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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
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Kohle gemacht und das Ergebniß wird als ein ausge-
zeichnetes bezeichnet. — PrinzHeinrich ist nach Wladi-
wostok und Korea abgefahren.
Die preußisch-hessische Tarifgemeinschaft.
Aus Hessen wird dem Schwab. Merk, von befreundeter
Seite geschrieben:
Wenn bis vor Kurzem noch in weiteren Kreisen Befürch-
tungen bestanden, ob wohl die seitens unseres Staates mit
Preußen abgeschlossene Eisenbahngemeinschaft sich für
unser Land als segenbringend erweisen werde, so sind dieselben
jetzt geschwunden, seit die Ziffern des ersten Betriebsjahres be-
kannt geworden sind. Unser Aniheil an den Gesammt ein-
nahm en stellt sich auf rund 11 Mill. Mark, welchen 8'/„ Mill,
an Ausgaben gegenüberstehen, somit ein Reingewinn
von 2stz Mill. Mark. Diese Ziffer erhält aber ihren wahren
Werth erst dadurch, daß in dem vorhergehenden Jahre 1895/96
der hessische Saat aus seinen Eisenbahnen nicht nur k ein e n
Nutzen hatte, sondern noch einen Zuschuß von rund 120000
Mark aus der Tasche der Steuerzahler zu leisten genöthigt war.
Ein weiterer finanzieller Vortheil steht uns außerdem noch be-
vor, wenn die am 1. März d. I. begonnene und am 1. August
zum Abschluß gelangende Konversion der Hessischen Ludwigs-
bahnprioritäten in 3proz. Hessische Konsols in Wirksamkeit tritt,
denn es ergibt sich hieraus eine Zinsersparniß von 685 000 Mk.
Hiezu treten aber noch andere Vortheile aller Art. Es sind um-
fangreiche Verbesserungen des gesammten Bahnnetzes vorgcnom-
men worden, bezw. noch in Ausführung begriffen. Die Be-
soldungsverhältnisse der Beamten sind zum Theil erheblich ge-
bessert und die Arbeitslöhne gesteigert worden. Gleichzeitig ist
die tägliche Dienstzeit der Beamten und Arbeiter nicht unwesent-
lich verkürzt worden, was von denselben auch dankbar anerkannt
wird. Eine Reihe von Stations- und Bahnanlagen sind er-
weitert und verbessert, durch Legung neuer Geleise ist die Be-
triebssicherheit erhöht und damit Hand in Hand gehend die
Leistungsfähigkeit der Bahn nicht unwesentlich verstärkt worden.
Eine große Anzahl neuer Lokomotiven, Personen- und Gepäck-
wagen verkehrt jetzt auf den hessischen Bahnen und die alten
„Rumpelkasten" der Hess. Ludwigsbahn verschwinden mehr und
mehr aus dem Verkehr. Eine ganze Anzahl neuer Schnell- und
Personenzüge ist eingelegt worden, was allseitig dankbar begrüßt
wird. Ganz besondere Anerkennung findet die Ermäßigung der
Tarife. Im Direktionsbezirk Frankfurt ist jetzt allgemein die
4. Wagenklasse eingeführt, im Direkttonsbezirk Mainz soll diese
Maßregel am 1. October in Kraft treten. Eine nicht unwesent-
liche Herabsetzung erfuhren auch die Preise für Zeit- und Ar-
beiterkarten. Hauptsächlich diesem Umstaude dürfte es zuzuschrei-
ben sein, daß z. B. auf den Strecken der Oberhessischen Eisen-
bahn über 20 000 Fahrten mehr zurückgelegt wurden als im
Jahre vorher. Von den insgesammt 110 800 Fahrten fielen auf
die 4. Wagenklasse allein 70 850, ein Beweis, wie sehr dieselbe
hierzulande einem Bedürfnisse der arbeitenden Klassen entspricht.
Die Einführung der preußischen Ausnahmetarife für Rohstoffe
aller Art hat auch im Güterverkehr eine Reihe von Tarifermäßi-
gungen zur Folge gehabt.
