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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 306 (1. Dezember 1898 - 31. Dezember 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0610

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in Schloß Baden und kehrt dann nach Stuttgart zurück.
Der Großherzog hat den General ä la suits Generalmajor
Müller beauftragt, ein Schreiben an Seine Majestät den
König von Württemberg zu überbringen und als Vertreter
Seiner Königlichen Hoheit der Traucrfeier für die verstorbene
Prinzessin Friedrich von Württemberg, Mutter des Königs,
anzuwohnen. Generalmajor Müller reist heute Abend nach
Stuttgart und gleichzeitig begibt sich Oberschloßhauptmann
von Offensandt-Berckholtz dahin als Vertreter der Groß-
herzogin bei der genannten Trauerfeier.
— Mit der französischen Regierung ist ein Abkommen dahin
getrosten worden, daß die von den beiderseitigen Zollbehörden
ausgestellten, mit dem Dienstsiegel versehenen Ursprungszeugnisse,
wenn nicht im einzelnen Falle aus besonderen Gründen Zweifel
an ihrer Echtheit bestehen, in beiden Ländern auch ohne konsularische
oder diplomatische Beglaubigung zugelassen werden sollen.

Ausland.
Frankreich. Paris, 8. Dec. Der Kassations-
hof prüfte das Gesuch Picquarts betreffend die Zu-
ständigkeit der Richter. Der Berichterstatter Athalin be-
antragte, das Gesuch für zulässig zu erklären und das
Kriegsgericht um Mittheilung der Akten in Sachen
Picquarts an den Kassationshof zu ersuchen. Der Advokat
Mimerel und der Generalprokurator Mauau schlossen sich
diesen Ausführungen an. Der Kassationshof erließ einen
Beschluß, daß ihm innerhalb 14 Tagen sümmtliche Akten
mitzutheilen seien, während welcher Zeit das Urtheil in
dem Civil- und Militärverfahren anfzuschie-
ben sei. Es sei hier kurz noch einmal an den Sachver-
halt erinnert. Picquart ist vor das zweite Zuchtpolizei-
gericht verwiesen, wegen Mittheilung von Schriftstücken,
die die Landesvertheidigung und die äußere Sicherheit des
Landes betreffen, und er ist vor das zweite Kriegsgericht
verwiesen worden wegen Fälschung, Gebrauchs von
Fälschung und Mittheilung des Aktenmaterials Boulot
und des Dossiers über die Brieftauben und des geheimen
Dossiers des Dreifusprozesses an eine Person, die nicht
davon Kenntnitz nehmen durfte (an den Advokaten Leblois).
Das Eivilverfahren stützt sich u. A. darauf, daß Picquart
das sog. xvtit blsu, eine geheime Urkunde, einem Unbe-
rechtigten gezeigt habe; das kriegsgerichtliche Verfahren
dagegen stützt sich u. A. darauf, daß Picquart das xstsi
blörr gefälscht habe. Man erkennt leicht den Widerspruch
zwischen beiden Annahmen. Der Kassationshof hat nun
anerkannt, daß zwischen beiden Prozessen ein Zusammen-
hang bestehe, der einen Widerstreit zwischen zwei verschie-
denen Gerichtshöfen veranlassen könnte. Um die Sache
von Grund aus zu studiren, hat er befohlen, ihm die
Akten innerhalb 14 Tagen mitzutheilen. Der Anschlag
der Generalstabspartei auf Picquart, die diesem ihr sehr
unbequemen Mann das Brandmal des Landesverraths durch
ein gefügiges Kriegsgericht ansdcücken wollte, um seine
Aussagen im Dreyfusprozeß zu entweichen, ist somit zu
Schanden geworden.
Holland. Die englischen Gesellschaftkblätter melden die
angeblich bevorstehende Verlobung der Königin
Wilhelmine der Niederlande mit dem Prinzen
Wilhelm von Wied, dem 1876 geborenen zweiten
Sohne des Fürsten von Wied. Die Mutter des Prinzen
Wilhelm war eine Tochter des verstorbenen Prinzen Friedrich
der Niederlande. Der ältere Bruder des Prinzen Wilhelm
hat die Prinzessin Pauline, Tochter des Königs von Würt-
temberg, geheirathet. Bestätigung der Verlobungsnachricht
bleibt abzuwarten.
