weilen. Mir scheint, es hätte besser gewählt werden
sollen, um eine angemessene Orientierung zu ermög-
lichen, ein Vergehen, das nicht auf das Konto des
Graphischen Kabinetts, sondern der tschechischen
Maler selber zu sehen sein wird.
Die Darbietungen der Ausstellung P. Cassirer (Martin
Bloch, Willi Nowak, Augusta von Zißewiß lauten die
Namen dieses Monats) erscheinen mir als gar nicht
diskutabel und erübrigen ein näheres Zusehn; im
„Sturm“ sind schöne Dekorationen von Nell Waiden
ausgestellt, die ihre präditige Schmuckbegabung nicht
in Bildern beweisen sollte, sondern an „kunstgewerb-
lichen“ Aufgaben, an Glasfenstern (man sehe ihre
Hinterglasmalereien mit Goldpapiergrund!), in festlichen
Räumen oder an Gegenständen des Gebrauches; aber
der Bilderehrgeiz verführt nodi immer viele, über soldr
ein Ansinnen die Nase zu rümpfen. Zu den blechern-
emaillierten Stücken der Tour Donas mögen andere
Beziehung finden, — zum Stehenbleiben zwangen vor
allem noch zwei Bilder: ein großes Viereck von
Molzahn, eine (ganz abstrakte) tiefe Harmonie aus
Tiefblau, Tiefrot, Silber und Gold, mit »Er kommt«
bezeichnet, voll wartender Spannung wie eine Bachsche
Adventskantate, voll Farbenurlaut; von Jakoba van
Heemskerck schließlich hat man ein frühes, ordnungs-
voll zerlegtes Blumenbild in Grau vor Augen, das
Kraft und Klarheit genug besißf, für manches Uner-
sprießliche ringsum zu entschädigen. OSKAR BEYER.
DRESDENER AUSSTELLUNGEN. Die eben er-
öffnete Ausstellung der Künstler-Vereinigung in der
Lennestraße bringt als Hauptstück eine Gedächtnis-
Ausstellung für Franz Marc. Es sind Bilder aus
allen Entwicklungsperioden des zu früh gefallenen
Künstlers da, von den impressionistisch-hellen Frühwerken
bis zu der reinen Abstraktion der „Heiteren Formen“.
Was man erkennt, ist, daß parallel mit der Entwicklung
der Form zum Dynamischen für skh audi eine Steigerung
der Ausdrucksfähigkeit und der Qualität vollzieht. Am
wenigsten ausgesprochen, ja am schwädisten berührt
Marc in den impressionistischen Tierbildern und Land-
schaften. Es finden sidr hier allerdings schon Vorzüge
des späteren Malers: die Flüssigkeit und Anmut der
Komposition und die Innigkeit in der Empfindung des
Tierhaffen. Aber es liegt über diesen Dingen eine
Bindung durch Münchner Akademismus von der „Sdrolle“
her, die sich in Blutarmut der Farbe und in einer fast
dekorativen Gefälligkeit äußert. So war die Durch geisti-
gung vor allem mit der selbständigen Farbe Kandinskys
für Marc ein unbedingtes Erfordernis. Aber diese stark-
farbige Zeit unter Einfluß Kandinskys — die den eigenflidr
populären Marc zeigt — muß audi nur als Übergang
gelten. Die Flüssigkeit seiner Mittel verführte ihn zu
größeren Formaten, als er mit Form durchweg erfüllen
konnte; so zeigen sidr in diesen meist sehr farbenschönen
und edel gestimmten Tierbildern unausgefüllfe, dekorative'
Leerheiten, die selbst den Bildaufbau beeinträchtigen,
neben wundervoll Gelungenem. Erst gegen Schluß seiner
kurzen und inhalfreichen Entwicklung findet Marc sidr
zu einer fast unbedingten Form, indem er vom Kubis-
mus, ja vom Futurismus Boccionis die dynamische Zer-
seßung und die Schwärzung der Palette übernimmt. In
diesem Sdrlußsfadium gelingen ihm reife und über-
zeugende Werke wie die gewaltigen »Tiersdiicksale« (die
in Dresden ausgestellt sind), der »Wasserfall in Eis«
und die abstrakten Bilder (in Sl. Köhler - Berlin, der
umfassendsten und schönsten Marc-Sammlung). Ewig
zu beklagen, daß der Krieg seinem Sdraffen und Leben
ein Ende seßfe; es ist vorauszusehen, daß er der jüngsten
deutschen Kunst ein Führer geworden wäre, denn seine
Enfwldklungslinie drängte am entschiedensten auf das
Wesentliche und Starke hin, das in der Abstraktion
des Kubismus liegt. Bestrebungen der Heutigen wie
die vom Muche, Sdiwitfers, Molzahn, Schlemmer, Bau-
meister u. a. liegen in der Linie seiner Entwicklung.