Es ist somit ein durchaus erfreuliches Gesammt-
bild, welches der erste Jahresabschluß darbietet; dasselbe kann
durch einige vorübergehende Unbequemlichkeiten, welche mit dem
Uebergang naturgemäß verbunden waren, nicht beeinträchtigt
werden. Der preußische Staat hat, und darüber herrscht in allen
verständigen und vorurtheilsfreien Kreisen nur eine Stimme,
alle Zusicherungen und Pflichten in durchaus loyaler und
bundeslreuer Weise erfüllt. Die Form selbst erinnert vielfach
an die alten Zollvereinsverträge, welche bekanntlich ebenfalls be-
zweckten, den finanziell und wirthschaftlich schwächeren Staaten
eine günstige Stellung und pekuniäre Vorthetle bei der Be-
triebsgemeinschaft zu sichern. Wir genießen somit jetzt in Hessen
alle Vorlheile eines großen Eisenbahnbetriebs, ohne daß aber
unsere „berechtigten Eigentümlichkeiten" irgend welche nennens-
werte Beeinträchtigungen erlitten hätten. Wenn dessen unge-
achtet im Volk selbst die Vortheile noch nicht in vollem Maße
gewürdigt und anerkannt werden, so liegt das eben vielfach da-
ran, daß sich die neue Ordnung der Dinge noch nicht genügend
eingelebt hat; vielfach tragen aber auch die bekannten Ver-
hetzungen gelegentlich der letzten Reichstagswahlen die Schuld.
Es steht aber mit Sicherheit zu erwarten, daß wenn, erst ge-
legentlich der nächsten Budgetverhandlungen in unserer Kammer
die Vortheile in ihrer ganzen Tragweite sich geltend machen
werden, die Wahrheit sich siegreich Bahn brechen und die Zweif-
ler verstummen machen wird. Gut Ding will bekanntlich Weile
haben, besonders wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, darum
handelt, politische Vorurtheile und künstlich genährtes Mißtrauen
zu zerstören.
Der Schwäb. Merkur knüpft hieran noch eine kleine, für die
Volksstimmung recht charakteristische Begebenheit. Ein Anhänger
der Betriebsgemeinschaft aus Darmstadt traf einen Mainzer
Freund, der in Wort und Schrift dagegen agitirt hatte. Ange-
sichts der oben erwähnten günstigen Ereignisse sagte der Darm-
städter: „Na, Fritz, jetzt derfste aber nimmer schimpfe, jetzt
wirste doch die Vortheile anerkenne?" „Warum net gar", lautete
die Antwort des biederen Mainzers, „anerkannt wird nix, was
von de Preuße kommt, das wär noch schöner; aber 's Geld
nehme mer, das kann mer immer brauche."
(Für uns Badener ist diese enthusiastische Schilderung der
Erfolge der preußisch-hessischen Tarifgememschaft sehr bemerkens-
und beachtenswerth, denn Preußen ist nun unser unmittelbarer
Eisenbahnnachbar geworden, der möglicherweise sehr bald Lust
zeig:, die Gemeinschaft auf Baden auszudehnen. Soll diese

intelligenten Augen war ihr deßhalb nicht minder vertraut
und sympathisch und auch sein Wesen war sich völlig gleich
geblieben.
Er scherzte und plauderte mit ihr und Frau von Senten
saß lächelnd dabei. Hier empfand sie keine Spur von dem
unangenehmen Gefühl, das sie vorhin Fritz Delling gegen-
über überfallen, ganz im Gegentheil: sie freute sich über ihr
gutes Einvernehmen und ein sanftes Glücksgefühl überschlich
sie, das wohlrhuende Bewußtsein innerer Zusammengehörig-
keit, deren Grundlage ein festes Vertrauen bildet.
Mlßmuthig saß Fritz Delling dabei. Zum ersten Mal
in seinem Leben überkam ibn ein Gefühl der Eifersucht. Noch
gestern hätte er die Idee, ein Backfischchen im Zeichnen und
Malen zu vervollkommnen, als abgeschmackt von sich gewiesen
und jetzt hätte er am liebsten das ganze zierliche Persönchen
für sich allein in Beschlag genommen, und der Gedanke, in
dem Oberst ihren gleichberechtigten Freund zu sehen, war ihm
geradezu unerträglich.
