Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 1-26 (2. Januar 1901 - 31. Januar 1901)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0027

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 60 Pfg. frei in's Hans gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Donnerstag, 3. Januar 1901.

Zweites Blatt.

XXXXlll. Jahrgang. — Xr. 2.

w. Deutschland im verflossenen Jahr-
hundert.
Vor hundert Jahren sah es in Deutschland ganz
anders aus, wie heute. Wenn man sich in jene Zeit
zurückversetzt, dann muß man Vieles wegdenken, was man
heute als ganz natürlich und selbstverständlich hinnimmt.
Man muß die Dampfmaschinen samt den Eisenbahnen und
Telegraphen aus seiner Vorstellung streichen, selbst den
größten Teil der Kunststraßen; man muß die Gasanstalten
und Elektrizitätswerke, die Wasserleitungen und Kanali-
sationen wegdenken, auch die Großstädte — war doch
damals Berlin nicht größer als heute Charlottenburg ist —
ja selbst den größeren Teil der Bevölkerung. So ge-
winnt man von dem damaligen Deutschland den Eindruck
ländlicher Stille und Gebundenheit.
Die geringe Beweglichkeit zu jener Zeit bedingte enge
wirtschaftliche und politische Gesichtskreise. Tausende von
Schlagbäumen bestanden damals in Deutschland und schlossen
die Bewohner wirtschaftlich von einander ab. Dem ent-
sprach die politische Zerstückelung des Landes in zahllose
kleine Gebiete. Es fehlte wirtschaftlich und politisch jeder
große Zug. Die zersplitterten deutschen Staatswesen kamen
damals über Kirchturmsinteressen nicht hinaus.
Auf dem Gebiet der Geisteskultur war der Anblick
erfreulicher. Goethe und Schiller standen aus der Höhe
ihres Schaffens. Die Lehren Kants befruchteten die Geister.
Seine tiefsinnigen Betrachtungen über die höchsten Fragen
des menschlichen Seins wurden von den besseren Köpfen
ausgenommen und verarbeitet. Den Idealen des griechischen
und römischen Altertums wurde mit zärtlicher Ehrfurcht
nachgegangen. Es schien, als ob der deutsche Geist aus
der Enge der damaligen Gegenwart in das freie weite
Reich der Ideen geflüchtet sei. Die exakten Wissenschaften
staken zwar noch in den Kinderschuhen, aber es fehlte nicht
an Bemühungen, sie auszubauen und zu fördern. Wie
würde sich die ruhige Entwickelung Deutschlands auf
dieser Grundlage gestaltet, wohin würde sie geführt haben?
Fürwahr eine interessante, aber zugleich eine kaum sicher
zu beantwortende Frage. Nur soviel läßt sich sagen, daß
sie eine viel langsamere, eine schleppende und
wahrscheinlich auch eine recht unerquickliche geworden wäre,
ohne den erschütternden Stoß, der von Westen kam
und alle bestehenden Verhältnisse über den Haufen warf.
Schon hatte das Schicksal in Gestalt des Uebermenschen
Napoleon vernehmlich an die Thore Deutschlands ge-
pocht. Schon war der erste Koalitionskrieg der Mächte
gegen das revolutionäre Frankreich unrühmlich zu Ende
gegangen. Schon hatten im zweiten Koalitionskrieg die
Franzosen unter Moreau bei Hohenlinden östlich von
München das österreichische Heer unter dem Erzherzog
Johann geschlagen. Die Einleitung zu dem großen
Drama, das die nächsten fünfzehn Jahre ausfüllte, hatte
begonnen. Mit dem Frieden von Lüneville (Febr. 1801)
trat Europa, trat Deutschland in das neunzehnte Jahr-
hundert ein. Bald erhob sich der Kanipf von Neuem. Auf
österreichischem Boden bezeichnet.Austerlitz (2. Dez. 1805),
auf dem Boden des jetzigen deutschen Reichs bezeichnen

