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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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September-Heft
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Holl, Karl: Rudi Stephan,Teil 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0942

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* Vgl. Stephans eigene
Analyse in der Zeitschrift
»Die Musik«, 12. Jahr-
gang, Heft 17.
** Nach dieser Seite ge-
plante Verbesserungen
konnte Stephan nicht
mehr durchführen.

ist nicht die Ursprünglichkeit und Fülle, sondern nur die lebte Bändigung der
Fülle zu vermissen. Stephan hat den Mangel erkannt und eine gedrängtere
Fassung des Ganzen vorbereitet, die auch eine Uminstrumentierung für Streich-
quartett und Klavier einschloß. Leider ist diese Neufassung, die „dem Andenken
des unvergeßlichen Lehrers und freundschaftlichen Beraters Rudolf Louis“ ge-
widmet werden sollte, Stückwerk geblieben. Eine Wiederbelebung der außer in
Danzig nur noch einmal in Berlin (am 19. Dezember 1912 von Leonid Kreußer
und Genossen) gespielten Komposition dürfte sich unter solchen Umständen von
selbst verbieten. — Dem Kammermusikwerk folgt als erste und einzige Instru-
mentalschöpfung rein symphonischen Stiles die
MUSIK FÜR ORCHESTER
In einem Sap; München, Herbsi 1912.
BESETZUNG: 5 Flöten (inkl. 2 kleine), 2 Oboen, 1 Englisch Horn, 2 Klarinetten in B, 1 Baljklarinctte (auch 5. Klari-
nette in B), 2 Fagotte, 1 Kontrafagott, 4 Hörner in F, 3 Trompeten in C, 3 Posaunen, 1 Bahtuba, Pauken, grobe
und kleine Trommel, Becken, Triangel, Glockenspiel, Tarn-tarn, Harfe und Streicher.
AUFFUHRUNGSDAUER: 49 Minuten.
PARTITUR: Vorläufige Ausgabe im Verlag B. Schott's Söhne, Mainz, 1913.
URAUFFÜHRUNG: 6. Juni 1915 in Jena durch das aus der verstärkten Weimarer Hofkapelle gebildete Ordrester
des Tonkünstlerfestes, unter Leitung des Komponisten.
Was in der „Musik für 7 Saiteninstrumente“ mit Recht vermißt wurde: Die
Klärung und Zügelung der Phantasie, das ist hier erreidit. Ja, der Komponist
hat sich jeßt eine Konzentration auferlegt, die schon bedenklich an Abstraktion
streift und den Zügel zur Fessel zu machen droht. Die scharf profilierte, fast
kubisch anmutende Thematik* kommt nicht zur vollen Auswirkung, die Konsequenz
der inneren Entwicklung erscheint nicht vollends gewahrt.** Und doch geht von
dieser Musik ein Odem aus, der gewaltig ins Ohr des Hörers strebt und alle
romantischen Nebel aus dessen Seele bläst. Wenn der Kritiker Dr. Adolf Weiß-
mann gelegentlich einer Berliner Aufführung des Werkes (durch Siegmund von
Hausegger) schrieb: „es liegt etwas Menschenfeindliches in dieser Musik, die
nicht in der Stimmung, sondern nur in ihren Unvollkommenheiten jung ist , .“,
so übertrieb und spezialisierte er den elegischen und einwärts gekehrten Charakter
der thematischen Grundkräfte und übersah die eigenflidi kaum übersehbare Ener-
gie, mit der diese Kräfte verarbeitet werden, sowie leßilich die strahlende Lebens-
bejahung, die als Ergebnis der Verarbeitung den Ausklang der Komposition
bildet. „Schluß in gesund bejahendem Sinn“ — diese Bemerkung steht bereits
in einem von Stephans frühen Entwürfen, und die ihr zugrund liegende Gesinnung
ist für des Künstlers ganzes Schaffen bezeichnend. Ist das nicht Jugend? Freilidi
nicht die schwärmende, Vergangenem nachträumende Jugend von gestern, sondern
heutige Jugend, die vorwärts schaut, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt
und kämpfend sich eine neue, vollkommenere Welf baut. Gerade ob dieser Art

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