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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908

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Nr. 17
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Ein Fall zur Warnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0151

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i9os -JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST —-> 125

Ein Fall zur
Von dem Vorhandensein der Stadt Kreuzburg im Moskowiter-
Lande werden wohl die meisten unserer Leser bisher keine Kennt-
nis gehabt haben. Diese Lücke in den geographischen Kennt-
nissen nachzuholen, erscheint indes hoch an der Zeit, denn
jene kleine Stadt an der Düna, so halbwegs zwischen Riga und
Moskau, darf den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, in ihren
halbverfallenen Mauern einen Elitemenschen zu besitzen, eines
jener selbstlosen Gemüter, die aus reiner Nächstenliebe sich über
alle Regeln der Nationalökonomie hinwegsetzen, ebenso auch über
die blau-weissen Grenzpfähle ihres Vaterlandes, um urbi et orbi
ihre Bereitwilligkeit zum Wohltun zu verkünden. Ja, Kreuzburg
im Sumpfgebiet des russischen Semgalle, eines jener Nester, in
denen man das Wasser gemeinhin nur in gebranntem Zustande —
und nicht zu knapp konsumiert, hat den beneidenswerten Vorzug,
unter seinen talargeschmückten, mit Schmachtlocken gezierten
Einwohnern auch — Herrn Adolf Lerman zu zählen. Er ist kein
Theoretiker mit seinen die Menschheit beglückenden Zielen,
sondern ein praktischer Philantrop, ein Typus, wie es deren, den ‘ '■
Veilchen im Verborgenen gleich, wohl noch so manchen im Reiche
des „weissen Adlers“ geben mag, und deren Bekanntschaft zu j
machen man sich auch in Deutschland, und zumal in den Kreisen
der Goldschmiede und Juweliere, zweifellos freuen wird.
Ja — ein Prophet gilt bekanntlich nichts in seinem Vaterlande,
und sei es noch so gross und wohne der Zar auch noch so weit.^V;
Darum macht Herr Adolf Lerman aus seinem Herzen auch keine
Mördergrube und bekennt sich als einen Freund der Überbrückung
aller nationalen Gegensätze zwischen Russland und seinem west-
lichen Nachbar und insbesondere als einen Gönner und Helfer des
deutschen Goldschmiede- und Juweliergewerbes. Doch — „an
ihren Werken sollt ihr sie erkennen“, heisst es, und darum wollen
wir hier auch Herrn Adolf Lerman in Kreuzburg an der Düna,
selbst zu Worte kommen lassen, ihn aus seinem eigensten Wirken
charakterisieren, auf dass jedermann in unserer Branche ihn erkennen
und würdigen lerne, den dunklen Ehrenmann russisch-orien-
talischer Abkunft. In einem seiner berühmtesten Romane — „Ein
Goldmensch“ — schildert Maurus Jokai eine Persönlichkeit, unter
deren Händen sich alles in Gold zu verwandeln scheint, der
selbst die gewagtesten Spekulationen, die zweifelhaftesten Unter-
nehmungen zum gewinnreichsten Resultate führt, einen Mann,
der zwar häufig mit dem Ärmel das Zuchthaus streift, aber doch
immer „glücklich davon kommt“ — bis er freilich zuletzt an einer
Kleinigkeit hängen bleibt und über ein Zweiglein stürzt. So
weit ist es ja wohl mit Herrn Adolf Lerman aus Kreuzburg noch
nicht, aber wir hoffen, auch diesen negativen Ausgang an ihm
noch zu erleben.
Dass wir dabei nicht zu weit gehen und jedenfalls mit dieser
unserer Erwartung der Zustimmung aller unserer Leser sicher
sind, dafür bürgt das nachfolgende eigenhändige Schreiben, das
Herr Adolf Lerman an eine Anzahl deutscher Goldschmiede und
Juweliere vor kurzem versendet hat, und an dem wir nichts,
namentlich nichts an dem hinreissend schönen Stil und an der
beneidenswert richtigen Grammatik, sowie dem edelklaren Satz-
bau abgeändert haben.
Der Genannte beglückt also die erwähnten Kreise mit nach-
stehendem Elaborat:
Kreizburg. (sic. Die Red.). 10/23 März
1908.
Herrn N. N.
Ich habe 20 kilo Berg Gold 95 Die Probe in Stücken Blech
Geschmolzen, jeder Stück ist Die gewicht eine Gramm. Ich
werde die Ware Ihnen verkaufen mit 25°/0 billiger alles der