Johanne Kallmeier.
Eine Dorfgeschichte von E. Merx.
2) (Fortsetzung.)
Johannens Verhalten und Betragen in der Schule war
tadellos; sie hielt ihre Schreibhefte sauber und lernte ihre Auf-
gaben gewissenhaft.
Vater Kallmeier ließ seinen Kindern von dem jungen Hülfs-
lehrcr noch ewigen Privatunterricht erteilen und bezahlte ihn auch
gut dafür. So waren beide zu dem Alter von zwölf und vierzehn
Jahren herangekommen, als er eines Tages einen Besuch von
einem Vetter erhielt, der, einige Meilen von seinem Dorfe ent-
fernt, in einem größeren Dorfe ein Bauerngut besaß. Während
des Kaffcetriukens fragte Frau Lieschen nach seiner Frau und
den Kindern.
„Ja Lieschen", sagte er, „den Jungen habe ich schon lange
nicht mehr im Hause, den habe ich auf eine Stadtschule gebracht;
er muß mehr lernen, als ich auf dem Lande gelernt habe, und
mit Ricken soll das jetzt auch geschehen, meine Frau will sie zwar
noch nicht gerne hergeben, aber sie muß es!"
„Willst Dir eine Stadtmamsell an ihr erziehen," spottete
Kallmeier, „Vetter Ilgen hüte Dich davor. Das thnt nicht gut.
Mit dem Jungen — das lasse ich gelten, könnte es ja auch thun
— das Wissen frißt kein Brot, und gegen ein Bischen höher rauf
— etwa Amtmann genannt werden — hätte ich nichts einzu-
wcnden.
„Nun, was noch nicht ist, kann ja noch werden, nicht wahr,
Lieschen," erwiderte der Vetter. „Ihr habt Euch doch ungeheuer
heraufgebracht, viel Glück gehabt, die Wohlhabenheit guckt;a aus
allen Ecken bei Euch heraus."
„Dein Vater, nimms nicht übel, Christian, war ein schlauer
Kunde, er ruht in der Erde, man kann's heute wohl sagen, hat
seiner Zeit bei dem Klostcracker-Verkauf, in der Westphälischen
Zeit als der König Jerome, der Hundsfott, die Klöster aufhob
und ihre Besitztümer zu Staatseigentum machte, dann verkaufen
ließ, was möglich war, um nur bar Geld in die Hände zu kriegen
zu seinem wüsten Leben in Kassel — dazumal wurden die hiesigen
Klostcräcker und Wiesen, wie Wald und Steinbrnche auch ver-

