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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 255 - 280 (1. November 1898 - 30. November 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0574

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** Das Adreßbuch der hiesigen Universität für das Winter-
halbjahr 1898/99 ist soeben im Verlage der Universitätsbuchhand-
lung von Karl Groos erschienen. Ueber den Besnch der Uni-
versität wurde schon in einer der letzten Nummern d. Bl. berichtet.
Unter dm dem Großherzogthum Baden nicht angehörenden
immatrikulirten Studirenden befinden sich 327 Preußen, 63 Bayern,
45 Hessen, 27 Sachsen (aus dem Königreich), 18 Württemberger,
17 Mecklenburg-Schweriner; die übrigen deutschen Länder sind
fast alle mit kleineren Zahlen vertreten. Aus Oesterreich-Ungarn
besuchen 26 Cis- und 5 Transleithanier die hiesige Universität;
ferner sind aus außerdentschen Ländern zu verzeichnen 43 Russen,
17 Schweizer, 16 aus Großbritannien (15 Engländer, 1 Irländer),
16 aus den Vereinigten Staaten, 9 Franzosen; weiter sind in
kleinerer Zahl vorhanden Studirende aus Bulgarien, Griechenland,
Luxemburg, Montenegro, den Niederlanden, Rumänien, Serbien,
der Türkei, Java», Indien und Chile. Der engere Senat be-
steht aus dem Prorektor, Geh. Hofrath Kehrer, dem Exvrorektor,
Geh. Rath G. Meyer, den Dekanen der fünf Fakultäten, nämlich
Prof. Tröltsch (theol.Fak), Prof. v. Lilienthal (jur. F.), Geh. Rath
Leber (med. F.), Prof. Schäfer (philos. F.), Geh. Hofrath Pfitzer
(naturw.-math. F.) und aus den Professoren Oslhoff und
Valentiner. Beisitzer in Disciplinarsachen ist Amtmann Dr.
Arnsperger.
* Bergbahn. Laut Bekanntmachung der Direktion in vor-
liegender Nr. der Heidelb. Ztg. wird der Betrieb von morgen an
bis auf Weiteres eingestellt.
Berichtigung. In der Schöffengerichtssitzung vom 14. ds.
wurde L. Sommer nicht zu 20, sondern nur zu 5 Geldstrafe
und zu ein Sechstel der Kosten wegen Beleidigung verurtheilt.
— Polizeibericht. Ein 17 Jahre alter Zwangszögling, der
aus der Ansialt entlaufen war, wurde dahier aufgegriffen und ver-
haftet. Fünf junge Leute kamen wegen Unfugs zur Anzeige.
j!f Neckargemünd, 28. Nov. Der heurige Katharinen-
markt (Bohrermarkt) war bei günstigem Wetter sehr belebt.
Viele Beiucher stellten sich ein und mau nahm auf allen Markt-
plätzen einen lebhaften Verkehr wahr. Rur der sonst stark befah-
rene in der Frühe abgehaltene Hanfmarkt war dieses Jahr herab-
gedrückt; große Nachfrage und keine Waare. Das Wenige, das
angeboten wurde, war im Jin abgesetzt und gut bezahlt worden.
Wie man hört, soll dieses Handelgewächs in diesem Jahr nicht
gerathen sein. Was den Bohrermarkt anbetrifft, so konnte man
beim Besuch der Wirlhschaftm beobachten, daß ein Jeder sein
Bohrerchen hatte und suchte es mitunter zu einem Bohrer zu ge-
stalten mit passender Spitze. Der geneigte Leser versteht uns
schon. Im großen Ganzen hat man übrigens den Eindruck be-
kommen, daß dieser berüqmte Markt gegenüber den früheren ab-
genommen hat.
ff Dossenheim, 29. Nov. Heute Abend ist dahier ein ver-
heiratheter Arbeiter im Alter von nahezu 40 Jabren bei der
Arbeit auf dem Dache des neuen Porphyrwerkes a b g e st ü r z t
und war sofort todt. Ec wurde in die Leichenhalle des Fried-
hofes verbracht. Der Verunglückte hinterläßt eine Familie von
7 oder 8 unversorgten Kindern.
