Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI chapter:
Nr. 229 - 254 (1. Oktober 1898 - 31. Oktober 1898)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0371

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Erscheint täglich,
«onntags ausgenommen.
Preis
Ulit Familienblättem
, /monatlich SO Pf.
mi in's Haus gebracht.
^urch die Post bezogen
Ivierteljährl. 1.25
^'slchließlich Zustellgebühr.
^levhon-Anschluß Nr. 82.


Jnsertionsgebühr
15 Bi. für die Ispaltige
Pelitzerle oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Telephon-Anschluß!Nr. 82.

Xr. 237.

Dienstag, den 11. Oktober

1898.

Politische Umschau.
Heidelberg, 11. October.
Der sozialdemokratische Parteitag in Stutt-
gart hat ganz allgemein den Eindruck hervorgerusen, daß
gie sozialdemokratische Partei sich gegenwärtig in einem
"Wern Umwandlungsprozeß befindet. Die Partei ist so
ösoß geworden, daß man mit einem unthätigen Deklamiren
">cht mehr auskommt. Der von Bebel prophezeite Klad-
aeradatsch bleibt aus, ja die Genossen müssen sich einge-
aehen, daß die bürgerliche Gesellschaftsordnung noch aus
^Ne ganz unabsehbare Zeit hinaus feststeht, da heißt es
"un für sie, sich entweder der Wirklichkeit anbequemen oder
über den gewonnenen Einfluß auf die Massen wieder ver-
iieren. Unter dem Druck dieser Alternative hat die Partei
schon manche ihrer Flausen, Schrullen und Dogmensätze
/allen lassen. In Stuttgart nun haben Genossen sich über
°as beständige Heraushängen des rothen Lappens lustig
gemacht, haben darüber gespottet, daß man sich immer auf
"ekelhafte Endziele beziehe, die Gegenwart, die Wirklich-
EE't aber überfliege. Wohl gab es auch leidenschaftliche
^ertheidiger, und namentlichs Vertheidigerinnen, der bis-
herigen Methode und der Endziele, allein sie vermochten die
"Eue aufs Praktische gerichtete Bewegung innerhalb des
Kongresses nicht zurückzudrängen. So darf man den
Stuttgarter Parteitag als den Beginn eines neuen Ab-
schnittes in der Entwicklung der Sozialdemokratie ansehen.
Atrien kleinen Beweis für den allgemeinen Stimmungs-
"Ulschlag in der Sozialdemokratie boten auch die Verhand-
lungen über einen Antrag auf Gehaltserhöhung der Partei-
"Eamten. Wie hätten in früheren Jahren die „Zielbewußten"
g.Egen den Luxus gedonnert. Diesmal verlief die Aktion
Ziemlich glatt. Genosse Meister befürwortete den Antrag,
"er besagt: Der Parteitag beschließt, die neugewählte
Parteileitung möge der Frage nahe treten, ob es sich nicht
Empfehle, die im Jahre 1890 festgesetzten und seitdem in
bauials beschlossener Höhe bezahlten Gehälter für die
Parteibeamten zu erhöhen. Eine Diskussion wurde nicht
beliebt und es schien, als werde die Aufbesserung ohne
weiteres genehmigt werden. Im letzten Moment aber
"wrde namentliche Abstimmung beantragt und nun schwankte
."s Zünglein an der Waage. Die Negativen hatten an-
einige Chancen, bald aber überwog die positive
Stimmung, auf die man übrigens auch schon aus dem
Mstande schließen konnte, daß den Parteibeamten mitzu-
ltimmen gestattet wurde. Für die Erhöhung ergaben sich
bei der Zählung 160 Stimmen, dagegen 61. Einer der
Hauptgrundsätze der Sozialdemokratie war bisher die
Gleichwerthigkeit aller Arbeit, aus der dann die Gerechtig-
^Eit der gleichen Entlohnung Aller gefolgert wurde. In
"Er Praxis aber hat die Sozialdemokratie auch diese An-
schauung zu dem alten Blech gelegt, von dem sie schon so
"/El aufgestapelt hat. Die bürgerlichen Parteien verfolgen
"lese Wandlungen in der sozialdemokratischen Partei be-
greiflicherweise mit großem Interesse. Sie würden es sehr
gern sehen, wenn sich aus der Sozialdemokratie allmählich
eine nationale Arbeiterreformpartet entwickeln sollte. Man
"arf es hoffen, aber man muß auch das Gegentheil nicht
"nßer Acht lassen. Noch sind schlimme Rückschläge möglich,
^ie Sozialdemokratie, wie sie heute noch ist, bildet eine
Elninente Gefahr für jeden Kulturstaat. Das darf keinen
Augenblick vergessen werden.
„ Der Papst hat dieser Tage eine Anzahl französischer
s^lger empfangen und eine Ansprache an sie durch den
^Eheimsekretär Prinzen von Croy verlesen lassen. In der-
iElben heißt es:
.. Ein besonderer Gedanke hat Euch zu uus hergeführt, der
«HEch^n^^aukei^ü^euwrzli^^ollzoge^

welchen wir die früheren Erklärungen des heiligen Stuhles über
Euer traditionelles Protektorat im Orient be-
stätigthaben. In diesem Gedanken haben sich dieser Pilger-
fahrt die wackeren frommen Arbeiter — die Augustiner-
patres — angeschlossen, sie, die sich um das heilige Land so
wohlverdient machen, wohin sie in regelmäßigen Zwischenräumen
zahlreiche Bußpilger führen, die dort Bittgebete zu Gott empor-
schicken für die katholische Kirche, und Gebete, daß die von uns
getrennten Brüder in deren Schooß zurückkehren mögen. Es war
deßhalb vor mehreren Jahren unser Wunsch, daß ein feierlicher
eucharistischer Kongreß unter dem Vorsitz eines französischen Kar-
dinals in Jerusalem abgehalten werde, wo das große Sakrament,
das göttliche Pfand der Einigung unter den Gläubigen, ein-
gesetzt wurde. Setzet Eure Pilgerfahrten nach dem heiligen
Lande fort!
Diese Angelegenheit mit dem französischen Protektorat
über die Katholiken im Orient bringt den Papst augenscheinlich in
Verlegenheit. Die Orientreise des deutschen Kaisers hat
bei den Franzosen die unangenehme Empfindung wach-
gerufen, es werde das deutsche Ansehen im Morgenlande
steigen und das französische Protektorat über die Katho-
liken im Orient, das schon heute eine Nuß ohne Kern ist,
ganz in die Brüche gehen. Um die Franzosen zu be-
schwichtigen, bestätigte der Papst das französische Protek-
torat in einem Briefe an den Kardinal Langenieux. Auf
eine Beschwerde des preußischen Gesandten hin wurde vom
Vatikan die Erklärung abgegeben, der Papst habe den
Brief nur geschrieben, um die Gemüthserregung der Fran-
zosen etwas zu mildern, denke aber nicht daran, Deutsch-
land zu hindern, das Protektorat über die deutschen Katho-
liken im Orient auszuüben. Diese Entschuldigung des
Vatikans hatte die Franzosen wieder von Neuem erregt
und so bekamen die Pilger eine Erklärung zu Gunsten
Frankreichs. Die schönste Schaukelpolitik!. In Wirklichkeit
liegt, wie aus offiziösen deutschen Verlautbarungen in-
zwischen hervorgegangen ist, die Sache so, daß Deutschland
das Recht, seine Angehörigen im Orient zu beschützen,
schon seit Jahren selbst ausübt und auch fernerhin
selbst ausüben wird. Zum Beweise dafür, daß man in
Berlin in so ernsten Dingen nicht mit sich scherzen und
sich auch von dem Papst nicht foppen läßt, ist der
preußische Gesandte beim Vatikan, HerrOtto
v. Bülow, von seinem Posten abberufen wor-
den. Wenn das bisherige verhältnißmäßig angenehme
Verhältniß zwischey dem Vatikan und Berlin nun gestört
ist, so trägt die Schuld daran die wirklich kindische Doppel-
züngigkeit, die der Vatikan in dieser Angelegenheit gezeigt
Die Abberufung v. Bülow's bedeutet noch nicht
den völligen Abbruch der Beziehungen zum Vatikan, aber
sie ist eine sehr deutliche und entschiedene Mahnung an
die Kurie, sich Preußen—Deutschland gegenüber korrekt zu
benehmen. Herr v. Bülow befindet sich übrigens seit
einiger Zeit in Urlaub.
Deutsches Reich.
— Die Nagelung und Weihe der Fahne für
das 3. Seebataillon hat am Sonntag Vormittag in der
festgesetzten Weise in Potsdam stattgefunden.
— Prinzessin Wilhelm von Baden ist mit ihren
beiden Kindern, der Erbprinzessin von Anhalt und Prinz
Max, am Sonntag in Berlin bezw. Potsdam an-
gekommen. Am Montag traf auch die Braut des Prinzen
Max, die Großfürstin Helene mit ihren Eltern,
dem Großfürsten und der Großfürstin Wladimir, dort
ein, um dann dem Kaiserpaar in Potsdam vorgestellt zu
werden. In Potsdam werden die russischen Herrschaften
vom Kaiser am Bahnhof empfangen.
— Der Großherzog von Baden empfing am
Sonntag Nachmittag in Potsdam den Staatssekretär
von Bülow.

