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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0036

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ablehnend verhalten. Man könne noch einige Jahre warten.
Eine unbedingte Verneinung könne Niemand aussprechen. Aber
im gegenwärtigen Augenblick müsse man sagen: „Nein, aber wir
behalten uns eine spätere Entscheidung vor".
Abg. Klein (natl) steht auf dem Standpunkt der Gesuch-
steller.
Abg. Wilckens (nat.-lib.) dankt der Commission für das
Wohlwollen, dem Berichterstatter für seinen ausgezeichneten und
sorgfältigen Bericht und dem Staatsminister für seine freund-
lichen Worte. Er habe in dessen Schlußworten einen Hoffnungs-
schimmer leuchten sehen, der aber durch den Ministerialdirektor
verflüchtigt worden sei. Die Oberrealschulen müßten, wenn
man ihnen nicht die Berechtigung gebe, ihrer Auflö-
sung entgegengehen. Er bittet um Annahme des Commis-
sionsantrages, wodurch dem Unterrichtsministerium eine Stütze
gegen die übrigen Ministerien gegeben werde.
Abg. Delisle (Dem.) begreift den Widerstand der Techniker
nicht.
Abg Armbrnster (Centr.) ist Gegner des Kommissionsan-
trags. Tie Gymnasien haben einen klaren historisch entwickelten,
pädagogischen Studiengang, während die Oberreälschulen noch
mit der Stange im Nebel herumfahcen.
Abg. Wilckens (natl.) glaubt, daß dem Gymnasium ein
Dienst erwiesen werde, wenn man die Berechtigung der Ober-
realschule erweitere.
Nach einem Schlußwort des Berichterstatters wird der Kom-
missionsantrag auf Ueberweisung zur Kenntnißnahme
angenommen.
Nächste Sitzung Samstag.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Durch Entschließung Großh. Ministeriums des Innern
wurde VerwaliungSaisistent Änaust Herrmann beim
Statistischen Landesamk zum Revidenten bei dieser Stelle er-
nannt.

Ausland
Rußland. In den letzten Jahren hat die lettische
Bewegung einen unverkennbaren Aufschwung genommen.
Nicht nur wächst die Zahl der Blätter, auch ein ständiges
Theater gedeiht. Blau ist dabei, ein lettisches Conver-
sationslexikon zu schaffen, und Homers Odyssee, Goethes
und Shakespeares Werke werden übersetzt. Hand in Hand
damit geht das Anwachsen des nationalen Selbstbewußtseins,
das eine ausgeprägt deutschfeindliche Richtung zeigt. Russische
Agitatoren schüren natürlich diese Bewegung. Die Wohl-
habenheit der Letten wächst, und aus ihren Reihen entsteht
ein Mittelstand, der auf wirthschaftlichem Gebiete den
Deutschen scharfe Gegnerschaft bereitet. Daß die eigent-
lichen Organisatoren der lettischen Bewegung Deutsche
waren, ist nach den gleichartigen Erfahrungen bei den ost-
preußischen Litauern u. s. w. ja nicht verwunderlich.
Amerika. Valparaiso, 8. Juli. In den Handels-
kreisen der ganzen Republik Chile ist heute eine Schreckens-
verwirrung ausgebrochen. Am Dienstag war in
Santiago de Chile ein großer „Run" (massenhaftes Vor-
weisen der Banknoten behufs Baarauszahlung) bei der
Bank von Chile infolge des Gerüchtes, daß die Bank in
Schwierigkeiten gerathen sei, und die Regierung Papier-
geld ausgeben wolle, um zur Rettung der Banken beizu-
tragen. Eine Regierungskommission ist ernannt. worden,
um für Abhilfe zu sorgen. Alle Geschäfte hier und in
Santiago sind thatsächlich unterbrochen. (Es war das
Gerücht verbreitet gewesen, daß Gold massenhaft aus dem
Verkehr gezogen und zur Ausfuhr bestimmt sei.)

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 9. Juli.
