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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 254 (1. Oktober 1898 - 31. Oktober 1898)
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Bismarck unter außergewöhnlicher Lheilnahme veran-,!
staltet. Zugegen waren auch der Prinz Lichnowsky und
Baron Romberg von der deutschen Botschaft in Wien, so-
wie Freiherr v. Stumm. Pfarrer v. Zimmermann hielt
eine ergreifende, meisterhafte Gedenkrede. Die Feier wurde
mit einem Vortrag des Waldhornquartetts der Wiener
Hofoper eingeleitet.
Pest, 12. October. In der Ortschaft Lepseny im
Veszpremer Comitat riefen gestern betrunkene So-
zialisten Raufereien hervor und versuchten den ein-
schreitenden Gendarmen die Gewehre zu entreißen. Ein
Gendarm schoß, verwundete einen der Ruhestörer schwer
und tödtete ein hinter ihm stehendes kleines Mädchen.
Mehrere Personen wurden verhaftet.
Frankreich. Paris, 12. October. Die Präsidenten
des Stadt- und Generalrathes begaben sich heute Vormit-
tag znm Handelsminister, um ihm die Forderungen
der Ausständigen hinsichtlich der Ausstellungsarbeiten
auseinanderzusetzen. Der Minister erwiderte ihnen, trotz
seines Wunsches, den Ausstand beendet zu sehen, könne er
zur Zeit nichts thun. Die Ausstellungsarbeiten seien üb-
rigens genügend weit fortgeschritten, daß man das Ende
des Ausstandes abwarten könne, ohne den Erfolg der
Ausstellung zu beeinträchtigen. — Wie es heißt, ist in
der gestrigen geheimen Sitzung des Vorstandes des Syndi-
cats der Eisenbahnarbeiter keine Einigung in der Frage
des allgemeinen Ausstandes erzielt worden. 15 Mitglieder
sollen dafür, ebenso viel dagegen gestimmt haben. — Die
Wiederaufnahme der Arbeit hat am heutigen Tage
in verstärktem Matze stattgefunden. Die Zahl der
Arbeitenden beläuft sich bereits wieder auf etwa 6000.
Die Erdarbeiter, Abreißer und Auslader hielten heute
Versammlungen ab, die noch weniger besucht waren, als die
gestrigen. Sie nahmen die Tagesordnungen an, in denen
beschlossen wurde, die Streikbrecher auf eine schwarze Liste
zu setzen. Andere Beschlüsse sprachen sich für die Fortsetzung
des Ausstandes aus. Die Schreiner, die die zahlreichsten
sind, traten auch am erbittertsten für die Strikcsortsetzung
ein, die sie einstimmig beschlossen. Ein Delegirter der
Erdarbeiter erklärte in dieser Versammlung, sein Gewerk-
verein sei des Kampfes müde. — Eine Abordnung der Aus-
ständigen begab sich heute zum Handelsminister und zum Bauten-
minister und ersuchte diese um Maßnahmen, um die Stadt Paris
zur Uebernahme der Arbeiten zu bewegen, soweit die Arbeiten
diesen beiden Ministerien unterstehen. Der Bautenminister wies
die gestellten Forderungen zurück, drückte aber zugleich den
Streikenden seine Sympathie aus; er könnte, sagte er, auf
die Gesellschaften nicht einwirken, da sie durch Verträge
mit den Unternehmern gebunden seien. Der Handels-
minister entgegnete weiter, die letzten Nachrichten über die
Abnahme des Ausstandes seien so befriedigend und die
Arbeiter so nachgiebig, daß kein Grund zur Beunruhigung
vorliege und ein Eingreifen unnöihig erscheine.
