Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0780
DOI Heft:
Juni-Heft
DOI Artikel:Fleischmann, H. R.: Expressionistische Musik in Österreich
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0780
Die beiden Drehpunkte, um welche der Wiener Expressionismus abfließf, heilen
Arnold Schönberg und Franz Schreker, Beide stilistisch voneinander grund-
verschieden, nur ähnlich in der technischen und gedanklichen Kühnheit der Ziel-
setzung ihrer Bestrebungen. Jeder von ihnen Schule bildend und dadurch Kreise
gleicher Eigenart von gewaltiger Rundung schaffend. Schönberg ist der Grübler,
der mit jedem seiner Werke das Grab der überkommenen Kunst tiefer schaufeln
will; der mit jeder Niederschrift zunächst verblüffende, bei wiederholtem aufmerk-
samen Hinhorchen und genauer Verfolgung seiner gesamten Schaffenstätigkeit
jedoch leichter — nicht leicht! — verständliche Äußerungen seiner auf schärfste
Geistesarbeit eingestellten künstlerischen Fiberzeugung wiedergibt. Schreker
arbeitet im Banne der klingenden Pracht seiner reichen Eingebung, will die Nabel-
Schnur, die ihn mit dem Mutterleibe der in seinen ersten Werken sich nodi
nachhaltig auswirkenden Tradition verbindet, nicht gänzlich lösen und bietet daher
mit seinem Schaffen der musikalischen Welf eine weniger breite Fläche für einen
reaktionären Angriff oder eine feindselige Haltung. Schönberg gießt seine
innersten Erlebnisse in die Form der Kammermusik (Sireichguarfeffe D-moll und
Fis-moll, Sfreichsexfeft »Verklärte Nacht«), der Klaviermusik (Klavierstücke op. 11
und op. 18) sowie der Liedmusik (Lieder op. 1, 2, 3, 6, 8, 12, Georgelieder);
Schreker weiht der neuen Kunst die Riesengemälde seiner Bühnenwerke: der
ferne Klang, das Spielwerk, die Gezeichneten, der Schatzgräber.
Die Schüler. Sie sind ausnahmslos fanatisdie Verkünder der künstlerischen
Richtung ihrer Meister, durchweg von über die Durdischniffsbegabung hinaus-
ragenden musikalischen Fähigkeiten und mifihren achtunggebietenden Schöpfungen
den von ihren Meistern empfangenen Samen tief und weif in das Erdenreich des
Expressionismus verpflanzend. Arnold Schönberg in der Verkörperung von Egon
Wellesz (Streichquartette, Klavierstücke, Lieder, Oper »Girnara«) Paul Pisk (Or-
chesterlieder), Anfon von Webern (Orchesfersfücke), Alban Berg (Kammermusik-
lieder); Franz Schreker in der Verjüngung von Wilhelm Grosz (Orchesfersfücke,
Streichquartett, japanische und jüdische Lieder), Felix Pefyrek (Klavierstücke,
Kammermusik), Alois Fläba (Klaviersonafe, Scherzo für Klavier, 2 Streichquar-
tette, darunter eines in Vierfelfönen!), Josef Rosensfock (Klaviersonafe, Klavier-
konzert), Ernst Krenek (Serenade für Sfreichfrio und Klarinette), Ernst Kaniß
(»Lustige Ouvertüre« für Orchester). Abseits von diesen Schönberg- und
Schreker-Jüngern, jedodi ebenfalls der neuen Bewegung folgend, rangieren:
E. W. Korngold, Karl Weigl, Georg Szell, Walter Klein u. a. m. mit ihrem
interessanten und größtenteils auch erfolgreichen Schaffen. In wiefern die in der
musikalischen Welt als autoritative „Wiener Schule“ bereits anerkannte neue
Bewegung durdi die Berufung Franz Schrekers als Leiter der akademischen