-j- Zahresversammlung des bad. Gustav-Adolf-Vereins. Wie
die Leser dieser Zeitung aus den Anzeigen entnommen haben,
findet am 12. und 13. Juli in Heidelberg die Jahresversamm-
lung des bad. Gustav-Adolf-Vereines statt. Diese Versammlung,
die alljährlich in einer andern evangelischen Gemeinde unseres
Landes abgehalten wird, hat den Zweck, die Angelegenheiten des
Landesvereines zu ordnen, die zur Verfügung stehenden, durch
die Sammlungen der Zweigvereine aufgebrachten oder aus son-
stigen Quellen fließenden Geldmittel unter die Diasporagemeinden
des Landes zu vertheilen und die Theilnahme der evangelischen
Bevölkerung und ihre Thätigkeit für die Zwecke des Gustav-
Adolf-Vereines zu erhalten und zu fördern. Die zunächst ge-
nannten Aufgaben werden auf der Generalversammlung gelöst,
zu der die einzelnen Zweignereine des Landes Abgeordnete ent-
senden. Der weitere und allgemeinere Zweck soll dadurch erreicht
werden, daß mit der Tagung ein kirchliches Fest verbunden ist,
das von der gejammten Landeskirche begangen wird. Die Jahres-
versammlungen des Gustav-Adolf-Vereines haben sich zu den
schönsten und volksthümlichsten evangelischen Festen ausgebildet
Die Gustav-Adolf-Feste haben besonders den Vorzug, daß sie
von allen kirchlich-gesinnten Gliedern unserer Landeskirche ohne
Unterschied der Richtung mit der gleichen Freude und dem
gleichen Verständniß begangen werden. Einen ehrenvollen Platz
bei diesen Festen nehmen die Gustao-Adolf-Frauenvereiue ein,
durch deren eigenartige und reichgesegnete Thätigkeit die Arbeit
der Zweigvereine auf's glücklichste ergänzt wird. Es ist Sitte,
daß die Gemeinde, in der das Fest stattfindet, dem Gustav-
Adolf-Verein eine Festgabe überreicht. Um ein unserer Gemeinde
würdiges Geschenk darbieten zu können, wurde eine besondere
Sammlung veranstaltet, zu der auch der hiesige Frauen-Gustav-
Adolf-Verein und der Studentenverein Beiträge gegeben haben.
Der Ertrag der Sammlung ist erfreulich. Doch mögen Manche
sein, die durch die Sammlung nicht erreicht worden sind und
gerne noch nachträglich einen Beitrag zur Festgabe spenden
möchten. Diese werden ersucht, ihre Gaben bei der Oberrheini-
schen Bank, Hauptstraße 133, niederlegen zu wollen. — Wir
zweifeln nicht daran, daß die evangelische Gemeinde Heidelberg,
die immer eine warme Freundin des Gustav-Adolf-Vereines ge-
wesen ist, nicht nur durch ihre Festgabe, sondern auch durch ihre
Betheiligung am Gottesdienst und an den anderen Veranstaltungen
vor der Landeskirche Ehre einlegen wird, und daß der Eifer für
die Sache des Gustav-Adolf-Vereines durch das Fest verbreitet
und vertieft werde.