Türkei. Konstantinopel, 12. Oct. An der zu
Ehren des deutschen Kaisers geplanten Truppen-
schau auf dem Exerzirplatz am Mldispalast werden theil-
nehmen eine combinirte Infanteriedivision, bestehend aus
12 Jnfanteriebataillonen, 2 syrischen und 2 albanesischen
Zuavenbataillonen, 4 Kavallerieregimenter und 3 Feld-
batterieen. Das Kommando über die Truppen wird der
Commandeur der 2. Gardedivision, Marschall Schefket Pascha,
führen. Die Einübung der Truppen zur Truppenschau
findet schon seit einigen Wochen statt; es wurde schon zwei-
mal Parade vor dem Sultan gehalten. Sämmtliche an
der Parade betheiligten Truppen werden neu ausgestattet.
und Innigkeit ihrer' Sprache. Die Grazie der Haltung, die Un-
gebundenheit der Bewegung wird für sie in dem modernen Stück
noch mehr als im klassischen auzustreben sein. Die innige, über-
zeugende Liebe, die Christine im ersten Akte in den Augen des
Zuschauers über das erhebt, als was sie im Grunde in
dieser Umgebung so leicht erscheinen mußte, sprach aus ihr mit
einer erwärmenden Echtheit. Sobald sich die Rolle dem Tragi-
schen nähert, nähert sich Frl. Heinrich ihrer eigentlichen Bestim-
mung. Mit dem Affekte wuchs sie in wirklicher erstaunlicher
Weise; die große Leidenschaft der Katastrophe wirkte schon so
reif, so fertig, daß mau einen tiefen und bedeutenden Eindruck
von ihrer Leistung mitnahm.
Das Wiener Kolorit in der dialektischen Färbung war bei
der Aufführung nicht so intensiv aufgetragen, wie man es gerade
hier erwartet hätte. Scharf ausgeprägt erschien es nur bei der
Mizi des Frl. Hoheneck. Die hübsche Erscheinung der jungen
Dame schafft ihr schon halb gewonnenes Spiel. Es war auch
ganz allerliebst, wie die kleine Wiener Grisette so gelassen-
ungeschminkt sich durch das Stück plauderte. Ein bischen mehr
fescher Impuls, eine wenig mehr geriebene Dreistigkeit hätte der
Rolle freilich wirksame Nuancen schaffen können.
Mit Herrn Göbel, wie er sich ausgewachsen und wie er
den Fritz spielte, kann man sehr zufrieden kein. Er gab das
aktive Opfer der Liebelei sehr sympathisch — zu sympathisch.
Fritz hat eine Dosis Empfindung mitbekommen, der Lebens-
abschied läßt ihn sentimental werden — Herr Göbel ging einen
Schritt weiter, zu weit, er zeigte uns einen jungen Faust im
Jaquet, da er sein Grethchen gefunden.
Wenn dieser Fritz nicht wienert, so vermißt man das nicht
sehr. Aber Franz muß ein Wiener Kind sein, das seine Mutter-
sprache spricht. Der richtige Geburtsschein war aber auch das
Einzige, was dem talentvollen Herrn Blank in den beiden
ersten Akten fehlte. Sonst vertrat er das leichte, leichtfertige,
gutmüthig-blasirte Element sehr amüsant. In der Episodenrolle
der Gevalter-Strumpfwtrkerin bewies Frl. Stern au gute Ge-
staltungsgabc, die sich nur freier und natürlicher geben dürfte.
Das zahlreiche Publikum verschloß sich nicht dem eigenartigen,
unleugbaren Reiz des echt-modernen, die, vielfach anfechtbare,
aber zweifellos interessante Poesie von heute repräsentirenden
Stückes. Besonders Frl. Heinrich wurde mit reichem, verdientem
Beifall bedacht.
„Schauspiel hat Schnitzler seine Bühnenarbeit genannt, und
damit zu viel gesagt. „Dramatische Skizze" wäre die richtige
Bezeichnung. In dem Skizzenhaften, das in der „Liebelei" ge-
radezu vorbildlich sich zeigt, liegt eben das Wesen der jüngsten
Kunst. Die ältere Richtung verlangte klare Prägung in Gestalt,
Wort und That- Die Neigung von heute — des Zeitalters der
Ungeduld und des raschen Erfassens — wirft flüchtig hin, spielt
„flott" mit dem Gedanken, will aus Farbe, Ton, aus der „Stim-
mung" errathen sein. Was kümmert die Jungen der Gegenstand,
den sie sehen! Wie sie ihn sehen, ist ihnen nur interessant.