England. London, 8. Dec. Die Rede des Bot-
schafters Monson vor der englischen Handelskammer
in Paris macht hier beträchtliches Aufsehen, weil
sie den Beweis zu enthalten scheint, daß man hier an
leitender Stelle von der Nothwenoigkeit einer derartigen
starken Warnung gegen die Fortsetzung der französischen
Politik der Nadelstiche überzeugt sei, und weil diese nahe-
liegende Schlußfolgerung der öffentlichen Meinung dos
unter der augenblicklichen Ferienruhe schwindende Bewußtsein
der noch fortdauernden ernsten Lage zurückcuft.
Asien. Peking, 8. Dez. Der deutsche Gesandte
richtete an das Tsung-li-Aamen die Aufforderung, den
kürzlich mißhandelten deutschen Missionar in
Shantung unter Theilnahme der chinesischen Würdenträger
feierlich in seinen Bezirk zurückzugeleiten und den für den
Vorfall verantwortlichen Mandarinen zu degradiren.
Badischer Landwirthschaftsrath.
Karlsruhe, 1. Dezember.
Gutsbesitzer S t e in - Kudach berichtet über die Denkschrift
betreffend das landwirthschaftlicheNachbar recht durch
das Ausführungsaesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Die gut-
achtlichen Aeußerungen betreffen folgende Fragen:
1. Hat die bisherige landrechtlichs Regelung des bäuerlichen
Nachbarrechts den praktischen Bedürfnissen entsprochen unv
soll dasselbe nach Maßgabe der Vorschläge der Justizkom-
mission unter Verschäifung der Vorschriften hinsichtlich der
Waldanpflanzungen und nach Maßgabe der im Anschluß
an diese Vorschläge im Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen
Gesetzbuch Anwendung finden? oder
2. Hat die bisherige Regelung nicht oder nur zum Theil ent-
sprochen und soll für die künftige Regelung dieses Stoffes
von anderen Gesichtspunkten und eventuell welchen aus-
gegangen werden?
Der Referent tritt für eine Erweiterung und Verschärfung
der Vorschriften ein und möchte den Artikel I in der Hauptsache
dahin abgeändert wissen: Der Eigenthümer eines Grundstückes
kann verlangen, daß hochstämmige Bäume (Steinobst) 2,M m,
(Kernobst) 3 m, andere Bäume und Sträucher 1 rn, Bäume an
der Straße 1,80 m von der Grenze seines Grundstückes entfernt
gehalten werden.
Der Korreferent Müller befürwortet die von der Justiz-
kommission festgestellten Entfernungen, die 1,80 in betragen.
Frank-Buckenberg bittet, die alten bewährten Maße beizu-
behalten.
So verlockend die Stein'schen Anträge dem Frhrn. v. Göler
erscheinen, so bitte auch er, den bisherigen Zustand beizubehalten,
da cs andererseits zu einem Durcheinander führen würde.
Auch der Präsident des Ministeriums des Innern, Geh.
Rath Dr. Eisenlohr, glaubt, daß für die Aufrechterhaltung
des bestehenden Zustandes gewichtige Gründe sprächen. Nicht

ausgeschlossen sei, daß das Nachbarrecht später doch eine beson- '
dere gesetzliche Regelung finde. Man könne aber auch durch die
bestehenden feldpolizeilichen Vorschriften Mancherlei erreichen.
Nach langer Debatte, an welcher sich die Herren Schüler,
Herbst, Lubberger, Salzer, Reiß, Knapp, Meyer
und der Präsident des Ministeriums des Innern, Geh. Rath
Dr. Eisenlohr betheiligen und in welcher eine Reihe Unter-
anträge gestellt werden, wird der Antrag Stein abgelehnt und
mit kleiner Mehrheit dem Justirkommissionsantrag zugestimmt.
Ans den Abstimmungen ging hervor, daß die Meinungen weit
auseinander gehen.
Präsident des Ministeriums des Innern, Geh. Rath Dr.
Eisenlohr, glaubt aus der Debatte und den verschiedenen
Anträgen entnehmen zu sollen, daß die Regierung diese Fragen
für eine zukünftige Regelung einer eingehenden Prüfung unter-
ziehe.