O Kunstverein. Der Kunstverein bietet heute fast durchweg
Neues und höchst Interessantes. Eine Sonderausstellung von 9
Oelgemälden von Prof. Hans Gude wird den meisten Be-
suchern sehr willkommen sein; die Gemälde, Landschaften und
Seestücke sind nicht nach der neuesten Technik gemalt. Man
darf erfreut sein, solche Meisterwerke dem Publikum bieten zu
können. (Hans Fredereck Gude, norweg. Landschafts- und Marine-
maler, geb. 13. März 1825 zu Christiania, studirte von 1841
bis 1845 in Düsseldorf unter Schirmer, wurde 1854 Nachfolger
Schirmers als Professor der Landschaftsklasse, 1864 in gleicher
Eigenschaft an die Kunstschule nach Karlsruhe berufen, wo er
derselben eine neue Richtung gab. Seine Landschaften wie seine
Marinen sind ebenso naturwahr wie poetisch, ebenso meisterhaft
in Zeichnung, wie in Kolorit und Beleuchtung.» Die drei Hoch-
gebirgslandschaften von Georg M a c c o - Düsseldorf verdienen
alle Beachtung, zumal das größte 1894 in München mit der
goldenen Medaille ausgezeichnet wurde. Ein flottgemaltes
Damenportrait von Th. F unk-Düsseldorf und ein reizendes

Kinderbild von Frl. M. Henrici - Karlsruhe wirken sehr an-
sprechend. Als höchst interessant möchten wir die Arbeiten von
Fritz Haß-München, bezeichnen, dessen „SatyrischerZeitspiegel"
(10 Tusch- und Federzeichnungen) die Zustände des öffentlichen
Lebens köstlich beleuchtet. Von unserm bestens bekannten Miler
H- Hoffmann, der in der Wiedergabe unseres schönen Heidel-
berg schon so Vieles geleistet hat, sind vier neue Aquarelle aus-
gestellt, dieselben führen uns in poetischer Auffassung und getreuer
Wiedergabe Ansichten von Heidelberg und vom Schloß zu ver-
schiedenen Jahreszeiten vor und zeichnen sich ganz besonders durch
flotte Technik und prächtige Farbenwirkung aus. Die Arbeiten
verdienen alle Anerkennung und dürften sich sehr zu Ankäufen
eignen. Schließlich möchten wir noch 10 Oelgemälde (Blumen-
stücke und Landschaften) von Frl. E. H o r b e r s - Karlsruhe
lobend erwähnen. Es ist somit so viel Neues vorhanden, daß
der Ausstellung ein lohnender Besuch zu Theil werden möchte.
88 II. Symphonie-Konzert des städt. Orchesters. Die erste
Abiheilung ües geltrigen nach jeder Richtung bin mohlge-
lungenen Konzertes war den Modernen gewidmet. R. Wagner's
Trauermarsch aus der Götterdämmerung setzte mit leinen
wuchtigen Accorden und seiner tragischen Gewalt die Ton-
massen in Bewegung. Die Ueberfülle des thematischen Ma-
terials — es finden sich hier fast alle auf den Helden bezüg-
liche Motive nochmals zusammengefaßt — wurde außerordent-
lich klar inierpretirt, ohne daß dabei der innere Zusammen-
hang verloren ging. Von der Tragik zur jubilirenden Freuden-
hymne, dem Vorspiel zu den Meistersingern von Nürnberg,
zwei Extreme der musik-dramatischen Muse. Das Meisterwerk
fand eine seiner würdige Ausführung, die auch dem enragir-
testen Neuerer nichts zu wünschen übrig ließ. Kleinigkeiten,
wie der Violineinsatz vor dem Marsche, der noch prägnanter
auSzuführen ist, und das Vorschlägen der Oboe bei dem
Macschthema ändern absolut nichts an der mächtigen Ge-
sammtwirkung. St.-Saöus Vanos msoabrs und Liszt's4. Rhap-
sodie wurden in einer Art zu Gehör gebracht, die man unbe-
dingt als vollendet bezeichnen muß. Das kann wirklich nir-
gends in der Welt besser gespielt werden. Das Publikum
löste sich aber auch nach diesen Werken in einen wahren Jubel
von Beifall aus, der so recht kund gab, daß tue Fühlung zwischen
ihm und dem Spender der musikal. Emanationen den wahren
Ausdruck gefunden hat. Wir verstehen uns und unsere gegen-
seitigen Wünsche aufs beste. Nach einer Pause führte uns
die Muse in das sonnige Zauberland Mozarts, in dem die
Sonne des Humors nicht unterzugehen scheint. Durch wenige
Mollaccorde unterbrochen, die selbst nicht so recht ernst ge-
meint sind, bewegt sich die Ls-äur der Symphonie (Nr. 3» in
stetem Ausdruck der Lebensfreude. Und eine gleiche Wir-
kung erzeugt sie auf den Hörer. — Die Ausführung entsprach
voll und ganz den Intentionen des Meisters. Die beiden
ersten Sätze gingen tadellos. In dem populären Menuett
hätte ich das reizende Trio etwas nuancirler gewünscht. —
Alles in Allem war auch dieser Abend eine Meisterleistung
unseres Orchesters und des jugendlichen, begabten Dirigenten,
Herrn Radig, dessen durchgeistigte und temperamentvolle Lei-
tung uns noch recht viele solche auserlesene Genüsse zu bieten
verspricht. Or. LI.