Die Ausstellung ehrt auch den toten Weiß gerb er
durch eine kleine, aber qualitativ redit gute Sondersdiau
von Arbeiten, unter denen ein schön komponierter,
»Sebastian mit Hunden« besonders auf fällt.
Das Gesamfniveau ist, wie immer in der Lenncsfraßc,
einwandfrei; der Dresdener Nachwuchs befriedigt
weniger, weil sidr die Stärksten zurückhielten, vor allem
die „Sezession 1919“, aus der nur Felix Müller
mit großem Lärmen ausgesprungen und der Künstler-
vereinigung wieder in die Arme gesunken ist. Das künst-
lerische Resultat dieses Rösselsprungs steht jedodr in
keinem Verhältnis zu dem erregten Aufsehen. Von
Einheimischen ragt Kokosdrka naturgemäß bedeutend
heraus durch sein neuestes Bild, eine in sehr starken
reinen Farben klingende »Elbbrücke«, sowie ein junger
Plastiker Friß Maskos, dessen immateriellen Ge-
stalten sowohl inniger Ausdruck von übersinnlichem
Schauen wie plastischer Stil von eigenlümlkher Selb-
ständigkeit eignet. Wilh. Rudolph und F. Wink-
ler, zwei Tiermaler von spezifischem Eigengewicht,
sind noch nicht mit ausgereiffen Sadien erschienen.
Sonst gibt es schöne Einzelstücke, unter denen soldre
von Heckel, Jawlenski, Kanoldt, Sferl, Röß-
ler genannt seien. PAUL F. SCHMIDT.
»DIE F. D. K. IN NEUSS«. Im städtisdren Museum
zu Neuß wurde am 11. Juli die erste Ausstellung
833
sollen, um eine angemessene Orientierung zu ermög-
lichen, ein Vergehen, das nicht auf das Konto des
Graphischen Kabinetts, sondern der tschechischen
Maler selber zu sehen sein wird.
Die Darbietungen der Ausstellung P. Cassirer (Martin
Bloch, Willi Nowak, Augusta von Zißewiß lauten die
Namen dieses Monats) erscheinen mir als gar nicht
diskutabel und erübrigen ein näheres Zusehn; im
„Sturm“ sind schöne Dekorationen von Nell Waiden
ausgestellt, die ihre präditige Schmuckbegabung nicht
in Bildern beweisen sollte, sondern an „kunstgewerb-
lichen“ Aufgaben, an Glasfenstern (man sehe ihre
Hinterglasmalereien mit Goldpapiergrund!), in festlichen
Räumen oder an Gegenständen des Gebrauches; aber
der Bilderehrgeiz verführt nodi immer viele, über soldr
ein Ansinnen die Nase zu rümpfen. Zu den blechern-
emaillierten Stücken der Tour Donas mögen andere
Beziehung finden, — zum Stehenbleiben zwangen vor
allem noch zwei Bilder: ein großes Viereck von
Molzahn, eine (ganz abstrakte) tiefe Harmonie aus
Tiefblau, Tiefrot, Silber und Gold, mit »Er kommt«
bezeichnet, voll wartender Spannung wie eine Bachsche
Adventskantate, voll Farbenurlaut; von Jakoba van
Heemskerck schließlich hat man ein frühes, ordnungs-
voll zerlegtes Blumenbild in Grau vor Augen, das
Kraft und Klarheit genug besißf, für manches Uner-
sprießliche ringsum zu entschädigen. OSKAR BEYER.
DRESDENER AUSSTELLUNGEN. Die eben er-
öffnete Ausstellung der Künstler-Vereinigung in der
Lennestraße bringt als Hauptstück eine Gedächtnis-
Ausstellung für Franz Marc. Es sind Bilder aus
allen Entwicklungsperioden des zu früh gefallenen
Künstlers da, von den impressionistisch-hellen Frühwerken
bis zu der reinen Abstraktion der „Heiteren Formen“.