Gutsbesitzer St ein-Kudach referirt sodann mündlich über die
Denkschrift der Regierung betreffend die Regelung der
Hagelversicherung. In der Denkschrift wird dargethan,
daß die schweren Hagelwetter des Jahres 1897 für die nord-
deutschen Mitglieder der „Norddeutschen Allgemeinen Hagel-
versicherungsgesellschaft", bei welcher schon von vornherein eine
gewisse Abneigung gegen die Ausdehnung des Geschäfts auf
Süddeulschland vorhanden gewesen. Anlaß zu ernster Beunruhi-
gung gegeben, die schließlich zu dem Verlangen der Aufgabe des
gesammten süddeutschen Geschäfts geführt habe. In der letzten
Verwaltungsrathssitzung sei man schließ! ch dahin gelangt, hin-
sichtlich des mit Baden abgeschlossenen Uebercinkommens folgende
Aenderuugen zu beantragen:
1. Die Kreise haben sich zu verpflichten, künftig entweder die
Nachschußprämien im vollen Betrag an die Gesellschaft ab-
zuführen oder aber dieselben von den einzelnen Versicherten
unentgeltlich einzuziehen.
2. Soll in das Uebereinkommen folgende Bestimmung aus-
genommen werden:
„Uebersteigt die in einem Jahre im Großherzogthum
Baden zu zahlende Nettoeutschädigungssumme 150 Proz.
der erhobenen Vorprämie, so wird der Mehrbetrag aus
einem zu diesem Zwecke anzusammelnden besonderen Lan-
desfonds gedeckt. Die Norddeutsche Hagelversicherungs-
gesellschaft erklärt sich ihrerseits bereit, diesem Fonds all-
jährlich 10 Proz. der im Großherzogthum erhobenen Vor-
prämie zu überweisen."
Die Regierung halte nun eine Aussprache dahingehend für
Wünschenswert!), ob, falls em neues Abkommen mit der Gesell-
schaft sich nicht verwirklichen lasse, auf jede weitere Organisation
der Hagelversicherung zu verzichten sei, oder, im Verneinungs-
falle, weiche Wege für eine Neuorganisirung zu empfehlen seien.
Die Meinung sämmtlicher Redner ging dahin, in erster Reihe
einen moüus virsuäi mit der Gesellschaft anzustreben, selbst
unter Zugeständnis weiterer nicht allzu großer Opfer; sei dies
aber nicht möglich, so sei die Frage emer eigenen Staatsversiche-
rung zu prüfen oder das Eingehen einer Verbindung mit einer
anderen Gesellschaft. Jedenfalls dürfe die Organisation der
Hagelversicherung nicht aufgegeben werden.
Es wird sodann die Sitzung um 7 Uhr geschlossen.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 9. December.
Stadt. Arbeitsnachweisanstalt Heidelberg. (Monats-
bericht.) Nach amtlicher Zusammenstellung wurden im Monat
November im Ganzen 807 Gesuche eingetragen und zwar 319
von Arbeitgebern (240 für männl, und 79 weibl.), welche 467
Arbeitskräfte verlangten und denen 497 Arbeitskräfte zugewiesen
wurden. Arbeitnehmer waren es, insofern dieselben einen Eintrag
verlangten, 488 (413 männl, und 75 weibl.), von welchen 487 sofort
Arbeit nachgewiesen werden konnte. Befriedigt wurden im Ganzen
600 und zwar: 255 Arbeitgeber (2)6 männl, unv 40 weibl.)
und 345 Arbeitnehmer, darunter 804 männl, und 41 weibl, Zu
den angeführten 600 Befriedigten rönnen auch in diesem Monat
noch 8—10 weitere Gesuche als befriedigt hinzugerechnet werden,
von denen die Anweisungsscheine nicht mehr an die Anstalt
zurückgebracht wurden. Außerdem haben noch 235 Arbeitnehmer
bei der Anstalt um Arbeit nachgesucht, welche, da ihnen nicht
sofort passende Arbeit nachgewiesen werden konnte, auf einen
Eintrag verzichteten.
A Vortrag von Egidy. Der bekannte frühere Oberstlieutenant
v. Egidy wird nächsten Dienstag hier einen Votrrag halten über
den Abrüstungs-Vorschlag des russischen Kaisers. Nach einem
ausführlichen Bericht des Wiesbadener Tageblattes hat derselbe
unlängst in Wiesbaden vor sehr zahlreicher Zuhörerschaft über
denselben Gegenstand gesprochen. Der Redner soll durch die Art
seines Vortrags das Publikum sehr gefesselt haben.
O Futzball. Gestern spielte die Mannschaft des im Anschluß
an den Ruderklub gebildeten Fußballklub gegen die Fünfzehn
von Neuenheim College. In der ersten Halbzeit gewann Neuen-
heim einen Versuch zwischen den Waldungen, der aber nicht zum
Treffer erhöht wurde. In der zweiten Halbzeit gewann der
Klub einen Treffer und einen Freisang, sowie zwei Versuche, von
denen der erste zum Treffer erhöht wurde. Der Fußballklub
blieb demnach mit 12 Punkten gegen 3 Sieger.