Liebe und Eifersucht, die er bis jetzt nur als Vasallen
des menschlichen Willens betrachtet, zeigten ihm zum ersten
Male ihre Macht und in schmerzhafter Pein empfand er
ihren Stachel.
Einige Wochen vergingen. Fritz Delling hatte sich mit
fieberhaftem Eifer dem Entwurf und der Ausführung seines
neuesten Bildes ergeben. In Frau von Senkens Park hatte
er sich ein provisorisches Atelier errichten lassen und so be-
geistert war er von seiner Arbeit, daß er sich kaum die
nöthigfte Erholung gönnte.
Es bedurfte keiner Sitzung von seilen Käthes. Der Ein-
druck war so mächtig gewesen, daß jede Einzelheit deutlich
vor ihm stand. Immer schärfer hob sich die schlanke, zier-
liche Gestalt mit dem holden, trotzigen Antlitz und den
großen, schwarzen Augen von der Leinwand ab. Wie einen
kostbaren Schatz hütete und verbarg Fritz Delling seine Arbeit.
Niemand durfte in sein Allerheiligstes, wie Käthe sein Atelier
schnippisch benannte, Hineinsehen. Anfänglich brannte das
junge Mädchen vor Verlangen, hinter das Geheimniß zu
kommen, aber dann wurde das vergebliche Bitten ihr lang-

Frage zu Gunsten der Selbständigkeit des bad. Eisenbahnnetzes >
entschieden werden, so muß die bad. Eisenbahnverwaltung dafür
sorgen, daß Preußen uns nichts zu bieten vermag, was wir
nicht schon besser oder ebensogut selber haben. Man nehme z. B.
die Karlsruher Bahnhofsfrage. Die bad. Verwaltung weist die
Lösung der Frage im Großen zurück und will zu Nothbehelfen
greifen, die die Hauptstadt verunzieren. Von Preußen wäre zu
erwarten, daß es in Karlsruhe einen Landesbahnhof im großen
Stil errichten würde, denn die Verkehrsvechältnisse verlangen
dringend danach. Schon heute sagt vielleicht mancher Residenzler
zn sich im Stillen wie Wellington in der Schlacht bei Waterloo :
„Ich wünschte, die Preußen kämen." Möchte doch die badische
Verwaltung die gerade von dieser Seite drohende Gefahr der
preußischen Konkurrenz richtig erkennen und entsvrecbend bandeln >
Ärrs Elast uns Lans.
Heidelberg, 21. Juli.
X Aus dem Stadtrath. In gestriger Sitzung des Stadt-
raths wurden u. A. folgende Gegenstände zur Kenntniß bezw.
Erledigung gebracht:
1) Nach einer Zusammenstellung der Stadtkasse haben die
Verbrauchssteuern im Monat Juni l. I. ein Erträgniß von
17143 29 geliefert.
2) Es wird beschlossen, bei Gr. Bezirksamt, im Interesse des
ungestörten Marktverkehrs auf dem Wredeplatz, die Erlassung
eines Verbots des Befahrens der östlichen, von dem Hause
Leopoldstraße Nr. 29 zur Plöck ziehenden Straße in den Sommer-
monaten und während der Marktzeit zu beantragen
3) Wegen der mit Zustimmung Gr. Gewerbeschulraths be-
schlossenen Errichtung eines besonderen Lehrkurses für Kunst-
fchlofjerei im nächsten Wintersemester an der hiesigen Gewerbe-
schule werden die erforderlichen Anordnungen getroffen.
4) Das Gr. Ministerium des Innern bat zur Vereinfachung
der Führung der Feuerversicherungsbücher in den der Städte-
ordnung unterstehenden Städten die Anordnung getroffen, daß
Seitens der Feuerversicherungs-Gesellschaften die Fahrniß-
versicherungsanträge beim Stadtrath in doppelter Fertigung ein-
zureichen und daß in das Fahrnißversicherungsbuch künftighin
nur noch die Hauptsummen einzutragen sind, während bezüglich
der einzelnen Gattungen auf die als Beilagen zu sammelnden
Doppelschriften der Versicherungsanträge verwiesen werden soll.
5) Im Monat Juni l. I. wurden im hiesigen Schlachthof
402 Stück Großvieh und 2185 Stück Kleinvieh (1073 Schweine,
936 Kälber, 171 Schafe und Ziegen, 4 Kitzlein und Ferkel) ge-
schlachtet.
X Angenommen oder abgelehnt? Herr Direktor Geh. Hof-
rath Uhlig hat. wie dem Schwab. Merkur von hier berichtet
wird, den Ruf nach Schulvforta abgclehnt. Dagegen meldet ein
Naumburger Telegramm des Berl. Tagebl., daß Herr Uhlig die
Stelle in Pforta am 1. October antritt. Herr Uhlig ist z. Zt.
verreist.
Militär-Concert. Wir machen Musikfreunde schon heute
auf das bevorstehende Concsrt der vom vorigen Jahre hier in
gutem Andenken stehenden Kapelle des Jnfanterie-RegnUs. Nr. 132
aus Straßburg aufmerksam. Die Kapelle steht unter Leitung
ihres Kapellmeisters W. Thaele, welcher eine Reihe von Jahren
Mitglied der bekannten und beliebten Boettge'schen Kapelle (Karls-
ruhe) war. Sie hat den guten Ruf, der ihr vorauseilt, überall,
wo fie sich hören ließ, aufs beste gerechtfertigt. So nrtheilen die
Münch. Neuesten Nachr. über ein Concert in München: Das
Programm ließ ein exaktes, inniges Zusammenspiel der Kapelle
erkennen, sowie eine gute Schule; insbesondere fand dasXnäauts
aus der L-moll-Symphonie von Schubert und die Fantasie aus
„Siegfried" eine vorzügliche Wiedergabe. Ausgezeichnet kam
auch das altniederländische Volkslied „Wilhelmus von Nassauen"
zu Gehör. Mit „Erinnerung", ein Albumblatt von W. Thaele,
stellte sich der Dirigent der Kapelle auch als tüchtiger Komponist
den Zuhörern vor. Im humoristischen Theil entpupvten die
Musiker sich als gut geschulte Sänger. Die Concerte finden
nächsten Freitag statt und es ist, um den Besuch Jedermann
zu ermöglichen, der Eintrittspreis für das Abend-Concert auf
nur 30 Pfg. festgesetzt. Näheres siehe Annoncentheil.
** Die Schießübungen des hiesigen Bataillons mit scharfen
Patronen sind nach neuerer Bekanntmachung des Großh. Bezirks-
amts (s. Anzeigetheil der heutigen Nr. d. Bl.) auf den 23. bis
29. d. verlegt und finden statt im Bärenbachthal im Kreuz-
grund, nördlich Ziegelhausen, statt.
— Polizeibericht. Ein angeblicher Privatmann aus Kastel
wurde gestern dahier wegen Bettelns verhaftet; ein junger Mann
kam wegen Ruhestörung zur Anzeige.
Sinsheim, 20. Juli. Gestern wurde hier das erste Getreide
— Roggen — eingethan. Wie der Landbote hört, sind die
Aehren reich an gut entwickelten Körnern, bei Lagerfrncht natür-
lich ausgenommen. Auch die Strohmasse verspricht durchweg
eine ergiebige zu werden.
Tauberbischofsheim, 20. Juli. Nach dem eben ausgegebenen
Jahresbericht war unser Gymnasium im letzten Schuljahre von
254 Schülern, (19 weniger als im vorigen Schuljahr), besucht.
El Hirschhorn, 21. Juli. In letzter Zeit herrscht hier am
Bahnhof ein besonders reger Verkehr; denn eS kommen täglich
eine große Anzahl Fuhrwerke, welche aus den Waldmichelbacher
Bergwerken Manganerz zur Verfrachtung nach Lothringen-
schen Hochöfen hierher verbringen. Wie verlautet, sollen die
Bergwerke in Waldmichelbach und Umgebung sofort mit ganz
bedeutenden Kräften ausgenützt werden, sobald die Bahn bis
Waldmichelbach vollendet ist.