Flochschule für Musik in Berlin und durdi die Betrauung Arnold Schönbergs
mit der Gründung eines seinen Namen enthaltenden Musikkonservaforiums in
700
Arnold Schönberg und Franz Schreker, Beide stilistisch voneinander grund-
verschieden, nur ähnlich in der technischen und gedanklichen Kühnheit der Ziel-
setzung ihrer Bestrebungen. Jeder von ihnen Schule bildend und dadurch Kreise
gleicher Eigenart von gewaltiger Rundung schaffend. Schönberg ist der Grübler,
der mit jedem seiner Werke das Grab der überkommenen Kunst tiefer schaufeln
will; der mit jeder Niederschrift zunächst verblüffende, bei wiederholtem aufmerk-
samen Hinhorchen und genauer Verfolgung seiner gesamten Schaffenstätigkeit
jedoch leichter — nicht leicht! — verständliche Äußerungen seiner auf schärfste
Geistesarbeit eingestellten künstlerischen Fiberzeugung wiedergibt. Schreker
arbeitet im Banne der klingenden Pracht seiner reichen Eingebung, will die Nabel-
Schnur, die ihn mit dem Mutterleibe der in seinen ersten Werken sich nodi
nachhaltig auswirkenden Tradition verbindet, nicht gänzlich lösen und bietet daher
mit seinem Schaffen der musikalischen Welf eine weniger breite Fläche für einen
reaktionären Angriff oder eine feindselige Haltung. Schönberg gießt seine
innersten Erlebnisse in die Form der Kammermusik (Sireichguarfeffe D-moll und
Fis-moll, Sfreichsexfeft »Verklärte Nacht«), der Klaviermusik (Klavierstücke op. 11
und op. 18) sowie der Liedmusik (Lieder op. 1, 2, 3, 6, 8, 12, Georgelieder);
Schreker weiht der neuen Kunst die Riesengemälde seiner Bühnenwerke: der
ferne Klang, das Spielwerk, die Gezeichneten, der Schatzgräber.
Die Schüler. Sie sind ausnahmslos fanatisdie Verkünder der künstlerischen
Richtung ihrer Meister, durchweg von über die Durdischniffsbegabung hinaus-
ragenden musikalischen Fähigkeiten und mifihren achtunggebietenden Schöpfungen
den von ihren Meistern empfangenen Samen tief und weif in das Erdenreich des
Expressionismus verpflanzend. Arnold Schönberg in der Verkörperung von Egon
Wellesz (Streichquartette, Klavierstücke, Lieder, Oper »Girnara«) Paul Pisk (Or-
chesterlieder), Anfon von Webern (Orchesfersfücke), Alban Berg (Kammermusik-
lieder); Franz Schreker in der Verjüngung von Wilhelm Grosz (Orchesfersfücke,
Streichquartett, japanische und jüdische Lieder), Felix Pefyrek (Klavierstücke,
Kammermusik), Alois Fläba (Klaviersonafe, Scherzo für Klavier, 2 Streichquar-
tette, darunter eines in Vierfelfönen!), Josef Rosensfock (Klaviersonafe, Klavier-
konzert), Ernst Krenek (Serenade für Sfreichfrio und Klarinette), Ernst Kaniß
(»Lustige Ouvertüre« für Orchester). Abseits von diesen Schönberg- und
Schreker-Jüngern, jedodi ebenfalls der neuen Bewegung folgend, rangieren:
E. W. Korngold, Karl Weigl, Georg Szell, Walter Klein u. a. m. mit ihrem
interessanten und größtenteils auch erfolgreichen Schaffen. In wiefern die in der
musikalischen Welt als autoritative „Wiener Schule“ bereits anerkannte neue
Bewegung durdi die Berufung Franz Schrekers als Leiter der akademischen
Flochschule für Musik in Berlin und durdi die Betrauung Arnold Schönbergs
mit der Gründung eines seinen Namen enthaltenden Musikkonservaforiums in
700