Was man erkennt, ist, daß parallel mit der Entwicklung
der Form zum Dynamischen für skh audi eine Steigerung
der Ausdrucksfähigkeit und der Qualität vollzieht. Am
wenigsten ausgesprochen, ja am schwädisten berührt
Marc in den impressionistischen Tierbildern und Land-
schaften. Es finden sidr hier allerdings schon Vorzüge
des späteren Malers: die Flüssigkeit und Anmut der
Komposition und die Innigkeit in der Empfindung des
Tierhaffen. Aber es liegt über diesen Dingen eine
Bindung durch Münchner Akademismus von der „Sdrolle“
her, die sich in Blutarmut der Farbe und in einer fast
dekorativen Gefälligkeit äußert. So war die Durch geisti-
gung vor allem mit der selbständigen Farbe Kandinskys
für Marc ein unbedingtes Erfordernis. Aber diese stark-
farbige Zeit unter Einfluß Kandinskys — die den eigenflidr
populären Marc zeigt — muß audi nur als Übergang
gelten. Die Flüssigkeit seiner Mittel verführte ihn zu
größeren Formaten, als er mit Form durchweg erfüllen
konnte; so zeigen sidr in diesen meist sehr farbenschönen
und edel gestimmten Tierbildern unausgefüllfe, dekorative'
Leerheiten, die selbst den Bildaufbau beeinträchtigen,
neben wundervoll Gelungenem. Erst gegen Schluß seiner
kurzen und inhalfreichen Entwicklung findet Marc sidr
zu einer fast unbedingten Form, indem er vom Kubis-
mus, ja vom Futurismus Boccionis die dynamische Zer-
seßung und die Schwärzung der Palette übernimmt. In
diesem Sdrlußsfadium gelingen ihm reife und über-
zeugende Werke wie die gewaltigen »Tiersdiicksale« (die
in Dresden ausgestellt sind), der »Wasserfall in Eis«
und die abstrakten Bilder (in Sl. Köhler - Berlin, der
umfassendsten und schönsten Marc-Sammlung). Ewig
zu beklagen, daß der Krieg seinem Sdraffen und Leben
ein Ende seßfe; es ist vorauszusehen, daß er der jüngsten
deutschen Kunst ein Führer geworden wäre, denn seine
Enfwldklungslinie drängte am entschiedensten auf das
Wesentliche und Starke hin, das in der Abstraktion
des Kubismus liegt. Bestrebungen der Heutigen wie
die vom Muche, Sdiwitfers, Molzahn, Schlemmer, Bau-
meister u. a. liegen in der Linie seiner Entwicklung.
Die Ausstellung ehrt auch den toten Weiß gerb er
durch eine kleine, aber qualitativ redit gute Sondersdiau
von Arbeiten, unter denen ein schön komponierter,
»Sebastian mit Hunden« besonders auf fällt.
Das Gesamfniveau ist, wie immer in der Lenncsfraßc,
einwandfrei; der Dresdener Nachwuchs befriedigt
weniger, weil sidr die Stärksten zurückhielten, vor allem
die „Sezession 1919“, aus der nur Felix Müller
mit großem Lärmen ausgesprungen und der Künstler-
vereinigung wieder in die Arme gesunken ist. Das künst-
lerische Resultat dieses Rösselsprungs steht jedodr in
keinem Verhältnis zu dem erregten Aufsehen. Von
Einheimischen ragt Kokosdrka naturgemäß bedeutend
heraus durch sein neuestes Bild, eine in sehr starken
reinen Farben klingende »Elbbrücke«, sowie ein junger
Plastiker Friß Maskos, dessen immateriellen Ge-
stalten sowohl inniger Ausdruck von übersinnlichem
Schauen wie plastischer Stil von eigenlümlkher Selb-
ständigkeit eignet. Wilh. Rudolph und F. Wink-
ler, zwei Tiermaler von spezifischem Eigengewicht,
sind noch nicht mit ausgereiffen Sadien erschienen.
Sonst gibt es schöne Einzelstücke, unter denen soldre
von Heckel, Jawlenski, Kanoldt, Sferl, Röß-
ler genannt seien. PAUL F. SCHMIDT.
»DIE F. D. K. IN NEUSS«. Im städtisdren Museum
zu Neuß wurde am 11. Juli die erste Ausstellung
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