Jena und Auerstädt s(14. Oktober 1806), Eylau
(7. u. 8. Febr. 1807) und Friedland (14. Juni 1807)
die Etappe des napoleonischen Siegeszuges. Schwer lastete
dasi Joch des Eroberers auf dem niedergetretenen Deutsch-
land.
Wie hätte das Schicksal Deutschlands sich gestaltet,
wenn Napoleon sich damals oder nach dem Feldzug gegen
Oesterreich 1809 mit der von ihm errungenen Machtstellung
begnügt hätte? Auch diese Frage gehört zu denen, bei
welchen der sinnende Geist unwillkürlich Halt macht, um
sich in Möglichkeiten zu ergehen, die — in unserem Falle
glücklicherweise — durch den Gang der Geschichte beseitigt
worden sind.
Napoleon zog'1812 nach Rußland; sein Glücksstern
erblich. Nur winzige Trümmer seines gewaltigen Heeres
retteten sich aus den Schneegefilden Rußlands über den
Memelfluß zurück. 1813 bei Leipzig geschlagen, 1814
in Paris zur Abdankung gezwungen, versuchte er 1815
nach seiner Flucht von Elba nochmals sein Glück. Der
Tag von Waterloo (18. Juni 1815) brach seine Herr-
schaft für inimer. Als ein Gefangener mußte er seine
letzten Lebensjahre thatenlos aus St. Helena zubringen.
Nachdem Ruhe eingetreten war und die Staubwolken
von dem Zusammenbruch des alten Deutschland sich ver-
zogen hatten, bot sich den Augen ein Bild, das weit von
dem des Deutschland am Beginne des Jahrhunderts ab-
wich. Die Zahl der deutschen Staaten war auf 39 ver-
mindert, an die Stelle des deutschen Kaisertums war
durch Bundesakte vom 8. Juni 1815 der deutsche
Bund unter dem Präsidium Oesterreichs getreten,
dessen Organ der Bundestag in Frankfurt war.
Die deutsche Landkarte war völlig umgestaltet. Fast größer
noch als die äußeren Aenderuügen war der Wandel in
den Gemütern. Wie Napoleon die europäischen Heere,
so hatten die Ideen der französischen Revolution
die Geister besiegt. Dazu die gehobene Stimmung als
Resultat des erfolgreichen Schlußkampfes gegen den korsi-
schen Eroberer! Wohl litt das verarmte, gleich einem
Patienten nach einer großen Operation blutleere Deutsch-
land an großer Schwäche, aber die Krisis war über-
wunden. Ein belebendes Gefühl der Genesung durchzog
das deutsche Volk; ein neuer Frühling schien gekommen.
Aber die Weltgeschichte bietet nur sehr wenige Bei-
spiele dafür, daß dieselbe Generation, welche die
Fesseln bricht, im Stande ist, die errungene Freiheit
würdig anzuwenden. In neuerer Zeit hat nur Japan
innerhalb eines Menschenalters Altes zu zerstören und
Neues aufzubauen vermocht; es verdient dieserhalb die
größte Bewunderung. Der Grund dafür, daß Japan aus-
zuführen im Stande war, was Deutschland seiner Zeit
nicht leisten konnte, ist nicht schwer aufzufinden: in Japan
waren die führenden Kreise von der Reformidee ergriffen
und leiteten das Volk systematisch in den neuen Zustand
über, in Deutschland dagegen war die Reformidee beim
Volk, die leitenden Kreise aber verschlossen sich ihr.
So führte die nationale und freiheitliche Bewegung
in Deutschland zunächst in einigen mittleren und kleineren
Staaten (Sachsen-Weimar, Baden, Bayern,^Württem-

