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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Funken
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FUNKEN

DIE KUNST IN BERLIN. In der Akademie der
Künste sind in einigen wenigen Räumen Bildnis-
darstellungen vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur
Gegenwart aus hiesigem Privatbesiß zusamniengebradit.
Dal? unter „Gegenwart“ nicht die Epoche verstanden
wird, die uns wieder die Augen geöffnet hat über das wahre
Wesen künstlerischer Sdiöpfung, verstand sidi geradezu
von selbst, — der Horizont eines sokhen Institutes
reidit nidit sehr viel weiter als bis zu Lenbadi, Böck-
lin, Gussow, Koner, A. v. Werner und ihresgleidien,
mit denen diese Ubersidit tatsädilidi absdiließt. Man
sollte wenigstens ein h ei tlidie Veranstaltungen madien,
in sidi abgesdilossene Kulturkreise zeigen, also Porträts
der Rokoko- oder der Biedermeierzeit oder soldie des
Berlin der lebten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aber
nidit Dinge miteinander vermengen, die verschiedenen
Geistes sind, wenn audi ihre Darstcllungsprinzipien
dieselben sein mögen! Unter den Bildern aus der
leßten Perückenzeit ragen soldie von Anton Graff
(Lessing und das Ehepaar Chodowiecki), von der Lis-
zewska und Rehbergs Darstellung des denkwürdigen
hektisdien Gesichts von K. Ph. Moriß hervor, meist
aus dem Besiß cler Akademie selber. Der Hauptsaal
ist in ein Pantheon von Büsten verwandelt, die, wenn
audi viel zu didit gestellt, ein volles klassizistisdies Er-
lebnis bedeuten: vor allem freut man sidi an Sdiadows
kräftiger Natur (seine erstaunlich-reife Sdiilderung des
Platfgesidifs, Nicolais, des Aufklärers in brauner
Bronze, ist unvergeßlich!); auch Raudi ist da mit einigen
guten Stücken, und FriedridiTieck mit einer Triumphator-
büste seines Bruders Ludwig. Von gleidizeitigen
Malereien seien die beiden Bildnisse der I ödhier
W. v. Humboldts, heitere, farbige, ungemein sym-
pafhische Werke Sdiicks, dann das treffliche ganz-
figurige Bild des steifgliedrigen Kaufmanns Lieber-
mann in seinem Kontor (von unbekannter Hand) und
das Kolbesche Goetheporträt genannt; alle sind weit
über Berlin hinaus bekannt. Unter dem Rest gibt
es, außer einigen Zeidinungen Blediens und Schadows,
eigentlidi nur nodi soldie Dinge, die uns aufhalten
würden, die zwar die Historiker des 19. Jahrhunderts
interessieren mögen, da sie seine Kenntnis bereichern,
oder die außerkünstlerisdier Zwecke halber betraditet

werden, wozu gerade eine Ausstellung wie diese hier
nur zu leidit verführen muß.
In den Besiß der Nationalgalerie sind zwei Land-
schaften C. D. Friedridis übergegangen, eine aber-
malige Bereicherung ihres Friedridi-Kabinetts, das
auserlesene Werke enthält und neuerdings nodi durdi
Zeidinungen vervollständigt wurde. Erst im vorigen
Jahr erregte die mystisdie Vision seines großen Nord-
liditbildes die Herzen derer, die Friedridi etwas an-
geht, und wenn die beiden neuen Stücke audi an
innerem Gehalt keineswegs an dieses heranreidien,
so sind sie uns doch wert wie alles andere, was aus
Geist und Fland dieses einzigartigen Mannes hervor-
kani. Ohne bei dem kleineren, einer Abendstimniung
im Greifswalder Hafen in Gelb, Orange und Graubraun,
zu verweilen, wird indessen eine, wenn audi nodi so
kurze Auseinanderseßung mit dem großen Werk, einer
Hodigebirgslandsdiaft, unvermeidlidi. Das ist eins der
größten Formate, die wir von diesem Maler haben,
ein kompositorisdi außerordenflidi kühnes Bild mit
sdiroffen diagonalen Haupflinien, eine sdion im Bfid<
auf das „Motiv“ für jene Tage unbesdireiblidi neu-
artige Bildgestaltung der alpinen Großheit (leider haben
wir uns inzwischen durdi die Arbeiten jener üblen seiditen
Alpenmalerei der 2. Flälfte des 19. Jahrhunderts griind-
lidist den Gesdimack an dieser verderben müssen).
Es ist ausgereift bis ins lebte, eine wundervolle Ziel-
strebigkeit hat hier Farbenstreifen nebeneinanderge-
sdiichfef, zu größeren Einheiten gebunden, aber froß
diesem und allem andern, was man zum Preise des
Bildes sagen könnte, fehlt dodi jener tiefe Glockenklang,
jene höchste Harmonie, jenes unermeßliche Sdiweigen,
jene Vergöttlidiung der Natur, jenes Farbengeheimnis
seiner anderen besten Bilder. Es wäre denkbar, daß
eine konsequente Durdiführung jenes köstlich-kühlen
Sdiatten- und Dunstgrau die eigentlidie Friedridi-Slim-
mung erzeugt haben könnte, dodi wird sie hier zerstört
durch das Weiß des Gletschers, vor allem durdi die
sonnenbelichtete seitlidio Partie desselben. Vielleidit
ist es aber auch das Fehlen jeder Fernsidit (für Fried-
ridi vor allem das Symbol der Unendlichkeit!), wodurdi
dies bedeutende Bild hinter vielen, selbst seiner kleine-
ren Landschaften wird Zurückbleiben müssen.

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