X Heidelberger Aktienbrauerei, vorn». Kleinleiu Aus
dem Bericht, welcher der Generalversammlung unterbreitet wird,
geht hervor, daß die Aktienbrauerei im letzten Geschäftsjahre
35 412 Hektoliter Bier (gegen 30 812 im Vo jahr) abgesetzt hat.
Der Bruttogewinn betrug 104150 Mk., gegen 92 874 Mk. im
Vorjahre. Die Ausstände für Bier betragen 8176! Mk., die
Guthaben an Hypothek- und sonstige Debitoren 253 633 Mk.
An Dividende werden, wie schon mitgetheill, 7 pCt. vorgeschlagen.
O Geplante Kanalisirung des Neckars. Das Könnt« für
Kanalisirung des Neckars hielt am 6. d. M. auf dem Rathhanse
zu Stuttgart eine Sitzung ab, um über das von dem Wasserbau-
techniker Specht, früher in Karlsruhe, nun in München, fertig-
gestellte Projekt und die weiter einzuleitenden Schritte zu berathen
Das Ergebnis; der eingehenden Projektirung faßte der Vorsitzende,
Geh. Hofrath Dr. v. Jobst, dahin zusammen: Für den Neckar
läßt sich durch Anlegung eines Schleusenkanals von Mannheim
bis Cannstatt eine Minimaltiefe von 2 m erreichen und damit
seine Schiffbarkeit so steigern, daß Schiffe mit einer Tragfähigkeit
von bis zu 600 t nach Cannstatt-Stuttgart herauffahren können.
Mit dem Bau und Betrieb des Schleusenkanals würde für die
Flößerei und für die bestehenden Stauwerke eine Schädigung
nicht erwachsen. Die Fahrzeit von Mannheim bis Heilbronn
würde für °/. Ladung und Schleusung — ohne Berücksichtigung
der nothwendlgen Fahrt-Unterbrechungen — zu Berg 24, zu Thal
20 Stunden betragen, die Fahrzeit von Mannheim bis Cannstatt
unter denselben Voraussetzungen 45 bezw. 30 Stunden. Die
künftigen Frachtkosten für 200 Centner lassen sich folgendermaßen
berechnen:
heutige Frachtkosten:
Mannheim—Heilbronn: 15,34 M. 28,96 M. (per Kette)
Mannheim—Cannstatt: 31,81 M.40,—M. (per Bahn
einschl. Umkrahnens in Mannheim mit 4 M.)
Hierbei ist eine Schifffahrtsabgabe noch nicht berechnet, da über
deren Zulässigkeit noch prinzipielle Meinungsverschiedenheiten be-
stehen. Die Anlagekosten würden sich für die Strecke Mann-
heim-Cannstatt auf 30 Mill. M. stellen. Hievon würden auf
die badische Strecke 14 MR. M., auf die württemb. 16 Mill. M.
entfallen. Für den Seitenkanal Cannstatt—Eßlingen werden die
Kosten für 1,5 m Fahrtiefe auf 1,6 Mill. M. berechnet. Diese
Kosten würden wieder durch die zu gewinnenden Wasserkräfte herein-
gebracht. An den neuen Wehren auf der württemb. Flußstrecke
werden fast 12000 ?8., auf der badischen Flußstrecke über
20000 ?8., zusammen 32000 U8. gewonnen, welche einen Werth
— für die badische Strecke von 20, für die württemb. von 12,
zusammen — von 32 Mill. M. rcpräsentiren, fast genau die

Summe, welche zur Herstellung des Großschifffahrtswegs erfor-
lich ist. Das Komit« wird nunmehr mit der Nachprüfung des
Gutachtens einige Wafferbautechniker und Autoritäten auf diesem
Gebiete beauftragen und für die Berechnung des voraussichtlichen
Frachtverkehrs und der Betriebs-Rentabilität die genauen Daten
erheben.