berg) zu greifbaren Erfolgen in Gestalt von Ver-
fassungen mit Volksvertretung. Dem Streben,
diese neuen Zustände auf ganz Deutschland, insbesondere
auf die Großstaaten Oesterreich und Preußen, zu über-
tragen, widersetzte sich der Bundestag unter Metternichst
Führung mit allen Mitteln kleinlicher Ehikane und Ver-
folgungssucht. Die von ihm genehmigten Karlsbader
Beschlüsse (1819) der leitenden Staatsmänner nach der
unsinnigen Mordthat des Studenten Sand schlugen das
politische Leben Deutschlands in neue Fesseln und wirkten
durch die kleinliche engherzige Art ihrer Ausführung im
höchsten Maße erbitternd.
_(Schluß folgt.)
Aus Stadt und Land.
Eberbach, 31. Dez. Das definitive Ergebnis der Volks-
zählung weist 5858 Einwohner auf. Im Jahre 1800 hatte
Eberbach nur 2407 Einwohner und wenn die Zunahme von
3461 Köpfen im Laufe eines Jahrhunderts absolut nicht sehr
groß ist, so ist sie doch relativ befriedigend, denn sie beträgt
143 Prozent. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, daß
auch rückläufige Perioden während des Jahrhunderts vorkamen.
Bruchsal, 31. Dezbr. Für die Bürgerausschußsttzung am
nächsten Donnerstag stehen u. A. zur Beratung: Der Umbau
des Männerschwimmbades und des Mädchenschul-
hauses. Ersterer soll mit einem Aufwand von 20000 in
der Weise ausgeführt werden, daß beide Bassins die gleichen
Umwandungen und Anskleidezellen erhalten wie das Frauen-
schwimmbad. Die Kosten sind auf 20000 veranschlagt. Der
Neubau des Mädchenschulhauses erstreckt sich auf ein rechts vom
jetzigen Schulhause, gegen die Salzgasse hin, zu erstellendes drei-
stöckiges Gebäude, welches 3 Schulztmmer für die Mädchen-
Volksschule, 7 für die Töchterschule, ferner 2 Zimmer für Lehr-
mittel und zwei für Lehrer enthalten soll. Dagegen soll der
Zwischenbau zwischen dem alten Schulhause und dem Lehrer-
wohnungshause sofort beseitigt werden, sodaß das ganze künftige
Schulgebäude von der Marktftraße bis zur Salzgasse nach hinten
hinaus einen einheitlichen freien Platz erhält. Der Kosten-
voranschlag beläuft sich auf 160000
L.H. Bruchsal, 1. Jan. Wegen Erbauung einer Nebenbahn
Bruchsal-Hockenheim fand Sonntag Nachmittag im
Sitzungssäle des Rathauses eine Sitzung des Komitees statt,
wobei der Vorsitzende, Oberbürgermeister Stritt, die Mitteilung
machte, daß inzwischen mit verschiedenen Bahnbaugesellschaften
Unterhandlungen gepflogen wurden, die jedoch an keinem defini-
tiven Zielpunkte angelangt sind. Als Ursache der Verzögerung
wird die gegenwärtig sich überall unliebsam bemerkbar machende
Geldknappheit angegeben.
8.H. Kenziuge», 1. Jan. Vorgestern Abend brach in der
Scheuer der Witwe Fröhlich hier ein Brand aus. Glücklicher-
weise konnte derselbe noch im Entstehen gelöscht werden. Ein
der Brandstiftung dringend verdächtiger Handwerksbursche
wurde am gleichen Abend noch durch die Gendarmerie verhaftet
und den andern Morgen ins Amtsgefängnis eingeliefert.
Aus Baden. Dem wiedergenesenen Oberbürgermeister Beck
in Mannheim brachte die dortige Liedertafel am Sonntag
Abend in seiner Wohnung ein Ständchen dar. — In Dühren
(Amt Sinsheim) fand ein Landwirt beim Pflügen seines
Ackers einen zinnernen Krug, der 150 Stück Silbermünzen aus
dem 16. und 17. Jahrhundert enthielt. Die Münzen wurden
vermutlich während des 80jährigen Krieges dort vergraben und
dürften einen Liebhaberwert von 1—2000.— haben. — In
Karlsruhe ist Registrator Karl Ziegler am Samstag
Abend infolge eines Schlaganfalles, der ihn beim Betreten des
Restaurants „zum Krokodil" ereilte, unerwartet rasch verschieden.
Ziegler war eine den Karlsruhern wohlbekannte Persönlichkeit
und wegen seines biederen Charakters überall geschätzt und be-
liebt. Er erreichte ein Alter von 57 Jahren.

Für die Redaction verantwortlich: A. Mo utua in Heidelberg.

schleudert und — dabei brachte der alte Kallmeier sein Schäfchen
ins Trockene. . ."
„Er hat ganz recht daran gethan, zu nehmen, was auf der
Schüssel präsentiert wurde," fiel Kallmeier dem Vetter in die
Rede, „und ich danke es meinem Vater heute noch. Uebrigens
hat er tüchtig gearbeitet und gespart auch — und das haben wir,
ich und meine Frau, sofortgesetzt."
„Ja gewiß, Vetter Ilgen, ich und Christel haben uns nicht
geschont, wir haben mehr geschafft als unsere Arbeiter, und dabei
ruinier einträchtig zusammen gelebt, und darum lag auch Gottes
Segen auf unserem Hanse — denn es ist ein wahr Wort: Friede
ernährt, Unfriede verzehrt."
„Halt Lieschen! — soll das ein Stich auf mich sein". . .
„Bewahre, Vetter, weiß ich doch garnicht, wie Du mit Deiner
Frau lebst. . ."
„Wir leben ganz gut zusammen; sie vertraut mir in allen
Stücken, auch bei der Kindererzichung, Karl und Nickchen sind
folgsam, gehorchen auf einen Wink — und das ist die Hauptsache.
Wie lebt Ihr denn eigentlich mit den Leuten im Dorfe, habt Ihr
Umgang mit dem Pastor, und dem Förster Manfred?
„Mit dem Pastor," griff Kallmeier das Wort auf. „Nein,
mit dem mag ich nichts zu thun haben, seitdem er mich beleidigt
hat. Stelle Dir vor, Vetter, ich hatte einmal einen Knecht derb
geschlagen, und, weil der Bursche sich widersetzte und impertinent
wurde, und mir gerade ein Steinkrug nahe stand, ihm diesen an
seinen Dickkopf geworfen. Es war schlimm ausgefallen, freilich.
Nächsten Sonntag predigt der Pastor über den Spruch: im Zorn
thut der Mensch nicht, was vor Gott recht ist, und daraus führt
er dann allerlei Beispiele an, und mit Händen wars zu greifen,
auch mein Fall niit dem Knecht. Ich sitze in meinem Kirchstuhl
und weiß, daß alle Leute mich darauf ansehen, weiß, daß sie
sagen werden: „heute ist Kallmeier abgekanzelt," das Blut raste
nur so in meinen Körper, kannst es Wohl glauben, und dabei
mußte ich still sitzen, aushalten bis er vor dem Altar den Segen
gesprochen hatte." . . .
„Dies war schrecklich," fiel Lieschen ein, „ich konnte beim Hcraus-
gehcn keinen Menschen ansehen, und den Mittag haben wir gar
> nichts gegessen, nicht wahr, Christel, es war alles gallenbitter."
! Aber noch nicht genug mit der Vormittagspredigt, nachmittags