Sinsheim, 28. Nov. Seit acht Tagen wird die hiesige Be-
völkerung durch nächtliche Einbruch diebstähle verwegenster
Art beunruhigt. Es vergeht kaum ein Tag, au dem nicht die
Kunde von einem neuen Einbruch oder einem Versuch hierzu
durch die Stadt geht. Der Dieb, in dem man gleich zu Anfang
einen der Zwangserziehungsanstalt Flehingen entsprungenen Zög-
ling von hier vermuthete, hat es auf seinen Beutezugen haupt-
sächlich ans Eßwaaren abgesehen, verschmäht aber auch einen sich
darbielenden Trunk nicht. Der allgemeine Wunsch auf Er-
greifung des TyäterS wäre, nach dem Landboten, gestern Abend
beinahe erfüllt worden. Als derselbe nämlich nach 8 Uhr in das
Emaillirwerk (zum zweitenmal seit voriger Woche) eindringen
wollte, wurde er vom Besitzer ertappt und Nur durch schleunige
Flucht durch die Fluthen dec Elsenz entging er seinem Schicksale,
dem er sich doch wohl nur auf heute oder morgen noch entziehen
dürste.
— Weinheim, 29. Nov. In Leutershausen wurde am
Sonntag eine Versammlung der Gewerbetreibenden veranstaltet,
behufs Gründung eines Gewerbevereins dortselbst, und steht die
Ausführung zu erwarten.
ff Mannheim, 29. Nov. Vor der hiesigen Strafkammer
wurde heute gegen die Ehefrau des bereits im April ds. Js. in
der bekannten Kohlendtebstahlsaffaire zu 1 Jahr 6 Monaten
Gefängniß verurtheilten Kohlenhändlers Christian Vohwinkel,
Marie, geb. Fischer von Wiesloch, verhandelt. Gegen die Frau
Vohwinkel hatte in dem Hauptprozeß nicht mehr verhandelt
werden können, weil sie infolge eines hochgradigen Nervenleidens
in der Heidelberger Jrrenklinik verweilen mußte. Auch heute ist
sie noch sehr leidend. Die Anklage beschuldigt die Frau, daß sie
bei den von ihrem Manne und dem Vorarbeiter Philipp Grün
gemeinsam verübten Diebstählen von 17 Waggons Kohlen im
Werthe von ca. 3000 Mk. Beihilfe geleistet habe. Das Gericht
erkannte auf 2 Monate Gefängniß.
ff Mannheim, 29. Novbr. In der heutigen Sitzung des
Bürgerausschusses wurde der Antrag des Stadtralhes auf weitere
Ausgestaltung der Berufsfeuerwehr durch Erhöhung
der Zahl der Feuerwehrmänner von 12 auf 24 und Anstellung
eines Brandmeisters, welchem die Leitung und Einübung der
Berufsfeuerwehr obliegt, angenommen. Eine weitere Vor-
lage des Stadtraths betraf die Bewilligung von 5000 für
Herstellung eines künstlerisch ducchgebildtten schmiedeeisernen
Hauptportalabschlusses für das neue Gewerbeschul-
gebäude durch einen hiesigen Meister der Kunstschmiedetechnik.
Dieses kunstgewerbliche Erzeugnis soll einer Anregung des Herr»
Kunstgewerbeschuldirektors Hermann Götz in Karlsruhe ent-
sprechend, auf die Pariser Weltausstellung geschickt werden. Die
Vorlage wurde vom Bürgerausschuß angenommen. Endlich
hatte sich der Bürgerausschuß mit einer Vorlage des Stadlraths
betreffens die Aufhebung des Octrois auf Wild, Geflügel

der Arbeitsamkeit bekannt gemacht wird. Er heißt aber nicht
Max v. Boden und das Stück heißt nicht „Dr. Klans", sondern
er hat jetzt den Namen Freiherr v. Sandorf und das Stück ist
das allerneueste Lustspiel von Blumenthal und Kadelburg.
