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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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August-Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0914

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alles übliche hinausgesfeigerf, auch diese Farben lodern
Aufruhr! Vor seinen Augen, diesen breiflidrigen,
dunkelumrandeten, fährt man zurück, sind es Augen
der Sphinxe, der Dirnen, der Kahen?! Zwei Frauen-
akte hat er gemacht, die glühen, der eine en face, in
Rot und Blau, der andere, im Profil, in smaragd-
grüner Flamme. — Der andere Jawlensky ist ver-
wandelt, ein Lyriker, Mystiker, Mönch. Die Brunst
der Farben, die Herrsdigewalf der mächtigen Lineatur
geriet in Vergessenheit, hellfarbige Köpfe fauchen auf,
die Gesidifssfrukfur hat sidi kindhaft vereinfätfigf.
Unter einige seiner Anflihbilder schreibt er: »Christus«
oder »Buddha«. Sdllie^Iidr sihf man einsam in einem
Musikraum, — Variationen über drei, vier lyrisdie
Landschaffsfhcmata, die wolkenhaff, weidr, wie Träume
sdiweben und in milden Farben abgewandelf werden.
Man muh sidi mit ihnen befreunden, m'uh Zeit für
sie haben, den Welflärm vergessen, erst dann hört
man die Melodie, während die Stumpfen ladrend
weif ergehn.
Weif drauhen in Zehlendorf ist die Besitzung des im
vorigen Jahr verstorbenen Bildhauers Mehner dienst-
bar gemadif für eine Gedädrfnisschau. Dorf herrsdrf
großes Ausmaß: der weiträumige moderne Wohnbau,
der umfangreiche schattenlose Garten, die beiden
Ateliers, alles dazu angetan, um Feste der Kraft zu
feiern, aber das redrfe Milieu für ein grofsfiguriges
Lebenswerk. Zu bedenken gibt es allerdings audi
hier wieder, dah Grobe und Grölje nicht gleichartig
zu sein braudif, es gibt die Grobe der auf guanti-
fafive Wirkung abgesfeilten Steinmeharbeit und es
gibt wahre Monumentalität als Geheimnis der von
innen her gesteigerten Form. Angesidrfs der weitaus
meisten Dinge Mehners, dessen Wirken im Rahmen
der slavisdien Kunstgemeinsdiaft, neben Namen wie
Hanak oder Mesfrovic zu befradrfen ist, stellt sidi
nidit die Ansdrauung wahrhaft monumentaler Be-
zwingung ein, — es ist das schmerzliche Feststellung
einem so ehrlidien und begabten Könner gegenüber,
aber es muh gesagt sein. Mehner bedeutet mir eine
hödrste Steigerung des Sfeinmebenfums, mit einem
groben Quantum guten Willens, mit viel Gesdimack,
sehr viel Kraft und sehr viel meisterlicher Weisheit,
aber das wahrhaft Schöpferisdie war nidif in seine
Hand gelegt, in guten Stunden hat er wohl daran
gerührt. Es madrf einer nidif umsonst Reliefs für
das »Rheingold« in Berlin, oder Riesenfiguren für
das Leipziger Völkerdenkmal, oder audi ein Hinden-
burgmonumenf —soldie Dinge sind nicht bedeutungslos.
Aber dodi war Ahnen in ihm einer höheren Welf
eigenflidicr weltformcnder, formgebärender Kräfte,

man faste seinen kleinen Tonentwürfen ihre Struktur-
sicherheif, ihre Spannungsenergefik ab, man spüre
eben soldie Werfe in Arbeiten auf, mit denen er an
Barlach herangefrefen scheint, man lese aus seinen
roftonigen Akfaguarellen die Runen geistigen Künstler-
tums heraus, die ihm in seiner groben, ausgeführfen
Plastik versagt geblieben, so hoch sidi diese audi
über alles Miffelmah iiblidier „Denkmallösung" hinaus
erhebt. Man könnte sagen, der Fünfzigjährige stand,
als er starb, im ersten Knospenfrühling dessen, was
im tiefsten Sinne wahr und wirklich und ewig ist als
künstlerische Sdiöpfung; er hafte es kaum gesidifet,
als er von der Nacht verschlungen ward. Aber es
gibt kein Zufälliges, und audi Mehner hat gelebt,
um seiner Bestimmung zu entsprechen.
Arthur Degner (in der Galerie Möller), der Maler
seiner Frau, der Frauenraube und der sdiwerfarbigen
nackten Landsdiaffen, ist manchmal eine Freude, —
wenn audi keine Herzsfärkung wie Leute vom Schlage
Jawlenskys. Man fasse das junonische Frauenbildnis
ins Auge, an dem alles einbezogen ist in eine
machtvoll-eindeutige und dodi weiche Umribkurve, man
denke an die französisdie Helligkeit der weihen Frau
in ihrem ganz durchsonnfen Zimmer, man halte sidi
gegenwärtig die kräftige Flockenhaffigkeif des Feld-
arbeiferbildes, schliehlidi audi einige energisdie Land-
sdiaffen. Hin und wieder aber fällt er ins Asdigraue,
Hoffnungslose, Leere, Akademische. Am unverkenn-
barsten tritt seine wahre Natur daher in Körperkom-
posifionen: vor allem nackte Weiber, von rohen
Kriegern zu- Raub und Rausch erhasdif, — in Bezug
auf Erfülltheit, Dynamik der Formen springt er
weif über verwandte Bilder Corinfhs hinaus; besonders
muh man seine meist mit der Feder hastig hinge-
schriebenen Skizzen sdiähen, von denen einige, zum
Teil in leidifen Wasserfarben angefuschfe hier zu
sehen waren.
Jungen Ts die dien begegnet man im Graphisdien
Kabinett, im Groben und Ganzen keine wirklidie Be-
reidierung. Am liebsten ist mir Jan Zrzavy, ein naives
Gemüt, der über Maiglöcken, über das Paradies ge-
clidifef hat, von dem weibliche Brustbilder existieren,
die an Volks- und Kirchenmalereien orientiert sind
und hin und wieder den Namen Chagall ins Bewubf-
sein rufen. Von Vlasfislav Hofman sind eigenflidi nur
zwei Stücke als cigenwerfig, sidi behauptend hervor-
zuheben: ein grober weiblicher Kopf von slavisdier
Monumentalität, und vor allem ein schmerzverhämites
Weib (»Weinende Madonna«) in düster-samtenem
Pastell. Fast alles übrige (von Capek und Spala) ist
roh und fofgeboren und ladet nidif zu längerem Ver-

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