Die Welt war einst überrascht, als Schiller, Göthe, Jffland
die Tragik des Lebens anderswo, als in Palästen und auf den
Schlachtfeldern entdeckten, die ewig fortschreitende Zeit wird nicht
erstauntjsein, wenn die dichtenden Forscher sich auf der Suche nach
ihr in die Hinterhäuser und obersten Stockwerke versteigen.

Eine besondere Aufmerksamkeit für den Kaiser bildet die
neue Uniform der albanesischen Zuaven, die in den deut-
schen Farben schwarz-weiß-roth gehalten ist.
Konstantinopel, 12. Oct. Die Generäle Osman
Nuri und Sabit Pascha erhielten den Befehl, sich nach
Kreta zu begeben, um die nöthigen Vorbereitungen für
die Räumung zu treffen.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 13. October.
X Aus dem Stadtrath. In den Stadtrathssitzungen
vom 10. und 12. d. M. wurden u. A. folgende Gegenstände
zur Kenntniß bezw. Erledigung gebracht:
1) Das Ergebniß der Kastanienversteigerung vom 7. d. M.
mit einem Erlös von 130 Mk. wurde genehmigt.
2) Im Benehmen mit den übrigen größeren Städten des
Landes sollen Schritte wegen Aufhebung des Verbotes der Ein-
fuhr von Schweinen aus Frankreich und Holland geschehen.
3) In der Helmholtzstraße soll noch im Laufe dieses Jahres
ein öffentlicher Kanal hergestellt werden.
4) Das Bauvorhaben des Wirths Friedrich Hochschwender,
Schloßberg Nr. 7, wird hinsichtlich der gewählten Bauflucht nicht
beanstandet.
5) Folgende Vorlagen an den Bürgerausschuß wurden fest-
gestellt:
a. Verkündung der Rechnungen der städt. Kassen für 1897;
b. Bauausführungen im Theater;
o. Bewilligung eines Unterstützungsgehaltes für die Hinter-
bliebenen des Kapellmeisters C Zschoppe;
ä. die Höhe des Zinsfußes der Einlageguthaben zur städti-
schen Sparkasse, sowie den Beginn ihrer Verzinsung betr.
O Cirkus Lorch. In den letzten Tagen kündigte sich der
Cirkus Lorch an und versprach, das Publikum mit nur ersten
Kräften zu unterhalten. Nach dem nun, was man gestern in der
Eröffnungsvorstellung sah, muß man sagen, daß der Cirkus in
der That sowohl durch seine Künstler als auch durch seinen wohl-
ausgerüsteten Marstall, den man ja Gelegenheit halte, zu besich-
tigen, seine Versprechungen nicht nur erreicht, sondern sogar noch
übertrifft. Von dem reichhaltigen Programm wurden gestern
durchweg alle Nummern glänzend ausgeführt und viele erwiesen
sich als wirklich hervorragende Leistungen. Da ist, um dem
Programm zu folgen, zuerst eine Voltige a la Richard, geritten
von Herrn Paulini, zu nennen, die dem Reiter reichen Beifall
eintrug; dann fernerhin Arr und Ao», die lustigen Chinesen, die
die Lachmuskeln der Zuschauer stark zu reizen wußten. Jynen
folgte Fräulein Helene mit ausgezeichneten Leistungen als
Parforcereiterin. Clown Bimbo zeigte dann seinen Humor und
seine Schlauheit in erstaunlichen Zaubereien. Herr Direktor
Lorch führte verschiedene in Freiheit dressirte Pferde vor. Es
ist doch wirklich viel, ein vernunftloses Thier so zu dressiren, daß
es solche Bewegungen ausführt. Dem Herrn Direktor gebührt
daher alle Anerkennung. Reicher Beifall belohnte ihn denn auch
für seine Arbeit. Um wieder Heiterkeit in den Cirkus zu bringen,
ließen sich tbs tvo Byrons, zwei musikalische Clows, sehen und
hören unter Ablösung von Clown Bimbo, der es mit seinem
Stammesgenosseu, den: dummen August, trefflich verstand, die
Zwischenpausen zu kürzen. Hervorragendes bot auch die nächste
Nummer, das Auftreten des Saltomortale-Reiiers Mons. Maurice.