Wir befinden uns also unter lauter guten Bekannten, die
einem im Lauf der Jahre lieb und vertraut geworden sind und
die man beinahe mit einem Gefühl freudigen Wiedersehens be-
grüßt. Auch die Idee des Stückes, daß die Arbeit der wahre
Lebensinhalt eines Mannes sein soll, berührt nicht besonders
neu und ist so selbstverständlich wie etwa die Weisheit, daß es
gut ist, im Winter wollene Socken anzuziehen. Aber selbst aus
alten ttiguren und einer alten Idee verstehen gewiegte Theater-
praktiker, von denen der eine ein äußerst witziger Kopf ist, ein
amüsantes Lustsviel zu fabriziren, das einen für den Abend
immerhin angenehm unterhält. Zudem ist Blumenthal ein
Meister des flotten Dialogs, was sich in dem vorliegenden Lust-
spiel besonders kennzeichnet, und daun trägt die Masse der ein-
gestreuten Wortwitze, die zum Theil recht gut sind, deutlich seine
Autorschaft an der Stirn, sodaß auch der kritischste Beurtheiler
zu häufigem Lachen gezwungen wird.
Auch die flotte Darstellung ließ die angedeuteten Schatten-
seiten dieser „Sonnenseite" zum Theil vergessen und so nahm
das Publikum die Novität recht beifällig auf. Auch wir müssen
gestehen, daß wir uns ganz speziell über den Töpfermeister a. D.
und jetzigen Großfabrikanten „Wulkow" des Herrn Rudolph
herzlich amüsirt haben. Die Berliner Typen, die uns Herr
Rudotph vorführt, sind immer von erfrischender Echtheit, wie sie
nur ein Darsteller schaffen kann, der aus den Erinnerungen
seiner Heimathssphäre schöpft. Zudem ist ihm die werthvolle
Gabe des „trockenen Humors" eigen, der überhaupt das Unter-
scheidungsmerkmal des norddeutschen Komikers von dem süd-
deutschen ist und entschieden etwas sehr Angenehmes hat. Auch
waren die kleinen Unsicherheiten, die noch bei seiner Darstellung
des Barons in der „Großmama" auffielen, diesmal nicht mehr

und theure Fische zu beschäftigen. Bekanntlich war das Octroi z
auf Mehl, Brod und billige Fische bereits im vorigen Jahre be-
seitigt worden. Der Bürgerausschuß stimmte auch der heutigen
Vorlage in seiner Mehrheit zu, sodaß nunmehr nur noch das
Octroi auf Bier und Wein besteht. Interessant ist die Mit-
theilung des nationalliberalen Stadtverordneten Kuhn, daß der
Brodpreis heute, wo kein Octroi auf Brod und Mehl mehr be-
steht, 50 beträgt, während er sich im vorigen Jahr vor der
Beseitigung des Octrois auf Mehl und Brod auf 46 belief,
trotzdem heute die gleichen Getreidepreise bestehen wie im vorigen
Jahre vor dem Fall des Octrois.
8.0. Karlsruhe, 27. Nov. Vor einigen Tagen passirte einem
hiesigen Leibgrenadier das Malheur, den Oberftlientenant seines
Regiments Abends vor der Kaserne anzurempeln. Von dem
Vorgesetzten nach dem Namen gefragt, gab der Soldat die
prompte Antwort: „Zimmermann von der zehnten Com-
pagnie!" Dem Befehl des Oberstlieutenanls, sich am nächsten
Morgen beim Feldwebel zu melden, kam der angebliche „Zimmer-
mann" nicht nach, weshalb im ganzen Regiment nach dem
Schuldigen gefahndet wurde. Zwar diente ein „Zimmermann"
bei der genannten Compagnie; doch dieser konnte sei Alibi nach-
weisen. Es war also klar, daß ein falscher Name angegeben
wurde. Um den Schuldigen zu eruiren, ließ der Oberst das
ganze Regiment antreten und sicherte ihm Straflosigkeit zu, falls
er sich freiwillig melde. Als die Aufforderung keinen Erfolg
hatte, kündigte der Oberst dem Regiment an, daß kein einziger
Soldat Weihnachtsurlaub erhalten werde, wenn nicht binnen
einer bestimmten Frist der Schuldige ermittelt sei. Schon bangte
unseren wackeren Grenadieren, die Drohung des gestrengen
Obersten könnte am Ende bitterer Ernst werden, da erschien
ihnen als rettender Engel eine — K ü ch en fe e. Diese hatte
gleich andern Dienstmädchen, in deren Kreisen die Affaire natur-
gemäß eine oau8s osisbrs bildete, davon gehört und wollte Ge-
wißheit darüber haben, ob ihr „Schatz", der sich ihr ebenfalls
unter dem Namen „Zimmermann" vorgestellt hatte, mit dem ge-
suchten Missethäter identisch se'. Sie schrieb deshalb an das
Regiment einen entsprechenden Brief und legte das Conterfei
ihres Geliebten Zimmermann bei, in dem ein Feldwebel alsbald
einen Grenadier Namens „Schweizer" erkannte. Eine em-
pfindliche Strafe wird den unbesonnenen Marsjünger belehren,
daß es für einen Soldaten gefährlich ist, ein Pseudonym zu
führen.
