Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908
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Nr. 17
DOI article:Vom Tafelgerät unserer Vorfahren
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1908 JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST ~ 119
Vom Tafelgerät unserer Vorfahren.
Eine mit schim-
merndem Linnen,
mit Blumen ge-
schmückte Tafel,
auf der schöne
Geräte prangen,
erscheint unsheute
als unerlässliche
Voraussetzung
eines festlichen
Mahles, als die un-
entbehrlichen Bei-
gaben gastfreund-
licher Geselligkeit.
Nicht von jeher
aber standen all
die Geräte, deren
versetzt denkt. In der gabellosen Zeit war es Sitte, nach
der Mahlzeit mit Wasser gefüllte Schalen oder Schüsselchen
zu reichen, in denen sich die Gäste die Finger netzten.
Die Gabel, die Erfindung eines florentinischen Gold-
schmiedes, war im Mittelalter selbst an den Höfen der
Könige eine Seltenheit; erst in den ersten Jahrzehnten des
16. Jahrhunderts kam sie allmählich in Gebrauch. Sie galt
aber lange Zeit als überflüssig, ja, sie wurde als ein
Gegenstand höchsten Luxus betrachtet, so dass ihre An-
wendung in vielen Klöstern geradezu verpönt war. In
dem französischen Kloster Saint-Maur veranlasste die Ein-
führung der Gabel einen heftigen Streit zwischen den
alten und jungen Mönchen, da sich jene dem Gebrauche
der Gabel hartnäckig widersetzten und ihn für sündhaft
erklärten. Königin Elisabeth soll die erste Engländerin
gewesen sein, die sich der Gabel bediente; die Frauen
der Häuser York und Lancaster kannten sie nicht. Chinesen
und Japaner gebrauchen bekanntlich
noch heute zierliche Holzstäbchen
wir uns als selbstverständlich be-
dienen, zur Verfügung. Jedes Stück,
das auf unserem Tische steht, hat
seine Geschichte, sogar der Tisch
selber. Die Griechen und Römer ;
ruhten bei den Mahlzeiten auf Kissen,
vor denen niedrige Bänke standen,
die ihnen als Tische dienten. Die
ersten Tische in der noch heute ge-
bräuchlichen Gestalt sollen erst gegen
das Jahr 1000 erschienen sein.
Von den Essgeräten hat der
Löffel die längste Vergangenheit.
In Ägypten und bei den altnordischen
Völkern bildete er eine Nebenform x
der Trinkschale und war aus Kupfer
oder Edelmetall gefertigt. Die Römer
kannten die Schöpfkelle. Die Germanen
arbeiteten Löffel Vorfahren von Ge-
aus Horn oder schnitzten sie aus Holz, und ihre Form war
anfangs weder gefällig noch mundgerecht. Sie nannten den
Löffel „Spon“ oder „Spoon“; im Englischen führt er noch
heute diesen Namen, der mit Span verwandt ist. Später er-
schlecht zu Ge-
schlecht vererbt
wird. Auch im
Reiche der Sage
schienen Messer; vorerst war nur der „Ausschneider“ im
Besitze eines Tranchiermessers. Sonderbar ist es, dass
die Gabel erst gegen das 16. Jahrhundert aufkam. Vor
dieser Epoche wurden die Speisen mit den Fingern zum
Munde geführt. Auf diese Weise assen der grosse Perikies
und die geistvolle Aspasia, der göttliche Mark Anton und
die sinnbetörende Kleopatra, Held Siegfried und die blonde
und Dichtung
spielt der Becher
eine Rolle. Erst
als Venedigs Han-
del die Erzeug-
nisse der stolzen
Republik in alle
Krimhild, ja, noch Max, der letzte Ritter, und die schöne
Fernen verbreitete,
Maria von Burgund. Fast verblasst der Glanz des
klassischen Altertums, die phantasiereiche Romantik des
Mittelalters verliert ihren Zauber, wenn man sich an die
kamen die be-
rühmten venezia-
nischen Gläser auf
Tafeln der hohen und höchsten Herrschaften jener Zeit die Tafel der
anstatt der Gabeln.
Auch die Gläser, die heutzutage
in so entzückenden Formen, in
grösster Mannigfaltigkeit die Tafeln
zieren, waren bis zum 15. Jahrhundert
äusserst selten. Man bediente sich
hölzerner und zinnerner Becher; die
Reichen und Vornehmen besassen
prächtige Trinkgefässe aus Gold und
Silber, die noch in der Gegenwart
durch ihre oft kunstvolle Ausführung
Bewunderung erregen und die Zierden
manches alten Familienschatzes sind,
der als kostbarstes Andenken an die
3 ZIGARRETTENETUIS-ENTWÜRFE
von Georg Bastanier, Pforzheim.
