« JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST j -— ass
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Wo bleibt da das von Ihnen so oft betonte
Gerechtigkeitsgefühl ?
Wo bleibt da das Recht der freien Meinungs-
äusserung, welches Sie im „Offenen Sprechsaal“
jedem Abonnenten einräumen?“ usw. usw.
Obgleich wir, wie schon gesagt, von anderer Seite
Kenntnis von Geschäftsgepflogenheiten des Briefschreibers
erhalten hatten, die uns seine Artikel in einem etwas
anderen Lichte als vorher erscheinen liessen, konnten
wir denselben die Sachlichkeit doch nicht absprechen
und hatten somit keinen Grund mehr, Herrn Niedieck
das von diesem nachdrücklich als Abonnent in Anspruch
genommene Recht der freien Meinungsäusserung in der
betreffenden Rubrik zu verkümmern, auch dann nicht,
wenn wir damals schon über denselben derartig informiert
gewesen wären, wie wir es heute von beteiligter Seite
aus geworden sind. Namentlich aber insoweit nicht, als
es sich bei einer Erwägung der Ablehnung um die
wirtschaftlichen Erfolge Niediecks, die ja auch eigentlich
mit seinen sachlichen Behauptungen nichts zu tun haben,
handelte.
Hätten wir allerdings Kenntnis von der uns erst
durch die Zuschrift der Firma August Wellner Söhne
zu Gesicht gekommenen Annonce in den „Fliegenden
Blättern“ (siehe den Sprechsaalartikel in dieser Nummer)
gehabt, dann würden wir unbeschadet des Rechtes der
freien Meinungsäusserung gleichzeitig diese Art des Wett-
bewerbes an den Pranger gestellt haben. Selbstverständ-
lich fallen derartige Inserate aber zunächst den Beteiligten
in die Augen und Hände, und die Pflicht dieser sollte
es sein, ihre Fachpresse von solchen Erscheinungen zu
unterrichten. Dass dies keiner der in Frage kommenden
Fabrikanten auch nach dem ersten Sprechsaalartikel in
dieser Angelegenheit getan, ist ihnen und nicht
uns zum Vorwurf zu machen und illustriert leider zur
Genüge die Tatsache, dass die Deutschen viel zu wenig
in Fühlung mit ihrer Presse stehen und dass sie deren
Bedeutung als Vermittelungsorgan aller Interessenten
unterschätzen. Trotz alledem ist man leicht dazu ge-
neigt, von der Presse eine Art Allwissenheit zu verlangen,
und gerät gewaltig in den Harnisch, wenn sich die Folgen
einer eigenen Unterlassungssünde bemerkbar machen.
Nach der an anderer Stelle veröffentlichten Klar-
stellung dürfte sich wohl nunmehr die Aussprache über
dieses Thema erschöpft haben, weshalb wir hierdurch
die Debatte darüber schliessen möchten.
Die Redaktion.
Vom Rohmetall zum Gold- und Silberschmied.
Anschliessend an unsern allgemeinen Jahresbericht über
die Lage des Goldschmiedekunstgewerbes verdient vor
allen Dingen auch einmal zur Sprache gebracht zu werden,
welche Wege unsere Edelmetalle mitunter gehen, bevor
diese beim Goldschmied zum Schmuck zusammengesetzt
werden oder beim Silberschmied dann zu verschiedenen
Geräten verwendet werden. Diese Vorstufe der Be-
arbeitung, welche mit dem Worte „Zurichtung“ bezeichnet
wird, hat gerade in letzter Zeit eine ganz enorme Be-
deutung angenommen und jeden Goldschmied wird es
interessieren, wie sich dieses Teilgewerbe innerhalb unserer
Industriestädte entwickelt hat.
Die Zurichtung zu den einzelnen Arbeitsprozessen ist
ein technischer und kaufmännischer Vorteil des Gold-
schmieds und der Fabrikanten, denn durch eine passende
Vorbereitung der einzelnen Teilstücke wird die gesamte
Arbeit gleichmässiger in Form, billiger in aufgewendeter
Arbeitszeit und demzufolge derjenige, der sich einer vor-
teilhaften Zurichtung bedient, konkurrenzfähiger. Wie
plagt sich oft ein Goldschmied ab, bis er im Zieheisen
durch die Hand seine Drähte verschiedener Formen und
Stärken hergestellt hat, in den Spezialanstalten besorgen
dies automatisch arbeitende Zugbänke. Es soll damit
natürlich nicht gesagt sein, dass nunmehr alle und jede
Zurichtung schon fertig bezogen werden kann und für
den Goldschmied die Aufstapelung von Halbfabrikaten
rentabel genug sei — heute jedoch, wo aber der Laden-
goldschmied in geschäftsstillerer Zeit meist einzelne kou-
rantere Sachen noch selbst (als sogenanntes Ausfüll-
geschäft) zwecks Weiterbeschäftigung seiner Gehilfen
macht, da verdient ein Blick in die Vorteile der Gross-
fabrikation geworfen zu werden, damit jeder Interessent
sehen kann, wie weit die Ausnutzung der einzelnen Be-
triebsformen und Halbmaterialien sowie der Rohmetalle
für ihn in Frage kommt.