— Polizeibericht. Ein Kutscher wurde wegen fortgesetzter
Ruhestörung uud Schmähung verhaftet, ebenso ein Arbeiter aus
Rhcingönnheim, der sich der Erfüllung der Wehrpflicht entzogen
hatte; einige junge Leute kamen wegen Zertrümmerung von
Gaslaternen zur Anzeige.
ff Handschuhsheim, 8. Dec. Bei der am 3. December d. I-
dahier vorgenommenen Viehzählung wurden gezählt 72 Pferde,
833 Stück Rindvieh, 5 Schafe, 601 Schweine, 327 Ziegen, 2s
Bienenstöcke, 65 Gänse, 33 Enten, 555 Tauben, 761 Hühner und
Hahnen, 11 Truthühner, 86 Hunde und zum häuslichen Gebrauchs
wurden 49 Schweine und 1 Zicklein geschlachtet.
O Ziegelhausen, 8. Decdr. Die Weiterführung des
Fußweges von der Heidelberger Grenze nach der Stiftsmühle
wird nun doch erfolgen können, da der hiesige Gemeinderaty
vorgestern beschlossen hat, dem Ankauf des Geländes am Neckar
zuzustimmen.
Leimen, 7. Decbr. Bei der heute dahier vorgenommenen
Abgeordneteuwahl zur Kr ei s ver s a m m l un g ging, wie schon
kurz gemeldet, Bürgermeister Hambrecht von Sandhaufen
als gewählter Abgeordneter und Bürgermeister Lingg von
Leimen als Stellvertreter hervor. Obwohl vor der Wahl
Meinungsverschiedenheiten herrschten, wurde die Wahl selbst mir
einer wohlthuenden, nachahmenswerthen Einmüthigkeit aus-
geführt, so daß es naturgemäß erscheint, daß die Wähler den
Wunsch nach längerem gemüthlichen Beisammensein durch eine
solide Sitzung im Gasthaus zum Bären recht gerne auch aus"
führten. Hoffentlich gibl's später wieder einmal Gelegenheit zu
einer ähnlichen, gemüthlichen Unterhaltung.
ll. Neckarbischofsheim, 8. Dec. Die kürzlich in der Heidel-
berger Zeitung besprochene Frage der Erhaltung der Station
Neckarbischofsheim (Strecke Meckesheim-Neckarelz) nach
Erbauung der projekltrten Bahn Waibstadt-Hüffenhardt hat in-
sofern eine befriedigende Wendung erhalten, als der kürzlich hier
anwesende Vertreter der Bauficma Lenz u. Cie. die Absicht kund
gab, die Bahn nicht in Waibstadt, sondern an der Haltestelle der
Station Neckarbischofsheim in die Staatsbahn einmünden zn
lassen. Damit wäre man in Neckarbischofsheim eher zufrieden,
zumal Waibstadt seither eine sehr wenig befriedigende Haltung
zur ganzen Bahnsache einnahm. Wir wollen hoffen und wünschen-
daß die oben genannte Absicht der Firma Lenz u. Cie. eins
endgiltige ist. Besondere Hindernisse dürften dem Projekte nicht
entgegenstehen. ,
/X Neckarbischofsheim, 8. Dez. Heute hat hier an Stelle de»
zum Bezirksarzt in Wolfach ernannten Herrn Dr. Henrici, hier,
der früher schon hier thätig gewesene Herr Dr. Schleid seine
ärztliche Thätigkeit angetreten. Herr Dr. Schleid wurde zum
Bezirksassistenzarzt für den hiesigen Bezirk ernannt.
ü. 6. Lahr, 8. Dez. Den Bemühungen des hiesigen Gewerbe-
vereins ist es gelungen, in Friesenheim, Ottenheim und Seel-
bach neue Vereine zu gründen. ..
Aus Vaden. In Karlsruhe ist Stadtrath Friedrich
Ludwig, eiu treues Mitglied der natioualliberaleu Partei,
nach längerem Leidm gestorben. .
— (D i e n st n a ch r i ch t e n.) Versetzt wurden: Jakov
Bechtel, Schutzmann beim Amt Karlsruhe, zum Amt Heidel-
berg, Ludwig Fritz, Schutzmann beim Amt Karlsruhe, zuM
Amt Heidelberg.

Eingesandt.
Handschuhsheim, 9. Dec. Ueber den Anschluß Hand-
schuh s h e i m s wurde in der Generalversammlung des Vereins
„West-Hetdelberg" verhandelt. Wir wollen uns darauf be-
schränken. die Ausführungen des ersten Redners zu diesem
Punkte der Tagesordnung zu beleuchten. Als Neueuhenn s. Zl-
in Heidelberg einverleibt worden sei, seien schon Viele dagegen
gewesen, meinte der Herr Redner, und fügte als Begründung
seiner Stellungnahme gegen den Anschluß von HandschnhsheiM
bei, daß die Einverleibung Neuenheims für das Nohrbacher- und
Bergheimerviertel nicht von Vortheil gewesen sei.