Nett und doch großartig in ihrer Weise war die nächste Num-
mer. Kommen da auf einmal die 6 Geschwister Lorch
in der Kleidung der spanischen Stierkämpfer mit 3 Ponnys und
verschiedenen Geräthschaften und fangen an wirklich schwierige
Luftsprünge zu machen. Nachdem eine imposante Gruppe ge-
bildet worden war, traten drei ab, während der eine der übrigen
mit Hilfe eines über seine Füße gelegten Balkens die beiden
anderen Karoussel fahren ließ. Es folgte nun eine Pause, wäh-
rend der man Gelegenheit hatte, den Marstall zu besichtigen.
Bewundernd ließ man hier den Blick auf manchem edeln Thiere
ruhen und man kann nur sagen, daß dem Cirkus das beste
Pferdematerial zur Verfügung steht. Die Leistungen der Frdres
Godord, die nun folgten, waren ganz erstaunlich; es waren hals-
brecherische, zum Thetl auch schwierige Kraftübungen, die die 3
Gebrüder aber mit Leichtigkeit ausfühlten. Glatt und elegant
führte auch die Parforce-Reiterin Signorita Theresita ihre
Hebungen aus, besonders einen Sprung durch einen ungefähr 3
Meter langen Cylinder. Nach einer erheiternden Scene folgte
dann Herr Harry Althoff als Jockey-Reiter. Frei vom Boden
: weg spring^ er auf das ungesattelte Pferd entweder zum Sitz
oder zum 'stand auf zwei oder einem Bein. Nachdem man sich
i dann noch an den Leistungen des Trio-Jackson ergötzt hatte,
1—
Ein Lichtstrahl Poesie, der durch das Dachfenster hereinfällt,
kann ebenso zauberhaft vergolden, wie einer der den Weg, durch
Palast- und Ktrchenfenster gefunden.
Die Hauptsache ist, daß jenes Etwas in der Atmosphäre
schwebt, webt, was die Poesie ausmacht.
Bei den Alten war es oft zu greifbar, bei den Jungen ist
es meist zu verflüchtigt — auch hier wird die Zeit die richtige,
weise Mischung wieder herbeiführen.
Schnitzlers „Liebelei" birgt ihren eigenen Zauber, der freilich
weit schwerer zu definiren, zu präzisireu ist, als man den herr-
lichen Goldgehalt etwa von „Kabale und Liebe" auf seinen
Werth zu schätzen vermag. Er liegt in der Luft, summt in der
Luft. Er klingt heraus aus ein paar Takten der „Burgmusik,"
die angeschlagen werden, aus der Lebenslust, die beim bloßen
Wort „Stallehner" auslacht, blickt herein mit dem Stückchen
Kahlenverg, das über die Dächer in Christinens Zimmer hinein-
schaut ; der Fliederduft einer einzigen Blüthentraube trägt ihn her-
ein nus dem friedlichen Garten „an der Linie", wo am Tage
die Kinder in der Sonne spielen, und am Abend die Paare im
Mondschein sich küssen.
Die dramatische Skizze zieht vorüber wie ein Wiener Walzer.
Lebensdurst, sinnliche Lebensfreude, vermischt mit Wehmuth,
mit einer tiefen Melancholie die bis zum Verhauchen
im Vergehen doch den Dreiviertelstakt eines sorglosen „oarps
äism" heibehält, huschen vorbei.