Unsere Abbildungen zeigen deshalb in erster Linie die
zwei grössten Doublefabriken unserer Industrie, die Etab-
lissements der Firmen Friedrich Kammerer (Fig. 1) und
Gustav Rau in Pforzheim, und zwar von letzterer Firma
auch einige Innenaufnahmen der Fabrikabteilungen, aus
denen sich der Leser ein Bild davon machen kann, wieviel
Hunderte von Personen in diesen Betrieben beschäftigt
sind. In grossen, feuer- und diebesfesten Kammern werden
hier die Rohmetalle und deren Legierungen aufbewahrt
und in buntem Durcheinander sehen wir Gold, Silber,
Double usw. in Stangen, Blechen, Röhren und Drahtrollen
untergebracht, während wiederum eine besondere Abteilung
die Halbfabrikate in kleinerem Stile wie Armbandschienen,
Ringschienen, Medaillonkapseln, Chatons, Gallerien usw.
birgt. In eigenen Schmelz- und Glühräumen (siehe Fig. 2)
sehen wir rauchgeschwärzte Schmelzer stehen, die un-
geheuer grosse Tiegel mit Legierungen in den verschiedenen
nebeneinanderliegenden Öfen eingesetzt haben und solche
oft mit besonderen Zugvorrichtungen zum Ausheben und
Ausgiessen bringen. Grosse Fallhämmer besorgen alsdann
das Klopfen und Stauchen der einzelnen Plansche und
nun macht letztere den Weg in die Walzwerke. Maschine
an Maschine werden hier die Blöcke entweder zu Draht
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Wo bleibt da das von Ihnen so oft betonte
Gerechtigkeitsgefühl ?
Wo bleibt da das Recht der freien Meinungs-
äusserung, welches Sie im „Offenen Sprechsaal“
jedem Abonnenten einräumen?“ usw. usw.
Obgleich wir, wie schon gesagt, von anderer Seite
Kenntnis von Geschäftsgepflogenheiten des Briefschreibers
erhalten hatten, die uns seine Artikel in einem etwas
anderen Lichte als vorher erscheinen liessen, konnten
wir denselben die Sachlichkeit doch nicht absprechen
und hatten somit keinen Grund mehr, Herrn Niedieck
das von diesem nachdrücklich als Abonnent in Anspruch
genommene Recht der freien Meinungsäusserung in der
betreffenden Rubrik zu verkümmern, auch dann nicht,
wenn wir damals schon über denselben derartig informiert
gewesen wären, wie wir es heute von beteiligter Seite
aus geworden sind. Namentlich aber insoweit nicht, als
es sich bei einer Erwägung der Ablehnung um die
wirtschaftlichen Erfolge Niediecks, die ja auch eigentlich
mit seinen sachlichen Behauptungen nichts zu tun haben,
handelte.
Hätten wir allerdings Kenntnis von der uns erst
durch die Zuschrift der Firma August Wellner Söhne
zu Gesicht gekommenen Annonce in den „Fliegenden
Blättern“ (siehe den Sprechsaalartikel in dieser Nummer)
gehabt, dann würden wir unbeschadet des Rechtes der
freien Meinungsäusserung gleichzeitig diese Art des Wett-
bewerbes an den Pranger gestellt haben. Selbstverständ-
lich fallen derartige Inserate aber zunächst den Beteiligten
in die Augen und Hände, und die Pflicht dieser sollte
es sein, ihre Fachpresse von solchen Erscheinungen zu
unterrichten. Dass dies keiner der in Frage kommenden
Fabrikanten auch nach dem ersten Sprechsaalartikel in
dieser Angelegenheit getan, ist ihnen und nicht
uns zum Vorwurf zu machen und illustriert leider zur
Genüge die Tatsache, dass die Deutschen viel zu wenig
in Fühlung mit ihrer Presse stehen und dass sie deren
Bedeutung als Vermittelungsorgan aller Interessenten
unterschätzen. Trotz alledem ist man leicht dazu ge-
neigt, von der Presse eine Art Allwissenheit zu verlangen,
und gerät gewaltig in den Harnisch, wenn sich die Folgen
einer eigenen Unterlassungssünde bemerkbar machen.
