiges, kosmisch-organisches Erleben schafft
sich sein Formbild — echt germanisch — stets von neuem. So steht in seinen
Rhapsodien die melodische Idylle neben rhythmisch gehämmerter Dramatik und
fugisch gebauter Vision, die klare Epik neben leidenschaftlich baroker Pathetik.
hranck redet nicht unmittelbar zum Willen des Menschen, ihn aufzupeitschen
gegen die eigene Verfettung, gegen die Unmenschlichkeit des Lebens, wie die Kunst
des Expressionismus es tut. Die auf die Masse gerichtete Aktivität liegt ihm fern.
Er seßl nicht die Verelendung menschlichen Wesens in Gegensaß zu des Menschen
wahrer Bestimmung, zu seinen verschütteten Werfen, um auf diese Konfrastierung den
glühenden Appell, die eindringliche Beschwörung zur Selbstbefreiung des Menschen
zusfüben. Seine Kunst enträf der feurigen, rhetorischen Pathetik, des mitreißen-
den Rausches, der geißelnden Ironie und des brüderlichen Mifleidens. Und doch
ist sie innerlichst dem jungen Weltgefühl verbunden. Denn sie glaubt an die Kraft,
im Einen die Menschheit zu treffen, sie glaubt an die Ausstrahlung des Gott-
besessenen auf die Stumpfheit der Mitwelt. Aber ihr ist diese Wirkung nicht Ziel
und Sinn, sondern notwendige, immanente Gegebenheit. Nicht der Wille, sei er
noch so hart, noch so bewußt, führt zur Vollendung, sondern allein die Gnade,
das Erleben Gottes in der eigenen, ganz auf sich gestellten, nur sich verant-
wortlichen Seele. Und nur wer diesen Weg mitgeht, in eigenem, alles in Frage
stellendem Erlebnis, aus eigner, synthetischer Kraft, der, und nur der kommt
zum erahnten Ziel.
Geist und Wille sind zwei Komponenten der menschlichen Vernunft, die der
Menschheit weife Erkennfnisreiche geöffnet haben. Die Kunst, die auf ihnen allein
steht, treibt in die Eiswüsfen dogmatischer Ethik und wortreicher Abstraktion ab.
Und manche expressionistische Tage®größe ist diesem Tode des Erfrierens rettungs-
los verfallen. Erst wenn der Geist das Blut der Seele trinkt, wird Können Kunst
und Mission. Francks Werk aber ist geboren aus dieser lebendigen Kraft,


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