8.0. Karlsruhe, 28. Nov. Im Sommer ds. Js. wurde in
Bruchsal die Ueberführung des Bahnhofes hergestellt Dabei
verunglückte der ledige Taglöhner Ferdinand Belm nnd der
Taglöhner Franz Joseph Weiß von Stettfeld infolge Zu-
sammenbruchs eines Gerüstes. Belm war alsbald todt, während
Weiß einen doppelten Beinbruch erlitt. Unter der An-
klage, den Tod des Belm und die Verletzung des Weiß fahr-
lässiger Weise verschuldet zu haben, stand am Samstag Bau-
Unternehmer Johann K e m p von Homberg, Aufseher Johann
Leber von Görwihl und Aufseher Johann Schmidt van
Weckersbach vor der hiesigen Strafkammer. Nach der Anklage
haben die Genannten es unterlassen, das Gerüst in der Baugrube,
auf welchem die Erdmassen mittelst Rollwagen weggeschafft
wurden, stark genug Herstellen zu lassen, wodurch es ermöglicht
wurde, daß am 15. Juli ds. Js. das Gerüst, auf dem ein
schwerer Rollwagen lief, zusammenstürzte und der umfallende
Wagen das Unglück verursachte. Der Gerichtshof erkannte gegen
Leber auf eine Gefängnisstrafe von 3 Monaten, da derselbe
ausdrücklich auf den Zustand des Gerüstes hingewiesen worden
war. Die beiden anderen Angeklagten wurden treigesprochen.
Pforzheim, 29. Novbr. Reichstagsabgeordneter Agster, der
seit einiger Zeit hier seßhaft geworden ist, betreibt in der Metzger-
straße einen Cigarrenladen.
Donaueschingen, 29. Nov. Die hiesige Feuerwehr feierte
am Samstag das Fest ihres 40-jährigen Bestehens. Ein besonderer
Glanz war der Feier gegeben durch das Erscheinen des Fürsten
von Fürstenberg mit seiner Gemahlin und der hier anwesenden
fürstlichen Gäste, der Prinzessin Amelie, dem Fürsten Colloredo-
Mannsfeld, der Gräfin Nesti Colloredo-Mannsfeld und Prinz
Mox Ratibor. Nachdem die Herrschaften beim Eintritt in den
Museumssaal, in welchem die Feuerwehrleute mit ihren Angehörigen
versammelt waren, durch die Klänge der Feuerwehrmusik begrüßt
wurden, gab der Kommandant, Bürgermeister Fischer, dem Dank
und der Freude für die dem Korps erwiesene Ehre warmen Aus-
druck. Freudigsten Anklang fanden lt. Wochenblatt die überaus
herzlichen Worte, mit welchen Fürst Max Egon hierauf der Liebe
und Verehrung für unseren erhabenen Landesherrn, den treuen
Vater und Freund seines Volkes, Ausdruck verlieh. In Ver-
tretung des Amtsvorstandes erfolgte nunmehr durch Referendär
Vortisch, der in trefflicher Rede den Bestrebungen der Feuerwehren
nnd der aufopfernden Thätigkeit deren Mitglieder wohlwollende
Anerkennung zollte, die Verleihung des Ehrenzeichens für lang-
jährige Dienstzeit-

Eingesandt.
Heidelberg, 29. Nov. In letzterer Zeit hat die Frage des
Anschlusses von H a n d s ch u h s h e im an Heidelberg die
Presse schon öfters beschäftigt, aber man hatte bisher noch keine
Gelegenheit, einen klaren Einblick in die Sachlage zu erhalten;
man hörte von einem Bedürfniß, dann ging man sogar so weit,
zu sagen, Heidelberg sei jetzt durch die Kanalisation verpflichtet,
Handschuhsheim aufzunehmen, und zwar unter Bedingungen,
welche Handschnhsheim in Vorschlag zu bringen oder sogar selbst
zu stellen habe. Betrachtet man nun die Sachlage etwas näher,
so findet man sofort heraus, daß Einige, welche mit ihrem
Grundbesitz vor Handschuhsheim liegen, das, was an Grundbesitz
noch feil war, schnell ankauften und darauf die Bewegung in's
Leben gerufen haben. Sie scheuten keine Mittel und Wege,
ließen Listen von Haus zu Haus gehen, um Unterschriften zu

wahrznnehmen, und so kann seinem „Wulckow" das Zeugniß
einer vortrefflichen komischen Leistung ausgestellt werden.