Es geht sehr wenig vor bei Schnitzler, während sich eine
große Doppeltragödie abspielt. Was ist es auch schließlich? Ein
junger Mann, der wegen Liebeshändel im Duell fällt, reicht sonst
gerade aus für eine Zeitungsnotiz, und ein kleinbürgerliches
Mädel, das mit gebrochenem Herzen ins Wasser geht, figurirt
höchstens unter den „Kleinen Mittheilungen", lind doch können
sie sich zu einem ergreifenden Drama verbinden.
Die behagliche Garyonwohnung Fritz Lobheimers, die sich uns
erschließt, hat wohl vordem häufig eine Dame erblickt, die ver-
schleiert kam und verschleiert ging. Es war natürlich — man
schreibt „Wien 1897" — die Frau eines Andern. Dieser An-
dere mußte nun aber eine Ahnung haben, — das weiß man,
das fühlt man. Es lauert Jemand auf der Straße, wenn ihn
auch Keiner gesehen. Wenn die Klingel ertönt, fürchtet man,
daß ein Unberufener kommt. Diese dumpfe Furcht liegt auf der
Garxonwohnung, in der es heute trotzdem lustig Hergehen soll.
Der junge Lebemann, der Geliebte jener Frau, besitzt einen
außerordentlich liebenswürdigen, praktischen Freund, Wiener
vom Scheitel bis zur Zehe: Theodor Kaiser. Dieser das Pro-
totyp des angenehmen Lehensbummlers, haßt solche Dramen und
sucht den Freund von dem Abgrund der Sentimentalität wegzu-
reißen mit dem praktischsten Mittel: einem netten, angenehmen
Verhältniß auf Kündigung und ohne jedes Obligo. Dank seiner
Routine und derjenigen seiner derzeitigen Freundin Mizi ist es
dem sorglosen Theodor gelungen, dem Freund zur Liebelei
Christine, die Tochter eines Violinspielers vom Josephstädter
Orchester, in die Arme zu führen.
Die beiden Mädels kommen heute, nm mit den Herren, etwas
im Styl der Wiener Bohsme, zu soupiren.
Theodors Berechnung hat nur zwei Factoren übersehen. Fritz

krankt an Etwas, was in seinen Kreisen (und in unserm gaGf?
modernen Leben) ein wahrer Fluch ist, an einer Dosts Ge««!i
Christine aber hat noch etwas Verderblicheres mitgebracht,./"
armes, altmodisches Franenherz, das, wenn auch ohne JlluM'
aufgeht in seiner ersten Liebe wie in einer erschöpfenden Erfüll"«"
Sie ist eben nicht vom Schlage der Mizi Schlager, die es
mal ordentlich „gebeutelt" hat und die nun ohne sonderliche N-
regung von einer Liebesstation zur anderen kutschirt, ohne p
fragen „wie weit bis wieder zur nächsten?" oder „wie lang
Aufenthalts" Sie und ihr fescher Theodor sind das graE
gutmüthige Wiener Element des Abends, Fritz und Chnst"1
verstricken sich während des Soupers (mit Blumenregen ""
Cröme-Torte, mit Burgmusik und Wiener Walzer) aus der
belei immer tiefer in die Liebe. Und draußen lauert das Sw«'
sal und reißt an der Klingel. ,
Es ist nur ein Herr, in Schwarz, Einer, der den VerfUfti
seines Weibes aufsucht und ihn, den Zerstörer des Glückes
Glück mit anderen Weibern findet.
Also ist es da! Morgen wird das Gefürchtete kommen, ft-
Mädels dürfen es nicht wissen, doch Christine ahnt, empfind«-
dumpf. Die lustige Gesellschaft zieht davon, von der Straf
erklingt ein übermüthiges Abschiedswort Mizis und pfeift
seinen „Doppeladler", die beide mit dem Mailüfterl verwehr-
drinnen bleibt das Verhängniß, die Todesahnung zurück. ,,,
Es ist nicht des Musikers Miller Haus, wohin der
Akt uns führt. Er heißt Weyring, der Vater, aber er ist d"ft
ein Enkel des alten Miller, das hat Schnitzler offenbar auch f-
nicht verhüllen wollen. Aber ganz so lieb hat Weyring sein
und ganz so blutenden Herzens gönnt er ihr ihre Liebe, wenn
ihr auch den Fritz so wenig „geben kann", wie der alte Mw
feiner Luise den Major. Eine rührende Gestalt! Seine « "
einst junge Schwester hat er „vor Allem bewahrt, auch vor d
Glück" — sein armes Kind mag denn wenigstens vor jener o
„bischen Erinnerung" voraus haben.
Zum ersten Male kommt Fritz hierher, und jetzt, da es .
Abschied gilt, merkt er, daß er in dieser Liebelet den Anscm
an das Glück hätte finden können.
Die günstige Wirkung steigerte sich in diesem Akte, wenn an
in ihm „die Stimmung" immer noch nicht getroffen war.
Mit dem dritten Akte, der die scharfe, schreiende Katas»««
bringt, stellte sie sich endlich ein.
Fritz ist im Duell erschossen worden. Man hat gar "
daran gedacht, Christine zu benachrichtigen. Er ist sogar I«
begraben, wenn sie endlich von den zögernden Freunden
Wahrheit erfährt. Er hat auf dem Weg zum Tod „auch .»j
ihr gesprochen. „Auch" von ihr! Um einer Anderen willen!»
er, man theilt es fchließlich „auch" dem Mädel mit, mit de«
eine Liebelei gehabt, und das Alles, worin mit einmal ihr -e
aufgegangen war, wie mit einem höhnenden Fußtritt zertreten Nft
Es ist mehr ein gellender Hohn als Verzweiflung, ein
über die soziale Moral, was Christine emporreißt und davon»« .
„Sie wird nicht wiederkommen!" schluchzt der alte Mann
bricht zusammen. I"-

führte Frau Direktor Ottilie Lorch dem Publikum im kleidsamen
Tscherkessenkostüm „die hohe Schule", im Herrensattel geritten,
vor. Die Frau Direktor imponirte durch die Ruhe und Eleganz,
mit der sie im Sattel saß und das Pferd in seinen erstaunlichen
Leistungen vorführte. Zum Schluß zeigte sich Herr Beno al«
Csickos der Pusta. Mit je einem Bein auf einem Pferd stehend,
voraus noch 4 kleinere Pferdchen, so jagte er durch den Cirkus.
Reicher wohlverdienter Beifall belohnte jeden Künstler für se»»
Leistungen. Sehr angenehm empfand man es, daß der Cirkus g«
heizt war. Für das leibliche Wohl ist durch ein Büffet gesorgt-
Der Cirkus, der im elektrischen Lichte erstrahlt, macht einen c««
posonten Eindruck. Die Eröffnungsvorstellung war sehr st"»
besucht, sodaß also nicht nur das Publikum, sondern auch d»
Direktoren des Instituts zufrieden sein durften.
* Neue Diemerei. Man schreibt uns: In einer Notiz vo«
Montag finden sich die Namen „Karg und Kügler", aber ,,Kö««
ler und Karch" heißen die Architekten aus Mannheim, wela»
den Entwurf zur Neuen Diemerei gemacht und auch die Bau«
leitung übernommen hatten. Beide erfreuen sich in Bezug am
bauliche Entwürfe des besten Rufes und haben erst vor Kurze«
bei der Konkurrenz zum Börsengebäude in Mannheim den erste"
Preis, sowie die Ausführung übertragen bekommen. Karch «
geborener Neuenheimer. , ,
----- Polizeibericht. Ein Hansbursche in einer hiesigen Wir«'
schäft kam wegen Körperverletzung zur Anzeige. Derselbe h«
einen Arbeiter derart am Kopfe verletzt, daß sich der Verletz»
im Akadem. Krankenhause verbinden lassen mußte.