Schwetzingen, 18. Juli. Der Bürgeraus schuß ge>
nehmigle in oer am Samstag abgehaltenen Sitzung mit allen
gegen eine stimme das RückkrittSaeiuch des Herrn Bürger-

weilig und sie fand es viel amüsanter, auf ihrem hübschen
Pferde, das ihre Mutter ihr geschenkt, stundenlang in der
Reitbahn herum zn jagen. Sie machte riesige Fortschritte in
der Reitkunst und war unermüdlich in der Inanspruchnahme
von Stunden. Merkwürdigerweise war es aber weniger das
erprobte Kommando des Obersten, als die ganz besonders
lehrreiche Methode seines jungen, hübschen Adjutanten, denen
sie ihre Erfolge verdankte. In kurzer Zeit war sie so weit,
um in Begleitung ihrer Mutter und der beiden Lehrmeister
kleine Ausflüge in die Umgebung machen zu können.
(Fortsetzung folgt.)

Die Ueberlebenden der Bourgogue.
Paris, 18. Juli. Von den Insassen der verunglückten
Bourgogne langten gestern Morgen 103 an Bord des Dampfers
Touraine in Havre an. Eine Menge französischer Journalisten
fuhr ihnen auf einem Schleppdampfer entgegen; ihr Zweck lag
auf der Hand: sie wollten die fürchterliche Legende von der Roh-
heit und Grausamkeit der französischen Matrosen und von der
Kopflosigkeit des Kapitäns Dcloncle zerstören. Und diesen Zweck
haben sie insofern erreicht: alle französischen Matrosen ohne Aus-
nahme schoben die Legende einerseits den amerikanischen Zeitungen
zu, anderseits den norwegischen und österreichischen Matrosen; sie
selbst wurden in Amerika ob der Unkenntniß der Behörden mit
der französischen Sprache nicht verhört; man hielt sich an das,
was ihnen auf englisch auseinaudergesetzt wurde. Die Franzosen
klagen nun gerade die Oesterreicher und Norweger der Frevel an,
deren sie bezichtigt worden; sie verhinderten die Passagiere mit
Ruderschlägen, in ihre Boote sich zu retten; ein Norweger im
besondern soll mit einem Messer gedroht haben, nicht ein Ita-
liener, wie behauptet ward. Im Großen und Ganzen allerdings,
wenn nach der Hauptschuld gefragt wird, lag sie in den durch-
aus mißlichen Verhältnissen eines sich auf die Seite neigenden
und schließlich auf dem Kopfe stehenden, untergehenden Dampfers,
und hinterher in der Aufgeregtheit der Passagiere, die sich an die

Meisters C. Mechling. Die Sitzung nahm laut Schwtz. ZtP-
trotzdem es sich nur um diesen Punkt handelte, wiederum
einen stürmischen Verlaus und zwarZdadurch, daß der Sozial
dcmokrat Rey im Auftrage der Bürgerausschußmitglieder dec
3. Wählcrklasse einen Zusatzantrag einbrachte und verlas, de»
in den schärfsten Ausdrücken vom gesammten Gemeinderat»
verlangte, daß auch dieser die Konsequenzen aus dem Verlaute
der letzten Äürgerausschußsitzung ziehe. Der Vorsitzende,
Herr Gemeinderath Herm. Haßler, trat diesem Anträge, del
allseitige Entrüstung hervorrief, entgegen und verbat st«'
daß ein derartiger Ton in die Sitzungen gebracht werde.
Während der Verlesung dieses Antrages hatten sich sämmtliche
Mitglieder des Gemeinderathes demonstrativ aus der Sitzung
entfernt.
ff Mannheim, 19. Juli. (Strafkammer.) 1- Tel
33 Jahre alte Wirth Christian Michels von Dossenheim
wurde von der Anklage wegen Verleitung zum Meineid frei-
gesprochen. — 2. Der 19 Jahre alte Mauerer Friedrich VoU
von Wiesloch stahl am 31. Mai ds. Js. aus dem Keller des
Kaufm. H. Samuel mittelst einer Gießkanne 3 Liter Weis-
den er dann mit seinen drei Kameraden austrank. Als Gen'
darm Bächle ihn wegen dieses Streiches zur Rede stellte,
setzte er sich mit einer Holzaxt zur Webr, sodaß es des Aut-
wands aller Kraft der gelammten Polizeigewalt Wieslochs
bedurfte, um ihn in Gewahrsam zu bringen. Im Ortsarrell
zertrümmerte er das ganze Inventar und richtete einen
Schaden von ca. 24 an. Der Bursche erhielt wegen Mund'
raubs, Widerstands und Ruhestörung 8 Monate 2 Wochen
Gefüngniß. Der wegen Betheiliguna an dem Mundraub
mitangeklagte Taglöhner Abraham Schleich wurde sreiqe-
sprachen. — 3. Der 23 Jahre alte Dienstknecht Karl Schön-
laub von Sinsheim stieg in der Nacht vom 19. zum 20. JuR
d. I. in eine Kammer bei Landwirth Adam Schule in Rohr-
bach ein und entwendete verschiedene Gegenstände im Werw
von ca. 7 „kL. Strafe 4 Monate Gefängniß. — 4. Unter dec
Angabe, er sei Kutscher bei Professor Erd überbrachte del
40 Jahre alte Sattler Johann Scbevp gen. Hautzel von
Mainz verschiedenen Heidelberger Geschäftsleuten Bestellungen
und unternahm bei dieser Gelegenheit theils mit, theiis ohne
Erfolg Pumpversuche. Der schon sehr häufig bestrafte An-
geklagte, der auch schon im Zuchtbaus war, wurde zu zwei
Jahren 6 Monaten Zuchthaus, 300 Geldstrafe eventuell
weitere 2 Monate Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust verur-
theilt. — 5. Der 33 Jahre alte Handelsmannn Jsack Adlet
von Rappenau hatte dem Landwirth Adam Zimmermann )S
Kirchhausea von dem Landwirth Ludwig Bollweiler
Schluchten eine Kuh zum Preise von 150 eingehandew
Am 11. März sagte nun Adler zu Zimmermann, er gehe nach
Heidelberg, wo er den Vollweiler treffe, er könne ihm d>e
150 mitgeden. Zimmermann gab ihm das Geld und er-
hielt auch von Adler eine Quittung, die aber gefälscht war.
Wegen Betrugs und Urkundenfälschung wurde der vorbe-
strafte Adler zu 5 Monaten Gefängniß verurtheilt und ihm
die bürgerlichen Ehrenrechte auf 3 Jahre aberk >nnt. — 6) D>e
Berufung des 29 Jahre alten stad. chem. Walter Barl»
von Striegau, der vom Schöffengericht wegen Sachbeschädi-
gung (er hatte in einem Magazin verschiedene Scheiben ein-
geschlagen) zu einer Geldstrafe von 30 verurcheilt worden
war, hatte lediglich den Erfolg, daß diese Strafe nicht wegen
Sachbeschädigung, sondern wegen groben Unfugs ausge-
sprochen wurde.
Pforzheim, 19. Juli. Auch der jüngere Bruder des Eden
steinhändlers Gänzle, ein lediger Kaufmannsgehilfe, m
verhaftet worden. Derselbe hat im Einverständniß mit feinest
Bruder dessen Frau geknebelt und die Steine fortgenommen. Ec
hat, lt. D. Wbl, ein umfassendes Geständniß abgelegt. Ge-
stern wurde er per Chaise nach dem Thiergarten und anderen
Plätzen geführt, wo er die Steine versteckt hatte. Die Sache
wird nun das Schwurgericht beschäftigen, da dec Erstgenannte
sich auch wegen Meineids zu verantworten hat, neben der
falschen Beschuldigung eines Unbekannten. Er wurde nämlich
in der Voruntersuchung wegen des erdichteten Raubs eidlich
vernommen als Zeuge, dabei hat er die Sache wissentlich fall«
daraestellt.
St. Blasien, 16. Juli. Hier ist diese Woche eine Schult
eröffnet ivorden zum Erlernen der Flechterei von Spahn-
körben. Se. König!. Hoheit der Großherzog hat direkt d>e
Anregung zu diesem Unternehmen gegeben, zu dessen Unter-
stützung er 10000 Mk. ans seiner Privatschcuulle spendet. Es
gingen jährlich 80000 Mk. nur für Spahnkörbe, große uns
kleine, außer Land, die nun der Hausindustrie auf des»
Schwarzwalde zu gute kommen sollen. Bisher hat man die
Spähne zum Flechten mit der Hand geschnitten; nun Hw
aber ein Bürger eine Hobelmaschine erfunden, welche er fstt
3000 Mk. zum Kauf anbietet, und welche mit leichter Müde
für tausend Hände die schön und gleichmäßig gehaltenes
Spähne liefern kann. Glückauf zu diesem neuen gemeinnütziges
' Unternehmen.
Aus Vaden. Ein weiteres badisches Opfer wird aus de»>
Untergang der „Bourgogne" gemeldet; es ist die 15jähr. Tochtfl
Tberese des Bahnmeisters Sommer in Herbolzheim; m
hatte sich am 2. Juli auf dem unglücklichen Dampfer eingeschiffi'
X Patentvericht für Baden vom 19. Juli 1898,
mitgetheilt von dem Internat. Patentbureau C. Kl eher is
Karlsruhe. (Auskünfte ohne Recherchen werden den Abonnenten
dieser Zeitung bei Einsendung der Frankatur gratis ertheilt.)
I. Patent-Anmeldungen: L. 5625. Verfahren, Motten
zu tödten durch Anwendung von Cumarinlösung. Friedr. Eier-
mann, Pforzheim. Mit Schutz vom 27. Octbr. 1897 ab.

Boote klammerten, ehe sie losgehaucn waren. Dem Deloncle
wird einstimmig ein großes Loblied gesungen, er war der erste
auf der Commandobrücke und ward nicht müde, den Passagiere»
Kaltblütigkeit zu predigen; sie würden alle gerettet werden; er
selbst verlor so wenig den Kopf, daß er mit der größtmöglichsten
Schnelligkeit weiterfuhr, um noch am Cap Sable aufzulaufen
und zu scheitern. Bis zum letzten Augenblicke weigerte er sich'
ein Boot zu besteigen, er verließ sich auf seine Schwimmkunst-
Ward aber leider von seinem schweren Mantel in die Tiefe ge-
zogen. Ein bedenkliches Licht fällt auf den Rettungsgllrtel; es
scheint, als wenn verschiedene Schwimmer ihre Rettung nur dein
Umstande verdankten, daß sie sich ihrer schleunigst entledigten.
Und die Damen vergaßen offenbar, als sie die Gürtel sich um-
legten, sie oben über den Schultern zn befestigen; die Folge war,
daß die Gürtel hinunterrutschten und selbstverständlich die Füße
statt der Köpfe in die Höhe zogen. Es läßt sich durchaus nicht
behaupten, daß cs irgendwie an Rettungsgürteln gefehlt habe.
Das Deck war damit dicht bestreut; aber — und darauf kann
nicht genug aufmerksam gemacht werden — Niemand verstand
ihren Mechanismus, Niemand wußte damit umzugehen. Es
würde sich daher in Zukunft empfehlen, bei Beginn der Fahrt
erst verschiedene Rcttungsgürtelproben mit den Paffagieren anzu-
stellen. Sonst werden die Gürtel mehr schaden als nützen. Dem
einstimmigen Zeugnisse der französischen Matrosen gegenüber
bleibt mir nichts anderes übrig, als anzunehmen, daß alle, Of-
fiziere und Mannschaften, ihre Schuldigkeit gethan. Fürchterlich
aber bleibt immerhin der Gedanke, daß das Schiff über zehs
Rettungsboote und fünf Flöße verfügte; daß die Zeit vom Zu-
sammenstöße bis zum Untergange 40 Minuten betrug, daß alst
Rettungsmaterial und Zeit für die Bergung aller Insassen reich-
lich vorhanden waren und daß trotzdem so wenige davonkamen-
Betreffs der Zeit ist jetzt endgiltig festgestellt, daß sie 40 Minu-
ten betrug; die Katastrophe war also nicht das Werk eine»
Augenblicks.
 
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