Den leichtsinnigen „Baron v. Brick" stattete Herr Blank
zu sehr mit einem Tone frischer Jugendlichkeit aus und kehrte
das Verbummelte dieses Glücksritters zu wenig hervor. Sonst
wirkte die ihm eigene Gewandtheit des Spieles und die flotte
Sprache in dieser Rolle ganz besonders angenehm.
Der andere Vertreter der Aristokratie in dem Stücke, der
„Freiherr von Sandors", der solider charakterisirt ist, fand in
Herrn Göbel eine recht gute Vertretung. Besonders wohl-
thueud berührt bei ihm stets sein Streben nach Einfachheit und
Natürlichkeit, das auch noch immer der Weg zur wahren Künstler-
schaft gewesen ist. Mit feinem Takt vermeidet er jedes ge-
schraubte Pathos, was besonders in der Absage an den reichen
Emporkömmling, daß er mit seinem Adclsnamen keine Geschäfte
mache, angenehm zu bemerken war.
Bei Frl. Mehrer — in der Rolle der Schwester des Barons
von Sandors — freuten wir uns, einen weiteren Fortschritt kon-
statiren zu können. Sie machte diesmal nur an einer einzigen
Stelle eine im Text nicht vorgeschriebene Pause und ihre Stimme
klang angenehm und verständlich. Ihre Bewegungen haben zwar
noch etwas eckiges und besonders muß sie vermeiden, bei dem
Heben der Hände die Finger zu spreizen, was unschön aussieht
und den Anschein hat, als ob sie eine Attaque aus ihren Partner
plane.
Vortrefflich war Frl. Sander als „Frau Wulckow", ebenso
Frl. Konrad als die Tochter des „vornehmen" Ehepaars.
Herr Stettuer als der feine Kammerdiener seines weni-
ger feinen Herrn hatte natürlich alle Lacher auf seiner Seite.
Die unbedeutende Rolle des „Kuusthändler Heinitz" wurde von
Herrn Jensen verständig gesprochen.
Wenn man von der Regie eigentlich nichts zu sagen hat, so
ist es doch ein indirektes Lob für sie; es beweist, daß „nichts
passirt ist". 8. L.

erhalten, gleichviel, ob di^Betreffenden Grundbesitz haben oder
nicht. Die Hauptsache lag darin, recht viele Unterschriften zu
bekommen, um zum Vorgehen etwas in der Hand zu haben und
in der Voraussetzung, dadurch schneller zum Ziele zu gelangen.
Während nun von den sogenannten Ausmärkern der Anschluß
mit allen erdenklichen Mitteln betrieben wird, stellen sich die
Einheimischen Handschuhsheims ganz gleichgültig zn der Sache
nnd zeigen gar kein Interesse, im Gegentheil, sie sind theilweise
gegen den Anschluß und wollen gar keine städtischen Verhältnisse;
sie fühlen sich in ihrem ländlichen Leben viel behaglicher und
ungestörter in ihrem Beruf. Ihre Ansicht lautet dahin: Wir
lassen uns nicht verkaufen, wir bleiben wer wir sind, und wer
städtisch werden will, soll hinüber nach Heidelberg ziehen.
Was sollen nun wir Heidelberger zu diesen Aufdringlingen
mit ihren Anfnahme-Ansnahme-Ledingnngen sagen und was
bezwecken Jene? Sie wollen von Heidelberg das haben, was
sie von ihrem Gemeinderath nicht bewilligt und zwar darum
nicht bewilligt bekommen, weil derselbe für ihre Spekulationen
keine Mittel hat Bergstraße-Herstellung rc, wie solche gewünscht
wird, kostet viel Geld, dazu müßten sie schon eine Stadtkasse
haben, die über große Mittel verfügen kann. Die Heidelberger
haben aber gerade genug mit ihren eigenen Straßenanlagen zu
thnn, denn verschiedene sehr nöthige Straßen sind nur angefangen,
aver trotz der Dringlichkeit bis heute noch nicht fertig gestellt.