— Als die Gäste des Kaisers werden an derOrient-
fahrt, außer den schon Genannten, aus Süddeutschland
theilnehmen: aus München der Präsident des protestan-
tischen Oberconsistoriums von Schneider, Direktor Frhr.
v. Pechmann und Professor Heyck; aus Stuttgart der
Präsident des evangelischen Oberconsistoriums Frhr. v. Gem-
mingen, Oberconsistorialrath Dr. v. Braun, Generalsuper-
intendent Sandberger und F. Chevalier; aus Karlsruhe
Oberkirchenrath Oehler; aus Freiburg i. B. Geheimrath
v. Krauel; aus Darmstadt Oberconsistorialrath Habicht
und Dr. med Habicht.
— Die Beisetzung der Leiche der Prinzessin Albrecht
von Preußen findet heute, Dienstag, in Camenz in Gegen-
wart des Kaisers statt. Der Berliner Hof hat die Trauer
auf 3 Wochen angelegt.
— Für den nächsten sozialdemokratischen
Parteitag wurde Hannover als Versammlungsort
ausersehen. Die Wahl des Parteivorstandes ergab als
Vorsitzenden Bebel mit 201 Stimmen und Singer 199,
als Sekretäre Auer 202 und Pfannkuch 199, als Kassier
Gerisch 200. Zu Kontrolleuren wurden gewählt: Brühne-
Frankfurt, Raden-Dresden, Könen-Hamburg, Meistcr-Han-
nover, Metzner-Berlin, Oertel-Nürnberg und Frau Zetkin-
Stuttgart.
— Die Franks. Ztg. nennt das Fräulein Dr. Luxen-
burg, die auf dem letzten sozialdemokratischen Parteitag
eine Rolle spielte, eine „kleine, schmächtige, jüdische Dame,
die das Deutsche fließend mit polnischem Accent spricht."
So sieht die Prophetin der „entschiedenen Genossen" aus.
— Von dem Memoirenwcrk des verstorbenen, aber in
der deutschen Geschichte fortlebenden Altreichskanzlers „Ge-
danken und Erinnerungen. Von Otto Fürst
v. Bismarck", werden im November d. I. zwei Bünde
zur Ausgabe gelangen. Dieselben haben folgenden Inhalt:
1. Kap. Bis zum ersten vereinigten Landtag. 2. Kap.
Das Jahr 1848. 3- Kap. Erfurt, Olmütz, Dresden. 4. Kap.
Diplomat. 5. Kap. Krimkrieg, Wochenblattspartei. 6. Kap.
Sanssouci und Koblenz. 7. Kap. Unterwegs zwischen Frank-
furt und Berlin. 8. Kap. Besuch in Paris. 9, Kap. Reisen,
Regentschaft. 10. Kap. St. Petersburg. 11- Kap. Zwsichen-
zustand- 12. Kap. Rückblick auf die peußische Politik. 13. Kap-
Dynastien und Stämme. 14. Kap. Konfliktsministerium.
15. Kap. Die Alvenslebensche Konvention. 16. Kap. Danziger
Episode. 17. Kap. Der Frankfurter Fürstenkongreß. 18. Kap.
König Ludwig II. von Bayern. 19. Kap. Schleswig-Holstein.
20. Kap. Nikolsburg. 21. Kap. Der Norddeutsche Bund.
22. Kap. Die Emser Depesche. 23. Kap. Versailles. 24. Kap.
Kulturkampf. 25. Kap. Bruch mit den Konservativen. 26.
Kap. Jntriguen. 27. Kap. Die Ressorts. 28. Kap. Berliner
Kongreß. 29. Kap. Der Dreibund. 30- Kap. Zukünftige
Politik Rußlands. 31. Kap. Der Staatsrath. 32. Kap.
Kaiser Wilhelm 1. 33. Kap. Kaiser Friedrich.