in der Kinderlehre nimmt er seine Predigt noch einmal durch und
examiniert sie über die einzelnen Fälle, in denen er gezeigt, daß
ein in Zorn handelnder Mensch großen Schaden anrichtcn könne.
Und darauf verlangt er von den Kindern, daß sie ihm ans eigenem
Nachdenken Beispiele anführen sollen, wo solches geschehen könne,
oder geschehen wäre. Da sie alle schweigen, fragt er den Fritze
Schaber seinen Jungen: „Weißt Tu auch kein Beispiel anzu-
führen, bist doch sonst immer der Erste sowohl in den Antworten
wie in der Schule. „Da hebt der Junge leise an, „der Mensch" . .
— „sprich lauter, ich kann Dich nicht verstehen", fährt der Pastor
auf ihn loS — und darauf schreit der Bengel laut in die Kirche
hinein vom Altar aus, wo sie stehen in der Kinderlehre: „Der
Mensch soll nicht im Zorn mit Steinkrügen werfen." Da haben
denn die Alten wie die Jungen gelacht, und er selbst, der Pastor,
hat sich die Bibel vor das Gesicht gehalten. Unsere alte Nach-
barin, Wittwe Kappe, Du kennst sie, und der Chiruigius Heine-
mann, der sich seit einem Jahre hier niedergelassen hat, kamen
beide nachmittags zu uns, und erzählten den Vorfall."
Lieschen fiel ein: „Ich dachte, der Schlag würde mich und
meinen Mann zugleich rühren, und bat nur den Chirurgius, uns
beide sogleich zur Ader zu lassen, was er auch that. T as ist nun
schon ein paar Jahre her, aber wir vergesseu's nicht. Die Würste
und das Brot, das er zu Martini von unserm Hofe zu fordern
hat, schicken wir gut und groß zu, weiter aber nichts, keine Speck-
seite mehr wie vordem- Mit der Freundschaft war's ans."
„Und so ist's geblieben," bestätigte Kallmeier.
„Das war freilich eine ärgerliche Geschichte." stimmte Vetter
Ilgen bei, „wie steht Ihr denn aber mit dem Förster Manfred?"
„Mit dem stehen wir gar nicht; radikal verfeindet sind wir,
dieser Hungerleider mit seinem bischen Latein will sich immer
geltend machen, immer das große Wort führen, und das letzte
haben, wenn über Gemeindeangelegenheiten im Kruge öffentlich
verhandelt wird. Wenn ich meine, die Sache klar gelegt zu haben,
an: Ziele zu sein, wirft er mir einen Stock zwischen die Beine
mit einem miserabelu Witz, die Leute lachen, hören auf ihn, und
seine Meinung bleibt oft Trumpf. Das ist mein stetiger Aerger."
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen