Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0682
DOI Heft:
Mai-Heft
DOI Artikel:Edschmid, Kasimir: Profile, 5, Heinrich Mann
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aufhören, sich der Herzogin von Assy'zu verneigen, die Süßigkeiten und Trauer-
marsche stolzen Seelenbewußtseins schwingend zu verspüren. Einer hat die Zeit
wütend da gegeiselt, voll Distanz und beherrscht und ihr doch das Schöne gewiesen
der Inseln, der Schiffe, der Tapferkeit tief aus den Rinnen der Historie herauf.
Ausschweifungen des Geistes fanden keinen strahlenderen Heros. Süden, Macht
des gerechten Kampfes und Blutes sind um ihn. Seine Jacht ist um den Tierkreis
und die Erde weit herumgelaufen, während er träumte, auch hat er gebaut, an
manches gedacht und kolonisiert. Fahnen senken sich, Häupter sind entblößt vor
der Leistung. Manchmal wird nur gedacht, wo es hohl klinge in der Wölbung des
Werks, sei vielleicht falsch gehorcht. Kein künstlerisches Vakuum sei im Zentrum,
auch nicht allein das Versagen. Er habe, indem er sich der einen Richtung des
Geistes verschrieb, gegen das Menschliche versündigt und mehr gegeben, als er
dafür nahm. Ruhm wohl empfangen auf dem Weg des Geistes, aber es sei ein
dürrer Kranz. Wo er gegeizt habe wie ein Wucherer, wo er gespart und gefeilscht
habe vom Leben und der Tat immer wegnehmend und es ins Imaginäre der Idee
seßend, um Kraft aus der Sdiwäche zu ziehen, da sei ein Fehler in das Zentrum
gefahren, er habe das Wichtigste versäumt und mit schiefer Einstellung nur noch
gesehen. Wo blutig das Herz schlüge, sei blaues Eis. Er habe die Menschen nicht
geliebt, sondern ihre Ideen. Sei fanatisch, aber egoistisch gewesen, habe als falscher
Radikaler und verschrobener Märtyrer nur der Pfunde gewaltet. Sei nie bis an
che Menschen gekommen, habe, Hand über den Augen, tief denkend, an der lebten
Küste gehalten. Der Weg war indirekt. Ob er es begriffe. Am Kap Maüfu, als
er in Tunis strandete, sdirie Karl der Neunte: Glück sei die Hure, die nur von
Jugend karessierl sein wolle. Am Ufer sind Kämpfe weif von ihm, neue Gene-
rationen aufmarschiert mit anderen Losungen. Ob ihm ein Schleier reiße und er
fühle, er habe sie nie erreicht, nie erfaßt. Edel in der Haltung wird vielleidrt er es
nicht verstehen, nicht sehen, neuen Büchern zufahren, während die Zeit sich voll-
endet in seinem Rücken. Vielleicht aber ist jedes Wort falsch und jeder Schritt
unrecht, den die am Ufer tun. Aber sie haben sich entschieden und haben aus
heißer, menschlicher Leidenschaft gehandelt. Doch das würde dem Wegfahrenden
wohl nicht klar sein, denn es wäre zu nah für ihn. Er kann es aus dem Blut nicht
verstehen, nur aus dem Geist. Der aber segelt ihn nur bis dahin, wo das Begreifen
beginnt. Hier sdieiden sich die Wasser, man braucht es nicht deutlicher zu zeigen,
als es ist.
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marsche stolzen Seelenbewußtseins schwingend zu verspüren. Einer hat die Zeit
wütend da gegeiselt, voll Distanz und beherrscht und ihr doch das Schöne gewiesen
der Inseln, der Schiffe, der Tapferkeit tief aus den Rinnen der Historie herauf.
Ausschweifungen des Geistes fanden keinen strahlenderen Heros. Süden, Macht
des gerechten Kampfes und Blutes sind um ihn. Seine Jacht ist um den Tierkreis
und die Erde weit herumgelaufen, während er träumte, auch hat er gebaut, an
manches gedacht und kolonisiert. Fahnen senken sich, Häupter sind entblößt vor
der Leistung. Manchmal wird nur gedacht, wo es hohl klinge in der Wölbung des
Werks, sei vielleicht falsch gehorcht. Kein künstlerisches Vakuum sei im Zentrum,
auch nicht allein das Versagen. Er habe, indem er sich der einen Richtung des
Geistes verschrieb, gegen das Menschliche versündigt und mehr gegeben, als er
dafür nahm. Ruhm wohl empfangen auf dem Weg des Geistes, aber es sei ein
dürrer Kranz. Wo er gegeizt habe wie ein Wucherer, wo er gespart und gefeilscht
habe vom Leben und der Tat immer wegnehmend und es ins Imaginäre der Idee
seßend, um Kraft aus der Sdiwäche zu ziehen, da sei ein Fehler in das Zentrum
gefahren, er habe das Wichtigste versäumt und mit schiefer Einstellung nur noch
gesehen. Wo blutig das Herz schlüge, sei blaues Eis. Er habe die Menschen nicht
geliebt, sondern ihre Ideen. Sei fanatisch, aber egoistisch gewesen, habe als falscher
Radikaler und verschrobener Märtyrer nur der Pfunde gewaltet. Sei nie bis an
che Menschen gekommen, habe, Hand über den Augen, tief denkend, an der lebten
Küste gehalten. Der Weg war indirekt. Ob er es begriffe. Am Kap Maüfu, als
er in Tunis strandete, sdirie Karl der Neunte: Glück sei die Hure, die nur von
Jugend karessierl sein wolle. Am Ufer sind Kämpfe weif von ihm, neue Gene-
rationen aufmarschiert mit anderen Losungen. Ob ihm ein Schleier reiße und er
fühle, er habe sie nie erreicht, nie erfaßt. Edel in der Haltung wird vielleidrt er es
nicht verstehen, nicht sehen, neuen Büchern zufahren, während die Zeit sich voll-
endet in seinem Rücken. Vielleicht aber ist jedes Wort falsch und jeder Schritt
unrecht, den die am Ufer tun. Aber sie haben sich entschieden und haben aus
heißer, menschlicher Leidenschaft gehandelt. Doch das würde dem Wegfahrenden
wohl nicht klar sein, denn es wäre zu nah für ihn. Er kann es aus dem Blut nicht
verstehen, nur aus dem Geist. Der aber segelt ihn nur bis dahin, wo das Begreifen
beginnt. Hier sdieiden sich die Wasser, man braucht es nicht deutlicher zu zeigen,
als es ist.
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