fist Sommertheater im Zwinger. Trotz dem schönen Wetter,
bei dem ein Aufenthalt im Saale gewöhnlich nicht gerade ge-
sucht wird, hatte sich die gestrige Vorstellung im Zwinger guten
Besuches zu erfreuen. Die reiche Auswahl der Stücke, meist
humoristischen Genres, wie die sorgfältige Einstudirung der Rol-
len durch die Darsteller tragen in gleicher Weise bei, den Be-
suchern einige genußreiche Stunden zu verschaffen. Gestern
gelangte „Des Nächsten Hausfrau" oder: „Das neunte Gebot",
Lustspiel in 3 Akten von Julius Rosen, zur Aufführung. Das
Stück, das in einem deutschen Bade zur Zeit der Gegenwart
spielt, ist reich au komischen Verwechslungen und humoristischen
Scenen und fand den verdienten lebhaften Beifall. Der Guts-
besitzer Löffelmann, dem seine Ruhe über Alles geht und der bei
keiner Gelegenheit sich aufregt, wurde von Hrn. Mandl treffend
wiedergegeben. Camilla, seine Frau, eine alte Kokette, fand in
Frau Mandl eine gute Vertreterin. Die Rolle der Nichte
Camilla hatt Frau Kersebaum übernommen und führte die-
selbe in anerkeunenswerther Weise durch. Der Hugo Tommer
des Herrn Wilhelmy war gleichfalls eine gelungene Figur,
wie auch alle anderen Mitspieler ihrer Aufgabe in vollem Maße
gerecht wurden. Nach der Theatervorstellung trat Frln. L.
Sylow, Kostüm-Soubrette, auf und trug in fescher Post-
Uniform ein Couplet zur Verherrlichung des Telephons vor.
Großen Beifall fanden ferner die Vortrüge der Gesangsduettistiu-
nen Geschwister Carry, die ebenso durch ihre melodiösen
Stimmen, wie graziösen Bewegungen sich auszeichnen.
— Polizeibericht. Sechs junge Leute kamen in verflossener
Nacht wegen Ruhestörung zur Anzeige.
mbr. Schönau, 8. Juli. Anläßlich der Feier seiner silbernen
Hochzeit ließ Herr Fabrikant Friedrich Karl Freudenberg
in Weinheim der hiesigen Gemeindebehörde die Summe von
5000 mit der Bestimmung überreichen, daß dieselbe zur
Errichtung eines Volksbades dahier verwendet werden soll.
K Hirschhorn, 9. Juli. Von einem schmerzlichen Unglücksfall
wurde die Familie des Mühlenbesitzers Sauer im benachbarten
Unter-Schönmattenwag betroffen. Alle Familien-
angehörigen waren auf dem Felde. Nur der Vater und das
unter mehreren Kindern einzige zweijährige Mädchen waren zu
Hause. Während nun der Varer in der Mühle beschäftigt war,
fiel ihm mit Bangen das kleine Wesen ein. Er suchte sofort auf
dem Hofe und in der Behausung vergeblich nach dem Kinde.
Da eilte er in ängstlicher Besorgniß nach dem Mühlenbach. Und
sieh da: das Kind hing todt an einem Hinderuiß im Wasser!
Man nimmt an dem so herben Geschicke der so schwer geprüften
Familie den innigsten Antheil.
