Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908
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Nr. 1
DOI article:Webel, Oskar: Rückblicke und Ausblicke
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1908 oo- JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST j-—-<-> 3
Edelmetallgewerbe beschieden, zu zeigen, dass es im Hand-
werk noch immer echte Meister und Künstler gibt, trotz der
Schulmänner und Akademiker. Es war dies bei Gelegen-
heit der
Ausstellung für christliche Kunst
in Aachen, auf welcher die Edelmetallkunst durch eine
Sonder-Ausstellung vertreten war. Der Erfolg dieser war
ein unbestrittener und zeigte den Gold- und Silberschmied
in einem künstlerischen Lichte, das gar manchen Zweifler
in gerechtes Erstaunen versetzt haben dürfte. Allerdings
ist es wohl mehr die katholische Kirche, welche das
Kunsthandwerk, im engeren Sinne das der kirchlichen
Geräte, befruchtet, doch auch die evangelische Kirche hat
vollständig fernstehenden Herrn veranlasst hat, sich zum
Reformator der bei uns gebräuchlichen Handelsbezeich-
nungen aufzuwerfen, ist nicht ganz klar, und das Mäntel-
chen der Wissenschaft nicht ganz ausreichend. Jedenfalls
hat er nicht damit gerechnet, dass die üblichen Bezeich-
nungen „Edelstein“ und „Halbedelstein“ uralt sind und
die erstere so treffend ist, dass es eine Ungerechtigkeit
aber auch Vermessenheit sondergleichen sein würde, sie
ausschalten zu wollen. Wir haben in dieser Angelegen-
heit unser fachmännisches Urteil abgegeben und wissen
uns in diesem eins mit dem der weitaus grössten Mehr-
heit der Juweliere und Goldschmiede von Ruf und Er-
fahrung. Es soll damit indes keineswegs gesagt sein,
in jüngster Zeit bei Erbauung zahlreicher neuer Gottes-
häuser einen erhöhten künstlerischen Massstab an ihre
sakralen Geräte gestellt. Man ist dabei zeitweilig auch
von den bisher allgemein üblichen Stilarten der romani-
schen und gotischen Epoche abgegangen und hat mit Glück
sowie Fug und Recht einen moderneren Geschmack in
den Dienst der Kirche gestellt. In dieser Beziehung ist
dem Gold- und Silberschmied noch eine dankbare Auf-
gabe gestellt, die es wert wäre, kirchlichen Auftraggebern
gegenüber zu vertreten.
Bei Gelegenheit der Aachener Ausstellung hat sich
wiederholt ein Mineraloge für die Einführung der Be-
zeichnung
Schmucksteine
im Steinhandel unseres Gewerbes ins Zeug gelegt, wohl
aber kaum in wirklichen Fachkreisen damit nennenswerten
Eindruck erzielt. Was den betreffenden, unserem Gewerbe
dass die Bezeichnung Schmucksteine für einen Teil von
den Schmuckzwecken dienenden Mineralien nicht angezeigt
sei, aber die zwingende Notwendigkeit liegt zunächst nicht
vor, deshalb die Gemüter aufzuregen und gegen den
Strom anzukämpfen.
Eine weit wichtigere Angelegenheit und Erscheinung
des verflossenen Jahres ist der durch das neue Kunst-
schutzgesetz vom 9. Januar 1907 gewährte
Rechtsschutz des Kunstgewerbes,
der endlich die immer dringender werdenden Wünsche
der Kunstgewerbetreibenden erfüllte und eine treffliche
Erläuterung im „Journal der Goldschmiedekunst“ durch
Prof. Dr. Osterrieth in den Nummern 29 und 31 dieses
Jahrganges fand.
Wenden wir unser Augenmerk der Produktion im
vergangenen Jahre zu, so können wir die erfreuliche Tat-
Edelmetallgewerbe beschieden, zu zeigen, dass es im Hand-
werk noch immer echte Meister und Künstler gibt, trotz der
Schulmänner und Akademiker. Es war dies bei Gelegen-
heit der
Ausstellung für christliche Kunst
in Aachen, auf welcher die Edelmetallkunst durch eine
Sonder-Ausstellung vertreten war. Der Erfolg dieser war
ein unbestrittener und zeigte den Gold- und Silberschmied
in einem künstlerischen Lichte, das gar manchen Zweifler
in gerechtes Erstaunen versetzt haben dürfte. Allerdings
ist es wohl mehr die katholische Kirche, welche das
Kunsthandwerk, im engeren Sinne das der kirchlichen
Geräte, befruchtet, doch auch die evangelische Kirche hat
vollständig fernstehenden Herrn veranlasst hat, sich zum
Reformator der bei uns gebräuchlichen Handelsbezeich-
nungen aufzuwerfen, ist nicht ganz klar, und das Mäntel-
chen der Wissenschaft nicht ganz ausreichend. Jedenfalls
hat er nicht damit gerechnet, dass die üblichen Bezeich-
nungen „Edelstein“ und „Halbedelstein“ uralt sind und
die erstere so treffend ist, dass es eine Ungerechtigkeit
aber auch Vermessenheit sondergleichen sein würde, sie
ausschalten zu wollen. Wir haben in dieser Angelegen-
heit unser fachmännisches Urteil abgegeben und wissen
uns in diesem eins mit dem der weitaus grössten Mehr-
heit der Juweliere und Goldschmiede von Ruf und Er-
fahrung. Es soll damit indes keineswegs gesagt sein,
in jüngster Zeit bei Erbauung zahlreicher neuer Gottes-
häuser einen erhöhten künstlerischen Massstab an ihre
sakralen Geräte gestellt. Man ist dabei zeitweilig auch
von den bisher allgemein üblichen Stilarten der romani-
schen und gotischen Epoche abgegangen und hat mit Glück
sowie Fug und Recht einen moderneren Geschmack in
den Dienst der Kirche gestellt. In dieser Beziehung ist
dem Gold- und Silberschmied noch eine dankbare Auf-
gabe gestellt, die es wert wäre, kirchlichen Auftraggebern
gegenüber zu vertreten.
Bei Gelegenheit der Aachener Ausstellung hat sich
wiederholt ein Mineraloge für die Einführung der Be-
zeichnung
Schmucksteine
im Steinhandel unseres Gewerbes ins Zeug gelegt, wohl
aber kaum in wirklichen Fachkreisen damit nennenswerten
Eindruck erzielt. Was den betreffenden, unserem Gewerbe
dass die Bezeichnung Schmucksteine für einen Teil von
den Schmuckzwecken dienenden Mineralien nicht angezeigt
sei, aber die zwingende Notwendigkeit liegt zunächst nicht
vor, deshalb die Gemüter aufzuregen und gegen den
Strom anzukämpfen.
Eine weit wichtigere Angelegenheit und Erscheinung
des verflossenen Jahres ist der durch das neue Kunst-
schutzgesetz vom 9. Januar 1907 gewährte
Rechtsschutz des Kunstgewerbes,
der endlich die immer dringender werdenden Wünsche
der Kunstgewerbetreibenden erfüllte und eine treffliche
Erläuterung im „Journal der Goldschmiedekunst“ durch
Prof. Dr. Osterrieth in den Nummern 29 und 31 dieses
Jahrganges fand.
Wenden wir unser Augenmerk der Produktion im
vergangenen Jahre zu, so können wir die erfreuliche Tat-