Weinheim, 11.Oct- In dem benachbarten HohensaÄ 1's"
wurde am letzten Sonntag die „Nachkirchweihe" gefeiert. (Kirch«
weihe allein genügt nicht mehr, auch der nächste Sonntag «"d
noch als Nachkirchweihe benützt werden). Nachdem bis in d»
Mitternacht hinein gezecht war, geriethen auf dem Heimwe«
einige junge Burschen in Streit, wobei das Messer seine traurrgs
Rolle spielte. Ein Bursche wurde so schwer verletzt, daß noch «
der Nacht der Arzt gerufen werden mußte. Als der Thät»
durch die Gendarmerie verhaftet werden sollte, stürzte er st«
aus dem Speicherladen herab, um zu entfliehen. Er fiel dab«
so unglücklich, daß er heute noch in Lebensgefahr schwebt.
-p Mannheim, 12. Oct. (Schwurgericht.)
8. Fall. Angeklagt sind der 27 Jahre alte Landwirth
Beck und dessen 25 Jahre alte Schwester Elisabetha Beck vo"
Lohrbach wegen gemeinschaftlich verübten Todtschlags. Eft
handelt sich um die Beseitigung des unehelichen Kindes d»
Elisabetha Beck. Karl Beck nahm es zu sich ins Bett, erstick»
es und vergrub es im Garten. Als mau im Garten wegen
stohlcuer S achen nachsah, fand man die Leiche und so kam d»
Sache ans Tageslicht. Die Geschworenen erklärten den A"'
geklagten Karl Beck für schuldig unter Zubilligung mildernd«
Umstände, seine Schwester für nichtschuldig. Das llrthcil laute»
hierauf gegen Karl Beck auf eine Gefängnisstrafe von 3 Iah»"
10 Monaten, abzüglich 8 Monate der Untersuchungshaft, «ft
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Elisabetha Beck wurde
sreigefprochen.
9. Fall. Am 7. April d. I. war das Kilmoterheft des «
Heidelberg wohnenden 29 Jahre alten Kaufmanns Gust«
Nutzinger von Mosbach abgelaufen, als Nutzinger wahrncuM
daß er noch beinahe 100 Km. noch nicht abgefahren hatte,
überlegter Weise änderte der Mann das Datum so, daß
dem 7. April ein 17. wurde, desgleichen fälschte er das Datu"
der Ausstellung und des Stationsstempels und fuhr dann «ft
den ihm gutgebliebenen Kilometern ab bis auf 986. Er soll da«
durch unberechtigter Weise den Bahnfiskus um 2 50 E
schädigt haben. Bei der Abfertigung wurde die Fälschung ««
wahrgenommeu, wohl aber als Nutzinger das Heft zurückgab, u«
den Rabatt von 1 sich ausfolgen zu lassen. Heute stand -
wegen Fälschung einer öffentlichen Urkunde vor den Geschwo»«"-
Der V-rtheidiger wollte das Kilometerheft nur als PrM«'
urkunde gelten lassen und ließ eine Schuldfrage in diesem Si"ft
stellen, evenso eine weitere nach Betrug. Die Geschworenen e»
klärten den Angeklagten schuldig im Sinne der Anklage und N'
jahten die Frage der mildernden Umstände, worauf das GeE
auf eine Gefänguißstrafe von 5 Monaten, abzüglich eine Wo"»
Untersuchungshaft, erkannte. „
10. Fall. Der 68 Jahre alte Taglöhner Peter L a Y er ""
Brombach ließ sich mit der 57 Jahre alten Geisteskranken An"-
Nadler, der Schwester seines Arbeitgebers, die, wie Layer, «
diesem wohnte, in verbotenen Verkehr ein. Layer wurde des-
halb auf Grund des 8 176 Ziff. 2 R.-Str.-G.-B. unter AnklE
gestellt. Die Geschworenen bejahten die Schuldfrage und °'
willigten mildernde Umstände, worauf das Gericht gegen LE
auf eine Gefänguißstrafe von 7 Monaten, abzüglich 2 WE
Untersuchungshaft, erkannte.
 
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