Baden. L.o. Karlsruhe, 10. Oct. Es herrscht
noch immer eine große Ungewißheit über die Frage, ob
der Badische Landtag in diesem Jahre noch einmal
zusammentritt. Entgegen anderweitigen Meldungen ver-
lautet neuerdings, daß doch eine mehrtägige Sitzung etwa

um dieselbe Zeit zu erwarten ist, wie im Vorjahre; bis
ungefähr in die Mitte des November ist über die Räume
bereits verfügt. Am 17. October findet die Finanz-
assistentenprüfung und am 7. November die Aktuarprüfung
in den Abtheilungszimmern statt und am 24. October tagt
im Plenarsaale die jüdische Generalsynode. Daß ein Zu-
sammentritt wünschenswerth ist, ergibt sich aus der Zu-
sammensetzung der Justizkommission, die durch die Beförde-
rung der Herren Landgerichtspräsident Fieser und Mini-
sterialrath Straub ihren Vorsitzenden und ein Mitglied
verloren hat. Das Plenum wird sich nach einigen Sitzungen

wieder vertagen, die Kommission aber wird dann zusammen-

Nur frisch gewagt.
Eine heitere Garnisongeschichte von Hugo Dinkelberg.
(Fortsetzung.)
_ Auf dem einsamen Gute zu bleiben, kehagte aber dem
fifUen Besitzer nicht. Sein Sinnen und Trachten war von
fugend auf die Musik gewesen, ihretwegen, war er auch wohl
."ast bis zum Predigamtscandidaten gekommen, und hier auf
ein Gute und weithin in der Nachbarschaft hatte er, ganz
Meschen von dem Genuß an Opern und Concerten, Nieman-
En, mit dem er zusammen hätte musiciren oder nut dem er
wcnigstens über Musik hätte sprechen können. So verlieb
.Enn der theologische Besitzer sein Erbgut wieder, welches er
"em Inspektor in den besten Händen wußte, reiste zu-
nach Halle, feierte dort fröhliches Wiedersehen mit
^inen Comnnlitonen, der trauten Burschenkneipe und dem
neipvater, vor allen Dingen aber mit seinem Flügel, welchem
. bei der ersten Freude des Wiedersehens sofort in meister-
Mter Weise Webers Jubel-Ouverture entlockte und reiste
weiter nach unserem Ülanen-Garnisonorte- Gerührt
Men sich die Verwandten in die Arme, Schwager „Max
luchse gute Botschaft," brachte Geld von den letzten Er-
des Gutes. Der Theologe hatte bald darauf in
"Olerstube seines Schwagers den Postsecretär Blechstein
o"? den Mühlenbesitzer und Mehlhändler Weißsand kennen
^wrnt, welche Beide ebenfalls begeisterte Musikfreunde waren
jr-ffEteme spielte vorzüglich Geige und der andere blies vor-
Män H Flöte, — und so war denn zwischen diesen drei
stin, bald eine innige musikalische, harmonisch abge-
Tisik " Freundschaft entstanden, welche, ohne eine gewaltige
fr->> "wonie zu hinterlassen, nach der Ansicht der drei Musik-
besonders aber unseres Theologen, eigentlich gar
sein- '"Ehr zu lösen war. Der Schwager ließ sich aus Halle
wcrthvollen Flügel kommen, welchen er bei seiner
Anwesenheit daselbst bis auf die letzte Mark baar be-
es n "un wurde allabendlich tüchtig musicirt,
wurde fleißig geübt, einer suchte es dem anderen zuvor

zu thun, und so schuf das Freundestrio bald Vorträge, wie
man sie oft in Concerten großer Städte nicht besser zu hören
pflegt. Zu diesen Vorträgen schmuggelte sich bald dieser, bald
jener Musikliebhaber ein, das Trio wurde berühmt, die
Herren Oificiere und achtbarsten Bürger der Stadt baten
darum, den musikalischen Abenden beiwohnen zu dürfen, das
Zimmer, welches der Wirth des Hauses zu denselben in der
ersten Etage eingerichtet hatte, wurde für die Gesellschaft zu
klein, und da war der Theologe auf den gescheuten Einfall
gekommen, den neben dem kleinen Hofe gelegenen Niederlags-
schuppen zu einem Gesellschaftssalon umbauen zu lassen. Um
das Kopsschütteln seines Verwandten kümmerte sich der
Unternehmer nicht, er berief Zimmerleute und Maurer,
Maler, Tapezierer, Schlosser und Tischler, und in wenigen
Monaten war das Local fertig gestellt, welches für ungefähr
fünfzig Personen Platz bot.
Die Eröffnung und feierliche Einweihung dieses Salons
gestaltete sich zu einem Jubelfeste. Sämmtliche Officiere der
Garnison, den gestrengen Herrn Obersten nicht ausgeschlossen,
der Bürgermeister und mehrere Hochweise Räthe der Stadt,
einige behäbige Rentiers, ein Baumeister und ein Bauführer,
welche zur Zeit bei dem Baue der Eisenbahn beschäftigt
waren, die in Zukunft auch unsere Garnisonstadt mit den
benachbarten größeren Städten verbinden sollte, und einige
Herren aus der Nachbarschaft waren zur feierlichen Ein-
weihung versammelt, und der Held des Tages war der theo-
logische rittergutsbesitzerliche Claviervirtuose, welcher sich
nicht allein seiner Kunst, sondern auch seines schlichten, biedern,
immer fröhlichen und liebenswürdigen Wesens wegen die
herzliche Zuneigung aller Herren der Gesellschaft erworben
hatte und welcher heute als ihr Schöpfer hoch gepriesen
wurde. Er selbst war auch von Glück und Freude erfüllt
und gab diesen Gefühlen in begeisterten Worten einen so be-
redten Ausdruck, daß er selbst ganz erstaunt war, ein solches
Rednertalent zu besitzen, welches ihn unbedingt über viele
seiner ehemahligen Collegen der Theologie erhoben haben
würde, wenn er es eben an einem anderen Orte zur Geltung
gebracht hätte. Einem Hoch auf die edle Musika folgte ein

anderes auf die Gesellschaft und ein drittes auf ihren Be-
gründer.
Dann beantragte der stets joviale Graf von Reuthern,
damals noch Rittmeister, dem Local und der Gesellschaft ei-
nen Namen zu geben, aber einen solchen, der nicht für das
Philisterthum da draußen, sondern nur für die lieben Stamm-
gäste berechnet sei, und schlug als solchen Namen den des
Gründers vor, aber nicht etwa seinen prosaischen Familien-
oder Vornamen Max, sondern wie ihn — er habe das ein-
mal erlauscht — seine Schwester zu nennen pflege, wie er
als Knäblein gerufen worden sei und wie ihn auch seine
Studiengenossen in Göttingen und Halle genannt hätten:
„Matze!" Und jubelnd wurde von allen Seiten mit ein-
gestimmt, alles Sträuben half dem unfreiwilligen Namen-
spender nichts, ein vivat, orssoat, llorsat Llat^s! wurde ihm
und der Gesellschaft ausgebracht, und damit war diese ein
für allemal unwiderruflich getauft. „Nur," bat schließlich
noch der Theologe, „möchte ich die Herren ersuchen, diesen
Namen für sich zu behalten und nicht an die große Glocke
zu schlagen. Die Spießbürger und Philister da draußen
brauchen meinen Spitznamen nicht zu wissen, und wehe dem
unter ihnen, welcher es einmal wagen sollte, mich so zu
nennen!" Und die Bitte des neuen Gesellschaftsdirectors
wurde allseitig respcctirt, der Name „Motze" wurde als ge-
heimes Losungswort in Ehren gehalten.
(Fortsetzung folgt.)
Stadttheater.
xlH Heidelberg, 11. October.
„Zar und Zimmermann", komische Oper von Albert
L o r tz i n g.
Was wäre das Repertoire unserer Oper, das sich ja in einem
ziemlich engen Kreis bewegen muß, ohne Lortzing? Und immer
bewährt er sich als sicherer, zuverlässiger Mitarbeiter.
Die unverwüstliche komische Oper von vorgestern, in der sich
Gemüth und Humor so hübsch vermählt haben, stellt neben der
„Undine" größere scenische Anforderungen, als es sonst Lortzing's
 
Annotationen