Vom Tafelgerät unserer Vorfahren.
Eine mit schim-
merndem Linnen,
mit Blumen ge-
schmückte Tafel,
auf der schöne
Geräte prangen,
erscheint unsheute
als unerlässliche
Voraussetzung
eines festlichen
Mahles, als die un-
entbehrlichen Bei-
gaben gastfreund-
licher Geselligkeit.
Nicht von jeher
aber standen all
die Geräte, deren
versetzt denkt. In der gabellosen Zeit war es Sitte, nach
der Mahlzeit mit Wasser gefüllte Schalen oder Schüsselchen
zu reichen, in denen sich die Gäste die Finger netzten.
Die Gabel, die Erfindung eines florentinischen Gold-
schmiedes, war im Mittelalter selbst an den Höfen der
Könige eine Seltenheit; erst in den ersten Jahrzehnten des
16. Jahrhunderts kam sie allmählich in Gebrauch. Sie galt
aber lange Zeit als überflüssig, ja, sie wurde als ein
Gegenstand höchsten Luxus betrachtet, so dass ihre An-
wendung in vielen Klöstern geradezu verpönt war. In
dem französischen Kloster Saint-Maur veranlasste die Ein-
führung der Gabel einen heftigen Streit zwischen den
alten und jungen Mönchen, da sich jene dem Gebrauche
der Gabel hartnäckig widersetzten und ihn für sündhaft
erklärten. Königin Elisabeth soll die erste Engländerin
gewesen sein, die sich der Gabel bediente; die Frauen
der Häuser York und Lancaster kannten sie nicht. Chinesen
und Japaner gebrauchen bekanntlich
noch heute zierliche Holzstäbchen
wir uns als selbstverständlich be-
dienen, zur Verfügung. Jedes Stück,
das auf unserem Tische steht, hat
seine Geschichte, sogar der Tisch
selber. Die Griechen und Römer ;
ruhten bei den Mahlzeiten auf Kissen,
vor denen niedrige Bänke standen,
die ihnen als Tische dienten. Die
ersten Tische in der noch heute ge-
bräuchlichen Gestalt sollen erst gegen
das Jahr 1000 erschienen sein.
Von den Essgeräten hat der
Löffel die längste Vergangenheit.
In Ägypten und bei den altnordischen
Völkern bildete er eine Nebenform x
der Trinkschale und war aus Kupfer
oder Edelmetall gefertigt. Die Römer
kannten die Schöpfkelle. Die Germanen
arbeiteten Löffel Vorfahren von Ge-
aus Horn oder schnitzten sie aus Holz, und ihre Form war
anfangs weder gefällig noch mundgerecht. Sie nannten den
Löffel „Spon“ oder „Spoon“; im Englischen führt er noch
heute diesen Namen, der mit Span verwandt ist. Später er-
schlecht zu Ge-
schlecht vererbt
wird. Auch im
Reiche der Sage
schienen Messer; vorerst war nur der „Ausschneider“ im
Besitze eines Tranchiermessers. Sonderbar ist es, dass
die Gabel erst gegen das 16. Jahrhundert aufkam. Vor
dieser Epoche wurden die Speisen mit den Fingern zum
Munde geführt. Auf diese Weise assen der grosse Perikies
und die geistvolle Aspasia, der göttliche Mark Anton und
die sinnbetörende Kleopatra, Held Siegfried und die blonde
und Dichtung
spielt der Becher
eine Rolle. Erst
als Venedigs Han-
del die Erzeug-
nisse der stolzen
Republik in alle
Krimhild, ja, noch Max, der letzte Ritter, und die schöne
Fernen verbreitete,
Maria von Burgund. Fast verblasst der Glanz des
klassischen Altertums, die phantasiereiche Romantik des
Mittelalters verliert ihren Zauber, wenn man sich an die
kamen die be-
rühmten venezia-
nischen Gläser auf
Tafeln der hohen und höchsten Herrschaften jener Zeit die Tafel der
anstatt der Gabeln.
Auch die Gläser, die heutzutage
in so entzückenden Formen, in
grösster Mannigfaltigkeit die Tafeln
zieren, waren bis zum 15. Jahrhundert
äusserst selten. Man bediente sich
hölzerner und zinnerner Becher; die
Reichen und Vornehmen besassen
prächtige Trinkgefässe aus Gold und
Silber, die noch in der Gegenwart
durch ihre oft kunstvolle Ausführung
Bewunderung erregen und die Zierden
manches alten Familienschatzes sind,
der als kostbarstes Andenken an die
3 ZIGARRETTENETUIS-ENTWÜRFE
von Georg Bastanier, Pforzheim.