Warnung.
Gold kurs. Ich habe Ihr Adresse erfahren von ein Reisender,
welcher war in Deutschland, drum wende ich zu Ihnen, vileicht
'üö wollen Sie selbst, oder Sie haben ein Männ, welcher ist be-
reit bei mich die Ganze Ware kaufen, in jeder Fall kannen
Sie Schweres Geld von diesen Gescheft verdienen. Wann
Sie sind einverständ Gescheft schlissen, bitte sofort mich
Antwort geben, dann würd Sie von mich ein Antwort be-
kommen nach welche Ort zu kommen, die Ganze Ware an
zu Siehen, und Erkundiegen die Richtigkeit von die Sache.
Ich bin einverständ die Ware in Grössere oder in kleine
Theilen zu verkaufen. Auch kann ich Ihnen ein Theil von
die Ware in Credit geben auf eine kleine Zeit, wann Sie würd
beimich die Ganze Ware kaufen. Wan Sie sind einverständ
Gescheft Schlissen, müssen Sie nach Russland kommen, und
mit brüngen alle Nützigkeitige Mitlen und Gezeig zu Probieren
die Ganze Ware. Sie kannen Schneiden die Ganze Ware jeder
Stück besonder, und auf die Ganze Ware Giessen Scheid
Wasser, und auch die Ganze Ware Schmessen in ein Schmelz
kessel und zu Schmelzen.
Alle Ihre Umkosten nehme ich auf mich wann Sie würd
bei mich die Ganze Ware kaufen, oder in Fall wann Sie würd
sich über Zeigen nach Untersuchen die Ganze Ware, und die
Probe von die Fein Gold würd unter 95 sein. Ich erwarte
. sofort Antwort von Ihnen zu erhalten und Zeichne.
Mit Hochachtungsvoll
Adolf Lerman.
Brief-adresse:
Russland Kreizburg
De Wostrebowanie 25
Adolf Lerman.
Gut gebrüllt, Moskowitischer Kollege eines Riccaut de la
Marliniere! So ein bischen „corriger la fortune“ hilft schon im
Leben weiter! Herr Adolf Lerman, der mit den „spanischen
Schatzgräbern“ und den „böhmischen Geldmänneln“ in einer
Kategorie rangiert, wird ja nicht der letzte jenes Gelichters bleiben,
das auf die Dummheit seiner Mitmenschen spekuliert, denn es
ist klar, dass es sich bei seinem ganzen Vorgehen um ein
ebenso dreistes, wie raffiniertes Schwindelmanöver handelt, wenn
nicht gar um ein geplantes schlimmeres Verbrechen. Jedenfalls
möchten wir unter keinen Umständen trotz aller verheissungs-
vollen Zusicherungen des Herrn Lerman dessen Gast sein in
einer wildfremden Stadt, ohne Kenntnis der Landessprache. Dass
natürlich bei der ganzen Sache von „echtem“ Golde keine Rede
sein kann, sondern dass der „dumme Deutsche“, der auf den
Lockruf des russischen Gauners und seiner Hintermänner herein-
fällt, aufs schmählichste geprellt werden soll, ist ohne weiteres
klar. Wir hoffen, dass nicht etwa schon jemand aus den Kreisen
des deutschen Goldschmiede- und Juweliergewerbes diesem
„Kreizburger“ Sirenenklange ein williges Ohr geliehen hat! Finger
davon! muss es in diesem und jedem anderen ähnlichen Falle
heissen. Unsere verehrlichen Leser aber bitten wir, im Interesse
der Allgemeinheit, um ihre unerfahrenen Kollegen vor Schaden
zu schützen und den obskuren Elementen ä la Lerman ihr höchst-
gefährliches Treiben zu legen, uns jedesmal sofort schleunigst
alle Zuschriften gleichen Kalibers zur Veröffentlichung und all-
gemeinen Warnung zu übergeben. Dadurch erwirbt sich ein
jeder Kollege vom Fach ein nicht hoch genug zu schätzendes
Verdienst um die Sicherheit und das Gedeihen redlicher Arbeit,
ehrlichen Strebens in der Branche. Dr. D.
 
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