st Mannheim, 8. Juli. Die alljährliche Synode der evan-
gelischen Diözese Mannheim-Heidelberg fand am Mitt-
woch dahier statt. Die Verhandlungen brachten zwei größere
Vorträge, den einen von Stadtpfarrer Simon von hier über die
Thätigkeit des Vereins zur Errichtung einer Erziehungsanstalt
für konfirmirte Knaben, der die baldige Eröffnung der Anstalt in
Aussicht stellen konnte; den anderen von Geheimrath Professor
Dr. Schröder in Heidelberg üb^r ein Kapitel des neuen bürger-
lichen Gesetzbuchs, die Ehenichtigkeit und Anfechtung betr., die
Fortsetzung eines von dem genannten Synodalen vor 2 Zähren
gehaltenen Vortrags über die Bestimmungen hinsichtlich der Ehe-
schließung nach dem neuen Gesetz. Den eigentlichen Schwerpunkt
der Verhandlungen bildeten die Debatten im Anschluß an die
Berichte über das religiös-sittliche Leben in den Gemeinden der
Diözese. Die Besprechung der Statistik des Mannheimer Berichts
gab Veranlassung sowohl von geistlicher, wie von weltlicher Seite
der tiefgehenden Mißstimmung in weiten Kreisen der evan-
gelischen Bürgerschaft darüber Ausdruck zu geben, daß bei der
Besetzung des erledigten Bürgermeisterpostens in Mannheim
abermals ein Angehöriger der römisch-katholischen Confession in
erster Linie zur Wahl vorgeschlagen wird, während doch die
evangelische Bevölkerung, die sowohl die absolute Mehrheit als
auch den steuerkräftigsten Theil der Gesammtbeoölkerung aus-
macht, wohl erwarten durfte, daß ihre Interessen wenigstens in
der Weise berücksichtigt würden, daß einer der drei höchsten Be-
amten unserer Stadt auch der evangelischen Confession angehören
sollte.
Mannheim, 8. Juli. Als 2. und 3. Bürgermeister unserer
Stadt gewählt zu werden, dürften die Herren Regierungsrath
Ritter Karlsruhe und Amtmann von Holland in Donau-
eschingen nach der gegenwärtig in maßgebenden Kreisen herrschen-
den Stimmung zu urtheilen, Aussicht haben. Die Wahl findet
am 12. d. Mts. statt- Die Schaffung einer vierten Bürger-
meisterstelle ist nur noch eine Frage der Zeit und dürfte nicht
mehr allzulange Zeit auf sich warten lassen.
st Mannheim, 8. Juli. (Schwurgericht.) 11. Fall. Mein-
eide bei Alimentationsprozessen sind nichts Seltenes. Eine Ver-

letzung des eidlichen Gelöbnisses bei einer derartigen Gelegenheit
hat sich auch die 24 Jahre alte Dienstmagd Katharina Berres
zu Schulden kommen lassen, indem sie über ihren Umgang mit
Männern Unrichtiges eidlich aussagte. Unter Berücksichtigung
der besonderen Umstände wuche die Berres, nachdem die Ge-
schworenen das Schuldig ausgesprochen, zu dem Strafminimum
von 1 Jahr Zuchthaus verurtheilt und ihr die Fähigkeit, als
Zeuge vernommen zu werden, für dauernd aberkannt. 12. In
frivoler Weise hat der 53 Jahre alte Laudwirth Jakob Schrei-
ber III. von Altlußheim wegen einer Bagatellengeschichte drei
junge Burschen von kaum 16 Jahren zum Meineid angestiftet.
Der 16jährige Sohn Schreibers schoß in der letzten Neujahrs-
nacht den ihm in den Weg laufenden Hund des Waldhüters
Schwechheimer nieder. Drei Kameraden des Burschen, die gleich-
altrigen Fabrikarbeiter Friedrich Seemuth, Heinrich Erb und
Johann Krauth sahen bei dieser Affaire zu. Schon am nächsten
Morgen kam der alte Schreiber zu ihnen und bearbeitete sie, daß
sie seinen Sohn nicht verrathen sollten. Wenn sie die Wahrheit
sagten, würden sie selbst dreifach bestraft werden, erstens, weil sie
auch geschossen hätten, zweitens, weil sie,sich als Minderjährige so
spät auf der Straße Herumgetrieben, und drittens müßten sie
den Hund bezahlen. Als die Jungen nach längeren Sträuben
dem sie vernehmenden Gendarmen doch die Wahrheit sagten,
machie er ihnen keine Vorwürfe, sondern bestürmte sie, jedenfalls
vor dem Schöffengericht standhaft zu bleiben und seinen Sohn
mcht zu verrathen. Sie sollten nur kalt bei der Sache bleiben,
damit die Herren ihnen nichts ansähen. Das thaten denn auch
die Buben in Schwetzingen vor dem Schöffengericht, wohin ihnen
der heutige Angeklagte wie ihr böser Geist folgte, indem er
sagte: „Ich will mal sehen, wer meinem Johann das Genick
bricht." Unter diesem unheilvollen Einfluß erklärten die drei
Zungen am 18 Februar d. I. in der Schöffengerichtssitzung zu
Schwetzingen nach abgelegtem Zeugeneid, sie hätten in der Neu-
-ahrsnacht keinen Hund gesehen und wüßten von der ganzen
Geschichte nichts. Sie hätten nur einen Hund bellen gehört.