Ueberhaupt wartet im westlichen Stadttheil noch Manches schon
lange auf Fertigstellung. Auch würde sich hier die Bauthätigkeit
noch mehr entwickeln, wenn nicht diese Mißstände obwalteten.
Ferner wäre die schon längst projektirte Herstellung einer Berg-
straße längs des Gaisberges, auf dem bereits einige Villen
stehen, und die gleichzeitig eine Zierde für die Stadt Heidelberg
sein würde, in hohem Grade erwünscht. Warum nun noch unter
solchen Umständen neue Arbeiten und Lasten sich aufbürden, die
absolut nicht nöthig und nur nachtheilig für die Heidelberger
Verhältnisse sind! Oder haben wir vielleicht Verpflichiungen
jenen Handschuhsheimcr Bewohnern gegenüber, die ihren Grund-
besitz tu Höheren Werth bringen wollen? Gewiß nicht! Wenn
nun auch die Anschlußsuchenden mit ihren über 300 Unterschriften
sich schon siegesbewußt fühlen, so ist dies aber noch lange nicht
maßgebend, denn auch die Heidelberger Bürger muß man dar-
über hären, ob sie gewillt sind, dieselben aufznnehmen. Dis
Stimmung ist aber nicht so günstig für den beabsichtigten An-
schluß, denn wenn wir Unterschriften haben wollten gegen den
Anschluß, so würde das von den Heidelberger Bürgern mit
großer Genugthuung ausgenommen werden und Tausende würden
sich gerne unterzeichnen.

Kleine Zeitung.
— Darmstadt, 29. Nov. Die englische Mittheilung, Prinz
Ludwig von Battenberg habe sich in Folge eines Sturzes
schwer verletzt, ist unrichtig. Der Prinz erlitt am 13. Dezember
in Folge Ausgleitens in der Geschützkammer eine leichte Ver-
letzung an der Hüfte nnd konnte schon drei Tage darauf seinen
Dienst wieder antreten.
— Berlin, 26. Nov. Wir lesen in der Nationalzeitung: Ein
ehemaliger Fremdenlegionär, Namens Richard Fischer, iß
kürzlich nach Lands berg a. W. zurückgekehrt, nachdem er seit
nähern fünf Jahren verschollen war. Von dieser Zeit bat Ri-
chard Fischer 4'/, Jahr in der Fremdenlegion gedient, und zwar
beim zweiten Regiment, das in Saida in Garnison liegt. Von
dort ist er vor ungefähr einem Vierteljahr mit einem zweiten
Deutschen descrtirt. und diese Flucht ist unter unsäglichen Mühen
gelungen. 200 Klm. bis zur marokkanischen Grenze wurden in
acht Nächten zurückgclegt, da die Flüchtlinge sich tagsüber ver-
steckt halten mußten. Von Marokko gelangten sie durch Inter-
vention Deutscher nach Malaga, und von da nahm sie ein eng-
lischer Dampfer nach Hamburg mit. Fischer ist vor etwa 14
Tagen in Landsberg bei seinem Bruder, dem Fleischermeister
Gustav Fischer, angelangt nnd hat unter Anderem auch erzählt,
daß in Saida in einem Thurm ein Deutscher in harter Ge-
fangenschaft gehalten werde, der seit dem d e u t s ch - f r a n z ö s i
fchen Kriege dort schmachte. Nun er (Fischer) aber in Frei-
heit ist, wolle er das Seinige dazu thnn, um diesen ehemaligen
Einjährigen der deutschen Armee, den man jedenfalls längst todt
geglaubt, aus der unverantwortlichen Haft zu befreien. Fischer hat
bei dem Bezirkskommando in Landsberg a. W. Anzeige davon
gemacht.
— Bremen, 29. Nov. Der Norddeutsche Lloyd hat seine
beiden Schnelldampfer „Werra" und „Fulda" sowie den Dampfer
„Habsburg" für die Rückbeförderung der spanischen
Truppen von Havanna nach Spanien vermiethet. Die
Dampfer, von denen die „Habsburg" sich in Bremerhaven, die
beiden anderen in New-Uork befinden, werden bereits in den
nächsten Tagen nach Cuba abgehen. Die Truppentransporte
erfolgen im Laufe des Dezember.