Wir müssen zunächst entschieden bestreiten, daß die Ein-
gemeindung Neuenhefins für einen Theil des Westviertels irgend-
wie nachtheilig gewirkt hat. Wenn dies aber auch der Fall ge-
wesen wäre, so Hütte die nothwendig gewordene Ausdehnung der
Stadt und ihres Gebietes nicht durch einseitige Rücksichtnahme
aus einige Interessenten im Westen Noth leiden dürfen. W"
können deshalb auch heute die städtische Verwaltung zu der Er-
werbung Neuenheims nur beglückwünschen. Eine ganze Anzmst
fremder Familien hätte sicherlich Heidelberg nicht als Wohnst«
gewählt, wenn nicht gerade in Neuenheim ein Stadttheil geboten
worden wäre, wo man abseits von Rauch und Ruß in denkbar
gesündester Luft, vor Ost- und Nordostwinden geschützt hä"?
wohnen können, wie man das von einer Fremdenstadt von der
Lage Heidelbergs verlangt.
Da aber Handschuhsheim lediglich eine Fortsetzung des
Neuenheimer Baugebtetes bildet, so wird in richtiger Erkenntnis
der „naturgemäßen Entwicklung" *) die städtische Verwaltung
den Vorort Handschuhsheim ebenfalls anzugliedern bestrebt seA-
ganz abgesehen davon, daß derselbe fast unerschöpflichen Quell-
wasserreichthum und einen sehr werthvollen Waldbestand bieten
der zur Ergänzung des geringen rechtsneckarischen Waldareals
nöthig ist. , ,
Alle diese Gründe existiren für den Herrn Gegner, wie e»
scheint, nicht. Er versteigt sich sogar zu der Behauptung, es sti
falsch, zu sagen, daß Handschuhsheim mit Heidelberg bereits Zu-
sammenhänge. Wir wollen ihm darauf erwidern, daß bero
Orte, abgesehen von der oben erwähnten, durch die natürlt«
Lage gebotenen Zusammengehörigkeit sogar in doppelter
Hinsicht zusammen-„hängen". Unterirdisch durch das gemcinsa«
unter städtischer Verwaltung stehende Kanalnetz, oberirdisch da-
durch, daß sich schon Heidelberger und Handschuhsheimer Bll"'
gegenüberstehen und daß es für den Fremden und sogar st*
manchen Einheimischen schwierig ist, genauanzugeben, wo Hervest
berg aufhört und wo Handschuhsheim anfängt. Der Verglei«-
daß man ebensogut schließlich Wieblingen einverleiben kölllst-
steht so weit unter dem Niveau des Diskutabel», daß wir da-
rauf nicht näher etngehen wollen. Die Eingemeindung eines
fast direkt angebauteu Vorortes mit der — übrigens gar nE
in Frage stehenden — eines ca. Stunden entfernt liegende'
Dorfes auf eine Linie stellen zu wollen? Na, na! Man me»
da denn doch zn sehr die Absicht. .
Die Entwickelung der Stadt dränge nach der Ebene, mein
der Herr Redner, natürlich nach der Rohrbacher- und Bergheimer-
Straße. Wir meinen nun — verzeihen Sie Herr Gegner
gerade umgekehrt. Unseres Erachtens ziehen die Leute gerM>
des Gebirges halber hierher. Oder glaubt man vielleicht, das
die Fremden sich in der Gegend hinter der Knustwollfabrik, W"'
und Lackfabrik, Schroedl- und Aktienbrauerei, am Fubrhdl-
Grubcnhof und beim Schlachthaus, am Rangirbahnhof -'
Villen bauen und dortselbst lustwandeln werden? Wir bezweifi'
es und mit uns wohl die große Mehrzahl unserer Mitbürger,
denn den Genuß, direkt neben Fabriken rc zu wohnen, ran
man in Neckarau, Käferthal, Mannheim-Ludwigshafen rc. au«
haben.
Heidelberg wird und muß sich, nachdem das westliche »an-
gebiet für diesen Zweck großentheils absorbirt ist, nunmehr '
hervorragender Weise auch nach Norden ausdehnen und kann st«,
in seiner Entwickelung nicht durch etwaige Rücksichtnahme a
die unserer Ansicht nach übrigens auch falsch verstandenen Aw-
essen Einzelner hemmen lassen.
*) Prof. Karl Pfaff: Heidelberg und Umgebung. -
 
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