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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Mai-Heft
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Chapiro, Joseph: Richard Dehmel als Held seines Werkes
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0671

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warf, um dem Metall die Farbe ihrer Haare und dem Erze den Klang ihrer
Stimme zu verleihen, so warf sich auch Richard Dehmel mit Leib und Seele in
sein Werk und prägte ihm seine Persönlichkeit auf, wie er auch in seinem Leben
sich die ganze Tiefe seines Werkes widerspiegeln lieb, Und dab er sein ganzes
Leben für die Vereinigten Staaten Europas gekämpft und sie erwartet hat, dab
er mit seinem ganzen Leben zum Aufbau eines Weltvolkes rief, und dessen Auf-
stieg am Horizonte ahnte, dab der Krieg nicht diesen Glauben an die Zukunft
der Menschheit in ihm zerstörte, und dab er sich troh Chauvinismus und trob
aller blutigen Leidenschaften, die durch die Welt stürmen, dab er sich, trob des
Natio nalen Internationalismus, trob des Wahnes, den er seit dem 4* August
1914 zu predigen begann, bemüht, das Ganze, das Allgemeine zu erreichen —
dies alles kommt daher, dab er sein Hirn in vielen Farben zu färben wuljte:
„Zehn Völkern schuldet meine Stirn
Ihr bibchen Hirn“,
Dieser Dehmel aus der Zeit vor August 1914, dieser „Zehn Völker“-Dichter bleibt,
und keine Partei, keine nationalistische Organisation wird ihn uns rauben können.
Diejenigen, welche der menschlichen Einigkeit und Brüderlichkeit treu geblieben sind,
diejenigen, welche nie ein Bündnis mit den Kriegern, welchem Lande sie auch an-
gehörten, geschlossen haben, — fahren fort, sich als Vorbild jenen Baum zu neh-
men, den er uns in seinem unvergleichlichen Gedichte »An mein Volk« gab und
aus dem der Mensch, mit seinem roten Sturme und seinen vorgestreckten Armen,
der ganze Dichter mit seiner Sehnsucht und seiner Einsamkeit und unsere ganze
von ihm so geliebte Zukunft leuchtet:
„In meiner Heimat steht ein Baum,
Den liebe ich, der steht sehr stolz
Mitten im Mittelholz,
Da träumte ich manchen jungen Traum;
Er wurzelt tief, der hohe Baum,
Da träumt' ich, dab der Mensch allein
Dem huntertausendfachen Baum
Entwachsen kann:
Bis auch die Völker sich befrein.
Zum Volk! — mein Volk, wann wirst du sein?“
So wird Richard Dehmels Persönlichkeit von denjenigen Europäern beurteilt, welche
nie das Ideal der Menschen-Internationale verleugnet haben; von diesem Gesichts-
punkte aus würdigen wir ihn, von diesem Gesichtspunkte aus bin ich heute abend
zu Ihnen gekommen, um von ihm zu sprechen als dem Helden seines Werkes,
Von diesem Standpunkt aus heben wir ihn, den Helden seines Werks,


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