Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0767
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Juni-Heft
DOI article:Döblin, Alfred: Das Zauberspiel: (aus einem Roman)
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langsam und ungeniert gegen den einen braunfelligen Schimpansen an, der ge-
rade wie auf einer Eisbahn auf dem Boden rutschte. Ihr wuchs hinten aus dem
Rückgrat ein peitschendidcer schwarzer Schweif heraus, mit dem schlug sie ihm
vor die Nase; sie trug noch ihre Silberschuh und bunten hängenden Strumpfbän-
der, ihre übervollen Brüste schaukelten, ihr blondes, lockengedrehtes Haar wogte
wie eine Kapuze über ihr stumpfnasiges vergnügtes Gesicht. Die beiden Affen
balgten sich hinter ihr, dann schlangen sie die Arme umeinander, begannen so,
einer den andern festhaltend, ihr zu folgen.
Dicht an der Treppe legte sich ein ernster kleiner Mann, nachdem er sich un-
glücklich hin- und hergewandt hatte, ruhig auf die Diele, zog sich mit den Händen
und Knien auf dem Bauch hin, man trat ihn, schimpfte über ihn, er bat um Ent-
schuldigung, kroch weiter zwischen den Füßen, unter den Füllen; bisweilen richtete
er sich auf, verschnaufte ernst, sah wehmütig ernst den andern ins Gesicht, ging
wieder an seine Arbeit. Niemand unter ihnen wunderte sich über den anderen,
sie waren alle mit sich beschäftigt.
Eine ältere Dame mischte sich ein; sie trug einen kostbaren Zobelpelz, den sie
auch in der Hiße nicht ablegte, aber ihre Hände rührten von Zeit zu Zeit unruhig,
während sie gespannt alle beobachtete, die Schnalle vorn an ihrem Hais, die den
Pelz zusammenhielt, PlößÜch schrie sie gräflich, dabei riß sie sich wie erstickend
den Umhang auf. Und nun mit offenem Hais stellte sie sich hin an dem Fleck,
wo sie war, bog den Kopf zurück, blähte den Hals auf, stieb hochroten Gesichts,
während ihre hohe graue Perücke wackelte, einen eselartigen Trompetenruf aust
mit Blauwerden der Lippen, Zittern der hochgehobenen Arme, die den Fächer
fallen liefen. Darauf ging sie rasch, die seidenen Rödce wedelnd, weiter, heftig
atmend, gewissermaßen erleichtert, um nach einigen Rundgängen langsamer und
zögernd werdend, nach Zausen an ihrem Pelz, wie unter einer Eingebung das
helle Geschrei von sich zu geben. Wobei ihr bald von rechts und links, auch von
den Zuschauern, heftiges Gelächter antwortete, das sie mit Erblassen, entrüsteter
Miene aufnahm.
Einem Offizier geschah, wie er sich in den Saal hinunterbegab, ein großes Un-
glück, Er hatte vor, mit seinem Degen und seiner Muskelkraft der Galerie ein
besonderes Schauspiel zu geben. Heimlich warf er sich die Treppe herunter, die
leßten Stufen glitt er ab, prallte auf den federnden Boden. Und nun kam er nicht
zur Ruhe, Er war wie ein kleiner holzgeschnittener Mann mit zusammengeschlos-
senen Beinen anzusehen, zusammengeschlossenen Händen, dickem Hals, dickem
Kopf; er stürzte bald auf die Flände, da prallte er hoch, stürzte auf den Rücken,
wippte um, kam auf den Bauch, schoß hoch, stand auf den Füßen, machte einen
Schritt; aber sein Fuß warf ihn hoch; er mußte sich Mühe geben, auf den anderen
Fuß zu kommen, und so schnellte er rechts und links meterhoch durch den Saal,
immer bemüht, ein freundliches Lächeln gegen die anderen, nach der Galerie
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rade wie auf einer Eisbahn auf dem Boden rutschte. Ihr wuchs hinten aus dem
Rückgrat ein peitschendidcer schwarzer Schweif heraus, mit dem schlug sie ihm
vor die Nase; sie trug noch ihre Silberschuh und bunten hängenden Strumpfbän-
der, ihre übervollen Brüste schaukelten, ihr blondes, lockengedrehtes Haar wogte
wie eine Kapuze über ihr stumpfnasiges vergnügtes Gesicht. Die beiden Affen
balgten sich hinter ihr, dann schlangen sie die Arme umeinander, begannen so,
einer den andern festhaltend, ihr zu folgen.
Dicht an der Treppe legte sich ein ernster kleiner Mann, nachdem er sich un-
glücklich hin- und hergewandt hatte, ruhig auf die Diele, zog sich mit den Händen
und Knien auf dem Bauch hin, man trat ihn, schimpfte über ihn, er bat um Ent-
schuldigung, kroch weiter zwischen den Füßen, unter den Füllen; bisweilen richtete
er sich auf, verschnaufte ernst, sah wehmütig ernst den andern ins Gesicht, ging
wieder an seine Arbeit. Niemand unter ihnen wunderte sich über den anderen,
sie waren alle mit sich beschäftigt.
Eine ältere Dame mischte sich ein; sie trug einen kostbaren Zobelpelz, den sie
auch in der Hiße nicht ablegte, aber ihre Hände rührten von Zeit zu Zeit unruhig,
während sie gespannt alle beobachtete, die Schnalle vorn an ihrem Hais, die den
Pelz zusammenhielt, PlößÜch schrie sie gräflich, dabei riß sie sich wie erstickend
den Umhang auf. Und nun mit offenem Hais stellte sie sich hin an dem Fleck,
wo sie war, bog den Kopf zurück, blähte den Hals auf, stieb hochroten Gesichts,
während ihre hohe graue Perücke wackelte, einen eselartigen Trompetenruf aust
mit Blauwerden der Lippen, Zittern der hochgehobenen Arme, die den Fächer
fallen liefen. Darauf ging sie rasch, die seidenen Rödce wedelnd, weiter, heftig
atmend, gewissermaßen erleichtert, um nach einigen Rundgängen langsamer und
zögernd werdend, nach Zausen an ihrem Pelz, wie unter einer Eingebung das
helle Geschrei von sich zu geben. Wobei ihr bald von rechts und links, auch von
den Zuschauern, heftiges Gelächter antwortete, das sie mit Erblassen, entrüsteter
Miene aufnahm.
Einem Offizier geschah, wie er sich in den Saal hinunterbegab, ein großes Un-
glück, Er hatte vor, mit seinem Degen und seiner Muskelkraft der Galerie ein
besonderes Schauspiel zu geben. Heimlich warf er sich die Treppe herunter, die
leßten Stufen glitt er ab, prallte auf den federnden Boden. Und nun kam er nicht
zur Ruhe, Er war wie ein kleiner holzgeschnittener Mann mit zusammengeschlos-
senen Beinen anzusehen, zusammengeschlossenen Händen, dickem Hals, dickem
Kopf; er stürzte bald auf die Flände, da prallte er hoch, stürzte auf den Rücken,
wippte um, kam auf den Bauch, schoß hoch, stand auf den Füßen, machte einen
Schritt; aber sein Fuß warf ihn hoch; er mußte sich Mühe geben, auf den anderen
Fuß zu kommen, und so schnellte er rechts und links meterhoch durch den Saal,
immer bemüht, ein freundliches Lächeln gegen die anderen, nach der Galerie
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