— Hamburg, 26. Nov. Ein Mitarbeiter der Köln. Ztg.
erzählt: Mit dem Dampfer „Marie Wörmann" der Wörmann-
linie ist heute eine Schaar deutscher Mädchen nach unserer
Kolonie Südwest-Afrika abgereist. Ich nahm gestern Gelegen-
heit, diese zukünftigen Mütter der Kolonie in dem hiesigen Mäd-
chenheim, wo sie ihr letztes Quartier auf deutschem Boden genommen
hatten, aufzusuchen nnd diese Trägerinnen deutscher Art für das
neue Deutschland an der Westküste Afrikas anzusehen. 16 waren
es an der Zahl, im Alter zwischen 19 und 28 Jahren, alle gesund
und frisch von Ansehen, bereit, den klimatischen und sonstigen
Gefahren zu widerstehen. Es war ein ganz anderer Ausdruck,
der auf den Gesichtern lag, als man ihn sonst bei Auswanderern
zu sehen Pflegt. Von Wehmuth nnd Sorge keine Spur, alle mit
dem Ausdruck fröhlicher Hoffnung auf dem Antlitz, als könnte es
ihnen nicht fehlschlagen. Die Mädchen stammen aus allen Ge-
genden Deutschlands und sind alle an Arbeit gewöhnt, sie waren
bisher Köchinnen, Hausmädchen oder ländliche Dienstboten. Sie
zeigten mir ihren Kontrakt, der auf zwei Jahre mit Halbjähriger
Kündigung und freier Rückfahrt, wenn diese gewünscht wird, aus-
gestellt ist, und die Mädchen für Faktoreien und Plantagen in der
Nähe von Swakopmund als „Mädchen für Alles" in Dienst
nimmt. Sie erhalten völlig freie Station und monatlich 20 Mk-
von der Kolonisationsgesellschaft, in deren Dienst sie getreten sind.
Ich bemerkte, daß der Lohn nicht gerade hoch sei und daß sis
daöei nicht allzuviel erübrigen würden. Die Angeredete lächelte,
für sie antwortete eine Andere: „Wir wollen doch dort heirathen".
Meine Frage, ob sie denn auch wüßten, daß sie einen Mann be-
kämen, wurde mit siegesbewußtem Lächeln ausgenommen. An
eine Rückkehr nach beendeter Dienstzeit dachte keine; sie wollen
alle drüben ihr eigen Haus bauen. Möge ihnen das ersehnte
Glück blühen zu ihrem und der Kolonie Nutzen!
-t- Wien 29. Nov. Ein schreckliches Unwetter herrschte
im Alpengebiet nnd im Süden der Monarchie. In Triest wurden
ganze Stadttheile überschwemmt. Dazu trat eine bedeutende Hoch-
fluth des Meeres, welche drei Stunden dauerte.
— Bielitz (Oester. Schlesien), 28. Nov. H ec herrschte gestern
ein furchtbarer Orkan, wobei ganze Dächer abgetragen
wurden; drei hohe Fabrikkamine sind eingestürzt; im nahen Biala
(Galizien) wurden zwei Frauen von einer einstürzenden Scheune
getödtet und mehrere Personen schwer verletzt.
— Ans Amerika. Die dreijährige Radfahrt eines
Ehepaares um dieWelt wird demnächst vollendet werden-
In Chicago wollen 50000 Radfahrer dem muthigen Paare einen
glänzenden Empfang bereiten. Den 10. April 1895 verließen
Mr. Darwin M'Hwat und seine Gattin Chicago und langten
52 Tage später in San Franzisko an. Auf dem Seewege fuhren
sic nach Japan und durchquerten dann zu Rad Japan, China,
Birma, Indien, Persien, Rußland, Oesterreich-Ungarn, Deutsch-
land, Frankreich und England. Sie legten so nahezu einen
Weg von 30000 englischen Meilen, ausschließlich der Seereisen,
zurück. Die Kosten dieser Reise beliefen sich auf ungefähr 11000
Dollars. Ob sich das glückliche Paar nun nicht nach einer anderen
Seßhaftigkeit als nach der auf dem Radsattel sehnen wird?
 
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