Nach der an anderer Stelle veröffentlichten Klar-
stellung dürfte sich wohl nunmehr die Aussprache über
dieses Thema erschöpft haben, weshalb wir hierdurch
die Debatte darüber schliessen möchten.
Die Redaktion.
Vom Rohmetall zum Gold- und Silberschmied.
Anschliessend an unsern allgemeinen Jahresbericht über
die Lage des Goldschmiedekunstgewerbes verdient vor
allen Dingen auch einmal zur Sprache gebracht zu werden,
welche Wege unsere Edelmetalle mitunter gehen, bevor
diese beim Goldschmied zum Schmuck zusammengesetzt
werden oder beim Silberschmied dann zu verschiedenen
Geräten verwendet werden. Diese Vorstufe der Be-
arbeitung, welche mit dem Worte „Zurichtung“ bezeichnet
wird, hat gerade in letzter Zeit eine ganz enorme Be-
deutung angenommen und jeden Goldschmied wird es
interessieren, wie sich dieses Teilgewerbe innerhalb unserer
Industriestädte entwickelt hat.
Die Zurichtung zu den einzelnen Arbeitsprozessen ist
ein technischer und kaufmännischer Vorteil des Gold-
schmieds und der Fabrikanten, denn durch eine passende
Vorbereitung der einzelnen Teilstücke wird die gesamte
Arbeit gleichmässiger in Form, billiger in aufgewendeter
Arbeitszeit und demzufolge derjenige, der sich einer vor-
teilhaften Zurichtung bedient, konkurrenzfähiger. Wie
plagt sich oft ein Goldschmied ab, bis er im Zieheisen
durch die Hand seine Drähte verschiedener Formen und
Stärken hergestellt hat, in den Spezialanstalten besorgen
dies automatisch arbeitende Zugbänke. Es soll damit
natürlich nicht gesagt sein, dass nunmehr alle und jede
Zurichtung schon fertig bezogen werden kann und für
den Goldschmied die Aufstapelung von Halbfabrikaten
rentabel genug sei — heute jedoch, wo aber der Laden-
goldschmied in geschäftsstillerer Zeit meist einzelne kou-
rantere Sachen noch selbst (als sogenanntes Ausfüll-
geschäft) zwecks Weiterbeschäftigung seiner Gehilfen
macht, da verdient ein Blick in die Vorteile der Gross-
fabrikation geworfen zu werden, damit jeder Interessent
sehen kann, wie weit die Ausnutzung der einzelnen Be-
triebsformen und Halbmaterialien sowie der Rohmetalle
für ihn in Frage kommt.
Unsere Abbildungen zeigen deshalb in erster Linie die
zwei grössten Doublefabriken unserer Industrie, die Etab-
lissements der Firmen Friedrich Kammerer (Fig. 1) und
Gustav Rau in Pforzheim, und zwar von letzterer Firma
auch einige Innenaufnahmen der Fabrikabteilungen, aus
denen sich der Leser ein Bild davon machen kann, wieviel
Hunderte von Personen in diesen Betrieben beschäftigt
sind. In grossen, feuer- und diebesfesten Kammern werden
hier die Rohmetalle und deren Legierungen aufbewahrt
und in buntem Durcheinander sehen wir Gold, Silber,
Double usw. in Stangen, Blechen, Röhren und Drahtrollen
untergebracht, während wiederum eine besondere Abteilung
die Halbfabrikate in kleinerem Stile wie Armbandschienen,
Ringschienen, Medaillonkapseln, Chatons, Gallerien usw.
birgt. In eigenen Schmelz- und Glühräumen (siehe Fig. 2)
sehen wir rauchgeschwärzte Schmelzer stehen, die un-
geheuer grosse Tiegel mit Legierungen in den verschiedenen
nebeneinanderliegenden Öfen eingesetzt haben und solche
oft mit besonderen Zugvorrichtungen zum Ausheben und
Ausgiessen bringen. Grosse Fallhämmer besorgen alsdann
das Klopfen und Stauchen der einzelnen Plansche und
nun macht letztere den Weg in die Walzwerke. Maschine
an Maschine werden hier die Blöcke entweder zu Draht