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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0042

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daß die Lehrer künftig den Höchstgehalt nach 17jähriger Dienst-
zeit erreichen sollen. Alle Lehrer, die jetzt eine Dienstzeit von
30 Jahren habe», sollen sogleich in den Genuß des Höchstgehalts
von 2000 M. einrücken ohne Rücksicht auf ihre bisherigen Ge-
haltsverhältnisse ; solche mit 27 Dienstjahren sollen 1900 M., solche
mit 24 Dienstjahren 1800 Mk. erhalten. Die Aufbesserung kommt
somit nicht nur den jungen Lehrern zu gut, die nun mit 17
Dienstjahren den Höchstgehalt beziehen werden, sondern auch den
älteren.)
Abg. Weygoldt (ntl.) bemerkt, daß er im Jahre 1895 den
Lehrern geralhen habe, die Bestrebungen nicht auf eine Erhöhung
des Anfangsgehaltes zu setzen, sondern eine Verkürzung des
Fristenlaufes bis zum Höchstgehalt zu erstreben. Er freue sich,
daß die Regierung und die Kommission sich wohlwollend gestellt
haben. Er hätte noch ein weitergehendes Entgegenkommen ge-
wünscht und er würde sich auch bereit erklären, daß er noch
weitergeheu würde, falls sich im Laufe dec Diskussion die Mög-
lichkeit dazu ergeben würde. Vor allem aber wolle er bitten,
die Regierung möge von der Praxis abgrhen, die Gehaltsver-
hältnisse der verschiedenen Beamtenkategorien zu regeln und dann
nach einiger Zeit die Gehaltsregelung der Lehrer folgen zu lassen.
Er wolle üie Regierung bitten, eine hierauf bezügliche Erklärung
abzngeben.
Abg. Hug (Ctr.) hofft, daß nach Annahme der Vorlage eine
Reihe von Beschwerden verstummen. Bezüglich der Vergleichungen
mit den Beamten der Gruppe und L sei zu bemerken, daß
hier die Lehrer besser daran sind, da sie rascher in festes Gehalt
einrücken, da sie meist freie Wohnung haben, in die gut dotirteu
städtischen Stellen eintreten und auch die Reallehrerlaufbahn
einschlagen könnten.
Abg. Frhr. von Stockhorncr (kons.) erkennt an, daß der
Staat die Pflicht habe, alles zu thun, um dem Stand der Volks-
schullehrer die Berufsfreudigkeit zu erhalten. Er stimme dem
Entwurf zu.
Abg. Schüler (Ctr.) bedauert, daß verschiedene Wünsche
nicht erfüllt werden konnten. Ein Lehrer im 56. Lebensjahr mit
37 Dienstjahren erhalte 1520 M. und erst im Jahre 1910 erhalte
er das Höchstgehalt. Er bedauere, daß die früher pensiontrten
Lehrer der Wohlthaten des Gesetzes nicht theilhaftig werden.
Das Anfangsgehalt der Lehrer halte er für ausreichend. Man
solle vielleicht später die Zulagen etwas erhöhen. Die Lehrer
auf dem Lande seien viel übler in der Kindererziehung daran,
als jene in der Stadt. Die Lehrer auf dem Lande müßten so ge-
stellt sein, daß die Lehrer gerne auf dem Lande bleiben, damit
auch tüchtige Kräfte dort wirken.
Abg. Mampel (Antis.) ist mit der Vorlage einverstanden.
Er wolle aber betonen, daß die Lehrer gerade während der letzten
Wahlen sich eines Verhaltens befleißigt haben, das nicht
Wünschenswerth sei. Auf den Wahlaufrufen Hütten die Namen
von Lehrern als Dekoralionsfähnle gestanden.
Präsident Gönner erklärt, er künne es nicht zugeben, daß
bei diesem Gegenstand die letzten Kämpfe in die Debatte gezogen
werden.
Abg. Mampel (Antis.) jfortfahrendj: Er stimme dem Ent-
wurf zu.
Abg. H e imburg er (Dem.): Es sei bedauerlich, daß die
finanziellen Verhältnisse nicht die Erfüllung aller Wünsche gestattet
habe. Er stimme dem Abg, Weygoldt darin zu, daß es zur Be-
ruhigung dienen würde, wenn die Regierung in einer Erklärung
die gleichzeitige Regelung der Lehrer- und Beamtengehälter in
Aussicht stellen würbe. Auch diese Gehaltsordnung sei eine be-
fcheibene und entspreche auch nicht der Wichtigkeit des Berufs.
Wenn man die Vorbildung in Betracht ziehe, dann können sich
die Lehrer wohl mit den zum Vergleich heraugezogenen Beamten-
kategorien auf eine Stufe stellen. Die Erfüllung der Wünsche
sei nur eine bescheidene. Die Uebergangsbestimmungen seien
durch das Kompromiß zwischen Kommission und der Regierung
befriedigend geregelt. Die Lehrer haben, das erwidere er dem
Abg. Diampel, dasselbe Recht der politischen Meinungsäußerung
wie jeder andere Staatsbürger. Das Anfangsgehalt der Lehrer
betrage nicht 1100, sondern 800 Mark. Dran möge sich in Re-
gierungskreisen bewußt bleiben, daß dieser Entwurf sich nur in
bescheidenen Grenzen Halle.
Ab. Wacker (Ctr.): Man begebe sich auf einen unsicheren
Boden, wenn man sich nach der Zufriedenheit richten wolle. Er
lasse sich nur von seiner Ueberzeugung leiten. Je mehr wir auf
die Zufriedenheit der betheiligten Kreise sehen, um so mehr rufen
wir Geister wach, die hier vielleicht nicht zahlreicher vorhanden
sind als anderwärts, aber hier mehr Lärm machen als ander-
wärts. Wenn es irgend ein Gebiet gibt, das unberührt bleiben
soll von der Parteizerklüftung, so ist es die Schule und sind es
die Lehrer. Seine politische Ehre würde einen Fleck erhalten,
wenn man ihm Nachweisen könnte, daß er um die Gunst eines
Standes buhle. Er sage: Für jeden Staatsbürger politisch freie
Bewegung. (Auch für die Oberamtmänner? D. R.) Weygoldt
hätte Vesser gethan, keine Erklärung der Regierung zu provoziren,
Laß die Gehaltsregelung der Lehrer gleichzeitig mit anderen
Beamtenkategorien erfolge. Das klinge so wie der leise Wunsch :
hoffentlich kommt es bald.
Abg. Dreesbach (Soz.): Er habe in der Kommission für
das Kompromiß gestimmt, weil mehr nicht zu erreichen war.
Wenn weitere Wünsche gestellt werden, so werde er, soweit sie
berechtigt sind, dafür zu haben sein.
Staatsminister Dr. Nokk dankt dafür, daß die kleine, aber
recht wichtige Vorlage eine so freundliche Aufnahme gefunden
habe. Es sei gewiß nicht der Fall, daß die Vorlage nicht erst
die Berufsfreudigkeit wecke. Aber er glaube auch, daß die Arbeit
in der Schule besser ansgeführt werde, wenn die materiellen
Fragen weniger drückend auf dem Lehrer lasten. Er fei immer
noch der Meinung, daß es richtig war, die Lehrer nicht in das
Beamtengesetz aufzunehmen. Da die Bedeutung des Lehrer-
standes immer anerkannt wurde, so sei es auch gleich, welcher
Kategorie der Lehrer angehöre. Nehme man ihn in das Be-
amtengesetz, dann würden die fürchterlichen Vergleiche wieder an-
fangen. Das Eine wolle er erklären, daß, nachdem jetzt die
Lehrer eine theilweise Erfüllung ihrer Wünsche erhalten, werde
naturgemäß eine Pause eintreten. Die Regierung werde aber,
wenn der Gehaltstarif geprüft werde, auch die Verhältnisse der
Lehrer in Erwägung nehmen. Die Uebergangsbestimmungen im
Jahre 1888 seien von dem Finanzminister abgelehnt worden,
weil man eine Rückwirkung auf die anderen Beamtenkategorien
gefürchtet habe, denen das Budget nicht gewachsen sei. Da aber
die Lehrer nicht absolut gleich seien, wie die anderen Kategorien,
so habe der jetzige Finanzminister die Bedenken überwunden.
(Beifall.)
Abg. Binz (ntl.) freut sich, daß die von dem Lehrerstande
vorgetragenen Wünsche als berechtigt anerkannt würden. Es sei
immerhin ein finanzielles Opfer, das gebracht worden sei. Den
Lehrern auf dem Lande erwachsen außerordentlich viel größere
Ausgaben als jenen in der Stadt. Es liege daher die Gefahr nahe,
daß die besten Kräfte dem Lande entzogen werden. Es sei aber
im Interesse des ländlichen Volksschulunterrichts Wünschenswerth,
daß der ungesunde Zug nach der Stadt eingeschränkt werde. Er
hoffe, daß die Vorlage diese Aufgabe erfülle. Wenn von einem
Theile der Lehrerschaft etwas laut, oder wie gesagt wurde, mit
Lärm für Erfüllung der Wünsche gearbeitet wurde, so könne
man ihm dies nicht übel nehmen. Daß die Wünsche als be-
rechtigt anerkannt werden müßten, das spreche zu Gunsten der
Lehrer, und auch diese Vorlage habe zugesteheu müssen, daß sich
die Forderungen nur in mäßigen Grenzen bewegen- (Beifall
im Hause, Beifall auf der Gallerte, die von Lehrern dicht be-
setzt ist.)
Abg. Mampel (Antis.): Er würde es für zweckmäßig hal-
ten, wenn alle Mitglieder dieses Hauses in dieser Frage brüder-
lich beisammen seien. Der Lehrer solle den Parteienkampf nicht
noch verschärfen.
Berichterstattter Straub (ntl.) betont die Einmüthigkeit der

Parteien in der Zustimmung, wenn auch das Wohlwollen in ver-
schiedenen Graden hervorgetreten sei.
Das Gesetz wird ein st immig angenommen.
Abg. Werr (Ctr.) berichtet über das Gesuch verschiedener
Landwirthe des Landes um Befreiung der Hütekinder aus Tyrol
und Vorarlberg vom Schulunterricht und beantragt Uebcrgang
zur Tagesordnung.
Abg. Hug (Ctr.) empfiehlt möglichste Dispensirung von dem
Schulunterricht.
Geh. Rath Arnsperger erklärt, daß je nach der Antwort
der österreichischen Regierung in Erwägung gezogen wird, in wie
weit Dispensationen eintreten können. Die generelle Regelung
könne nur auf dem Wege des Staatsvertrags erfolgen.
Abg. Pfisterer (Antis.) unterstützt die Petition.
Abg. Venedey (Dem.) ist für Beibehaltung des seitherigen
Zustandes, der unserer Bedeutung als Kulturstaat entspreche. Es
sei ohnehin traurig genug, daß diese Kinder aus der Heimath
hinausgeworfen sind. Dann soll man ihnen wenigstens die Wohl-
that des Schulunterrichts zukommen lassen. Man möge nicht
materielle Interessen durch ideale erkaufen.
Abg. Hug (Ctr.) ist nur für Dispens in einzelnen dringenden
Fällen.
Abg. Weygoldt (ntl.) steht auf dem Standpunkt des Abg.
Venedey. Er legt dar, daß eine Umgehung der durch Staats-
verträge und Ministerialreskripte geregelten Bestimmungen un-
möglich sei.
Der Kommissionsantrag wird mit allen gegen 3 Stimmen
angenommen.
Nächste Sitzung Montag.
Hessen. Darmstadt, 9. Juli. Der Kaiser hat
dem aus dem Dienste scheidenden Staatsminister Dr.
Finger das Großkreuz des Rothen Adlerordens verliehen.
Die Insignien wurden heute dem Staatsminister durch den
preußischen Gesandten übergeben.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Groß Herzog haben den
Revisor Ignaz Scharer bei der Steuerdirektion und den Ober-
buchhalter Johann Baptist Kopp bei der Amortisationskasse zu
Rechnungsräthen ernannt.
— Mit Entschließung Großh. Generaldirektion der Staats-
eisenbahnen wurden nachstehende Eisenbahnassistenten zu Expe-
ditionsassistenten ernannt: August Bernhard in Baden, Karl
Krieg in Dinglingen, Theodor Schmid in Baden, Heinrich
Say in Oos, Josef Konrad in Donaueschingen, Wilhelm
Blank in Wiesloch, Adam Grohe in Mannheim, Johann
Schilling in Mühlacker, Karl Steinle in Müllheim, Otto
Ateyer in Heidelberg, Karl Heckmann in Denzlingen, Ignaz
Fischer in Neuhausen, Georg Stähle in Heidelberg, Hermann
Solo een in Grötzingen, Engelbert Riesterer in Hattingen,
Karl Schmidt in Bühl, Anton Haimann in Mannheim,
Wilhelm Haas in Neckarau, Anton Schwing in Mannheim,
Josef Schwer in Villingen, Wilhelm Nee ff in Heidelberg,
Theodor Erhardt in Dinglingen, Adolf Raupp in Kehl,
Reinhard Ganninger in Heidelberg, Karl Schnabel in
Karlsruhe, Rudolf Seubert in Gengenbach, Klemens Kempf
in Graben-Neudorf Firedrich Gamber in Heidelberg, David
Bechtold in Mannheim, Leopold Dnntz in Herbolzheim, Karl
Rockel in Karlsruhe, Leonhard Rh einberg er, in Schopfheim,
Albrecht W i r th bei der Centraloerwaltung, Konrad Lutz in
Appenweier, August Sch lag et er in Bühl, Georg Eckert in
Heidelberg und Heinrich Wießler in Baden.

Ausland.
Oesterreich-Ungarn. Pest, 9. Juli. Gegen die an
der Verschwörung gegen das Leben Kaiser Franz
Josefs betheiligten Arbeiter wurde heute laut Gerichts-
beschluß die Anträge wegen Hochverrathes erhoben. In
der Begründung des Beschlusses wird hervorgehoben, daß
sich die Angeschuldigten gegen Ende des Jahres 1897 oder
Anfang 1898 zum Zwecke der Ermordung des Königs
durch Dynamit verbündet hätten. Die ganze Sache
scheint indessen nicht ernst gewesen.
Luxemburg. Luxemburg, 9. Juli. Der heutige
ärztliche Bericht über dasBefinden des Großherzogs
Adolph lautet: Das Allgemeinbefinden hat sich gebessert,
die Lungenerscheinungen sind geschwunden und die Kräfte
haben sich gehoben. Die Ueberstedelung nach Hohenburg
kann ohne Zwischenfälle bewerkstelligt werden ; die Gebirgs-
luft wird dann einen weiteren günstigen Einfluß auf das
Allgemeinbefinden ausüben. Auf der Rückreise wird der
Großherzog in der orthopädischen Anstalt von Goeggingen
bei Augsburg verweilen, behufs Anlegung eines Apparates,
der die Gebrauchsfähigkeit des gebrochenen Oberschenkels
ermöglichen und erleichtern wird.
Frankreich. Paris, 9. Juli. Die Kammer er-
klärte nach lebhafter Debatte die Wahl Turrels, des
ehemaligen Ministers für die öffentlichen Arbeiten, für
ungiltig. Dieser hatte einem Blatte die Militärakten
seines Wahlgegners, eines ehemaligen Majors, mitgetheilt.
Turrel erklärte, er habe dies in Anbetracht von Ver-
läumdungen seitens seines Gegenkandidaten gethan, und
forderte selbst zur Ungiltigkeitserklärung auf. Es ist dies
die erste für ungiltig erklärte Wahl. Die Affaire erregt
großes Aufsehen. Während der Wahlcampagne veröffent-
lichte das Toulouser Blatt Le Telegram, die aus dem
Archiv des Kriegsministerium stammende, geheime Conduiten-
liste des Gegenkandidaten Turrels, des ehemaligen Majors
Berioz, um diesen zu compromittiren. Turrel schwur vor
der Untersuchungskommission beim Andenken seiner Mutter
und bei seiner Ehre, daß er an der Veröffentlichung der
Conduitcnliste unschuldig sei. In der heutigen Kammer-
sitzung wies der Deputirte Le Härisse das von Turrel
herrührende Manuscript des Artikels des Telegram
vor. Turrel versuchte zu behaupten, das Manuscript sei
eine Kopie des Artikels, aber Le Hsriffe wies schlagend
die Unwahrheit der Behauptung Turrels nach. In den
Wandelgängen wird auch das Verhalten des ehemaligen
Kriegsministers Billot scharf kritisirt, da dieser Turrel
die Conduitenliste verschafft haben soll.
Paris, 9. Juli. In dem Beleidigungsprozeß
der Schreibsachverständigen gegen Zola und den Heraus-
geber der Aurore verurtheilte das Zuchtpolizeigericht Zola
zu 2000 Franken Geldstrafe und 15 Tagen Gefängniß,
aber unter Anwendung des Gesetzes Bsrenger, wonach der
Vollzug des Urtheils noch ausgesetzt wird. Ferner wur-
den Zola und Perreux solidarisch zur Bekanntgabe des
Urrheils in 10 Zeitungen und zur Zahlung von 5000
Franken Schadenersatz an jeden der drei Sachverständigen
vernrtheilt.

Paris, 9. Juli. Zola und sein Vertheidiger
hatten auf die gestrige Erklärung der Regierung gewartet,
um Beschlüsse zu fassen, wonach sie ihre Haltung in dem
Prozeß zu Versailles regeln werden. Gestern fand eine
Berathuug statt, in der wieder beschlossen wurde, sämmt-
liche Zeugen des ersten Prozesses mit Ausnahme der diplo-
matischen nach Versailles laden zu lassen. Und das ist
der Beweis, daß sich der Prozeß nicht wie am 23. Mai
auf ein gerichtliches Scharmützel beschränken wird.
Paris, 9. Juli. Oberst Picquart richtete au den
Premierminister Brisson folgendes Schreiben: „Bis heute
war es mir nicht gegeben, mich frei über die geheimen
Dokumente auszusprechen, worauf man die Schuld Drey-
fus' begründet hat. Nachdem nun der Kriegsminister in
der Kammer drei dieser Dokumente vorgelesen, betrachte ich
es als Pflicht, Ihnen mitzutheilen, daß ich im Stande
bin, vor jedem zuständigen Gericht zu beweisen, daß die
beiden 1894 datirten Schreiben nicht auf Dreyfus an-
gewandt werden können, daß das dritte 1896 datirte aber
alle Kennzeichen einer Fälschung trägt. Es wird
sich darnach zeigen, daß der gute Glaube des Kriegs-
ministers getäuscht worden ist und daß es ebenso allen
andern ergangen ist, die jene beiden Dokumente für werth-
voll und das letzte für ächt hielten." (Da Picquart s. Zt.
selbst Chef des Erkundigungsbureaus des Generalstabs ge-
wesen ist, so hat er ein Urtheil in dieser Sache.)
Asien. Die letzte in Europa eingetroffene ostasiatische
Post bringt über den Besuch des Prinzen Heinrich
beim Kaiser von China nur noch wenige Einzelheiten,
die nicht schon telegraphisch gemeldet worden sind. Der
Peking and Tientsin Times zufolge hat die Kaiserin-Wittwe
dem Prinzen ihre Freude über seinen Besuch geäußert und
hinzugefügt, sie wolle an ihrem nächsten Geburtstage auch
ausländische Damen empfangen. Der Kaiserin-Wittwe
küßte Prinz Heinrich die Hand, während er die des Sohnes
des Himmc s kräftig schüttelte. Als der Prinz den Tempel
des Himmels besuchte, begleitete ihn nicht nur der Gesandte
Baron v. Heyking, sondern auch dessen Gemahlin dahin.
Dies wurde in den Mandarinenkreisen der Hauptstadt nicht
wenig besprochen. Noch vor einigen Jahren hätten die
alten Herren von der Pekinger Regierung geglaubt, der
Himmel würde eher einfallen, als daß eine Frau den
Tempel des Himmels besuchen könnte, weil dies noch niemals
vorher erlaubt worden war. Und jetzt fällt eine solche
Schranke nach der andern, ohne daß sich die große Menge
in Peking viel darum kümmerte. Im Gegentheil, Prinz
Heinrich ist von der hauptstädtischen Bevölkerung durchaus
freundlich begrüßt werden.
Amerika. Schon vor mehreren Tagen erhielt die
Köln. Ztg. ans New York eine Postkarte ohne Namens-
unterschrift, worin mitgetheilt worden war, daß das im
Musiksalon des neuen Schnelldampfers des Norddeutschen
Lloyds Kaiser Friedrich angebrachte, von Waller
Petersen in Düsseldorf gemalte lebensgroße Bild des
Kaisers Friedrich von ruchloser Hand am 23. Juni
zerschnitten worden ist. Erkundigungen, die das
Blatt eingezogen haben, bestätigen diesen Bericht. Dar-
nach ist das Portrait in Newyork ungefähr in der Mitte
kreuzweise zerschnitten worden; jeder Schnitt soll eine
Länge von etwa 40 em haben und anscheinend mit einem
sehr scharfen Messer ausgeführt worden sein. Der Thäter ist
bisher nicht ermittelt. Das beschädigte Bild stellt den
verewigten Kaiser in Cuirasster-Uniform dar und hat bei
Gelegenheit der diesjährigen Märzausstellung in Düssel-
dorf und einer Sammelausstellung verschiedener Bilder
Petersens in Berlin wegen seiner großen Portraittreue und
künstlerischen Ausführung Beachtung in weitern Kreisen
gefunden. Jene schändliche That eines offenbar deutsch-
feindlichen Individuums wird in Deutschland allgemein die
tiefste Entrüstung Hervorrufen.

Aus Stadt und Land.
Heidelber g, 11. Juli.
O Die Freiwillige Sanitätskolonne des hiesigen Männc-
hilfsvereins, welche am letzten Freitag zu einer Besprechung zu-
sammentrat, wobei auch Neuanmeldungen entgegen genommen
wurden, hat das erfreuliche Resultat zu verzeichnen, daß 18 neue
Mitglieder der Kolonne zugeführt werden konnten, so daß die-
selbe in der stattlichen Zahl von ca. 70—75 Mann dieses Jahr
antreten kann. Die Uebung für die Neuaufgenommenen beginnt
morgen, Dienstag, 87» Uhr, doch können auch ältere Jahr-
gänge diesen etwa 14 Tage währenden Kursus mitmachen;
alsdann findet regelmäßig Montag und Donnerstag eine ein-
stündige Instruktion statt. Vom 25. Juli ab aber beginnen in
der städtischen Turnhalle für sämmtliche Mitglieder die prak-
tischen Uebungsstunden, welchen zum Schluß eine öffentliche
Prüfung vor geladenen Gästen folgt. — Es wäre nur zu wün-
schen, daß die schon letzthin erwähnten Vereine, namentlich auch
die Radlervereine, ihre Mitglieder auf diese praktischen Uebungen
aufmerksam machten, einmal, um der Kolonne zu rechtem Auf-
blühen zu verhelfen, dann aber auch in ihrem eigenen Interesse.
Kunstverständiger Besuch. Gestern weilte, auf einer
Reise in Süddeutschland begriffen, Herr Professor Dr. Justus
Brinkmann, Direktor des Hamburger Museums für Kunst
und Gewerbe, mit seiner Gemahlin in unserer Stadt. Derselbe
besuchte auch bei dieser Gelegenheit die städt. Kunst- und Alter-
thumssammlung auf dem Schlosse, die er seit einer Reihe von
Jahren nicht mehr besichtigt hatte, und sprach sich über die ver-
schiedenen Neuerwerbungen, insbesondere über die Frankenthaler
Porzellane, auf's lobendste aus. Die verschiedenen Gruppen und
Figuren und das neuerworbene Speiseservice fanden den ganz
besonderen Beifall des Hrn. Direktors, der als einer der hervor-
ragendsten Kenner gilt. Alsdann besuchte Hr. Prof. Brinkmann
die mit ihm schon seit langen Jahren bekannte Antiquitätenhand-
lung von L. Bamberger am Kornmarkt und gab Aufträge für
das Hamburger Museum.
— Polizeibericht. Verhaftet wurden eine Kellnerin aus
Mannheim, vie von der Staatsanwaltschaft Ludwigshafen wegen
Diebstahls verfolgt wird, und zwei Mannspersonen wegen Bet-
telns und Lanvstreicherei. Drei Arbeiter kamen wegen Körper-
verletzung, ein weiterer wegen Thätlichkeiten und drei andere
wegen Ruhestörung zur Anzeige.
Mannheim, 10.Juli. Einesehrempfindliche Strafe
erdielt gestern vom Schöffengericht der Redakteur Heinrich
Keßler von der hiesigen sozialdemokratischen Volkssiimme.
Dieses Blatt brachte in seiner Nummer 119 vom 24. Mai
einen Artikel, in welchem Herrn Arzt Dr. Landfried in Secken-
heim der Vorwurf gemacht wird, daß er den Tod eines
 
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