Es lst klar, daß diese Aussage, die mit den Angaben der Zeugen
vor dem Gendarmen im schroffstem Widerspruch standen, den
Richter stutzig machen mußten. Gegen die kaum eidesmündig
gewordenen jungen Leute wurde ein Verfahren wegen Meineids
eingeleitet, und die Strafkammer verurtheilte Jeden zu 1 Jahr
Gefängniß. Für dieses Unglück, das über drei brave Familien
kam, ist dem hartnäckigen, in seinem bösen Willen so konsequenten
alten Schreiber die Verantwortung aufzuladen. Die Geschworenen
erklärten ihn heute für schuldig. Das Urtheil lautete auf 3 Jahre
Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust. Außerdem wurde ihm die
Fähigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger vernommen zu wer-
den, für dauernd aberkannt. 13. Zwei Verbrechen gegen die
Sittlichkeit lagen dem 26 Jahre alten Steinhauer Josef Sebastian
Blessinger von Siegelsbach zur Last. Die geheim geführte
Verhandlung endete mit der Verurtheilung Messingers nur wegen
eines Falles, wobei ihm mildernde Umstände zugebilligt wurden,
zu 1 Jakr Gefängniß anzüglich 6 Wochen Untersuchungshaft
14. Der letzte Fall, der in dieser Session zur Verhandlung ge-
langte, hatte eine Anklage wegen Meineids bezw. wegen Anstif-
tung zum Gegenstand, die sich gegen den 28 Jahre alten Metzger-
burschen Johann Theodor Pahle und den 35 Jahre allen
Metzgermetster Josef Heinrich Wörner, beide von Walldürn,
richtete. Am 26. März d. I. hatte sich Wörner vor dem Schöffen-
gericht Walldürn wegen Nahrungsmittelverfälschung zu verant-
worten. Er sollte, nachdem er schon einmal im Jahre 1896
wegen des gleichen Deliktes vorbestraft war, dem Wurstteig für
Lyoner- und Bratwurst 1—l'/g Schoppen Stärkemehl zugesetzt
haben. In jener Sitzung wurde Pahle als Zeuge vernommen
und gab auf seinen Eid hin an, außer dem zur Aburtheilung
stehenden Fall wäre im Geschäft des Wörner den Würsten nie
Stärkemehl beigesetzt worden. Wörner hatte seinen Gesellen zu
dieser falschen Aussage (es war seit Jahren im Wörner'schen
Geschäfte regelmäßig der Wurst Stärke bcigemischt worden) ver-
leitet. Pahle war heute in vollem Uwfange geständig, während
Wörner leugnete. , Der Wahrspruch der Geschworenen erklärte
beide Angeklagten für schuldig. Das Urtheil lautete für Wörner
auf Freisprechung, Pahle 9 Monate Gefängniß.
Bruchsal, 7. Juli. Die Oberbürgermeister-Stelle
ist bereits zur Bewerbung ausgeschrieben. Sie soll mit einem
juristisch gebildeten Kandidaten, welcher schon im Verwaltungs-
dienste thätig war, besetzt werden. Als Gehalt sind 6 —7000 Mk.
in Aussicht gestellt.
Ettenheim, 7. Juli. Die Lokalbahnbau- und Betriebsgesell-
schaft Dehring und Wächter, welche die Lokalbahn Rhein—Etten-
heim—Ettenheimmünster gebaut hat und betreibt, läßt gegen-
wärtig, laut Laudesztg., eine Drahtseilbahn, auf Böcken
von theils sehr beträchtlicher Höhe, vom Bahnhofe Ettenheim-
münster nach den dortigen Brüchen des weithin gesuchten wasser-
harten rothen Sandsteines aufstellen. Damit soll das theuere,
unzuverlässige und ungenügende Landfuhrwerk für den Transport
der Steine aus dqs Brüchen zur Bahn ersetzt werden. Laien und
Techniker dürften den Bau sowohl als den Betrieb der interessanten
Einrichtung sehenswerth finden.
Konstanz, 8. Juli. Unsere R egim e nts m usi k weilt seit
etlichen Tagen in München, wohin sie aufi 8 Tage zu einer
Reihe von Konzerten im „Löwenbräukeller" berufen wurde. Wie
die Münchener N. N. schreiben, war bereits das erste Konzert
der 114er überaus gut besucht; außerordentlichen Anklang habe
das sehr gewählte Programm und die feinfühlige Interpretation
desselben gefunden. Gestern wurde Herrn Musikdirektor Hand-
loser eine besondere Ehrung dadurch zu Theil, daß er mit seiner
Kapelle vom Prinzregenten Luitpold aufgefordert wurde, am
Abend vor der Hofgesellschaft zu konzertiren. Bei diesem An-
lasse überreichte S. K. H. der Prinzregent Herrn Handloser per-
sönlich das Militär-Verdienst-Kreuz.
X Patentbericht für Baden vom 5. Juli 1898,
mitgetheilt von dem Internat. Patentbureau C. Kley er in
Karlsruhe. (Auskünfte ohne Recherchen werden den Abonnenten
dieser Zeitung bei Einsendung der Frankatur gratis ertheilt.)
I. Patent-Anmeldungen: II. 19932. Verfahren zur
Darstellung der Wismuthoxjodidverbindung des Oxydations-
produktes von Pyropallol <Zus. z. Patent Nr. 80399-. F. Hoff-
mann-La Roche u. Cie., Grenzach, Baden. Vom 10. Febr. 1898.
— II. Patent-Ertheilungen: Nr. 99096. Heber-
Spülvorrichtung für Aborte. O. Schill, Karlsruhe, Bürgerstr. 21.
Vom 11. Jan. 1898. — Nr. 99 068. Zentrifugalregler mit Feder-
belastung. W. Jahns, Karlsruhe, Werderstr. 77. Vom 6. Oct.
1897. — III. Gebrauchsmuster-Eintragungen:
Nr. 96 528. Uhrkctten-Schließring mit Drehverschluß. > Franz
Holzer, Pforzheim. Vom 12. November 1897. II. 9308. —
Nr. 96548. Uhrketten-Schließring mit Cliquetverschluß. Franz
Holzer, Pforzheim. Vom 21. April 1898. II. 9964. —
Nr. 96697. Vorrichtung zur automatischen Schaustellung von
Momentphotographien mittels Aufreihung derselben auf einem
biegsamen Band und Fortbewegung desselben über eine Kante.
Friedrich Schmidlin, Lahr. Vom 26. August 1897. 8ob. 6512.
— Nr. 96420. Aus einem Holzgriffe mit tellerförmigem Fuße
bestehender Halter für Tafelwischer. John Masson. Haßloch,
Baden. Vom 31. Mai 1898. N. 6964. - Nr. 96772. Sack,
welcher nach seiner Entleerung durch Auftrennen der Nähte als
Taschentuch verwendet werden kann. S. Weißenburger, Mann-
heim. Vom 12. Mai 1898. IV. 6982.

Der amerikanisch-spanische Krieg.
Madrid, 8. Juli. Für alle zukünftigen Möglichkeiten
wird das Heer auf 150 000 Mann Infanterie, 14 000
Mann Cavallerie, die Batterieen werden auf 8 Geschütze
gebracht; mit Carabineros und Gendarmerie soll das Heer
bis zum 15. Juli 200 000 Mann stark sein. Alle Ver-
bindungen mit Kuba sind unterbrochen. Die Minister sind
 
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