Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908

DOI Heft:
Nr. 29
DOI Artikel:
Vom deutschen Goldschmiedegewerbe und religiöser Kunst
DOI Artikel:
Petersen, Ernst: Ausbildung der Gold- und Silberschmiede an der Kgl. Zeichenakademie in Hanau a. M. [2]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0223

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1908

JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST j

197

grosse Vermögen repräsen-
tierende Arbeiten können von
Privaten natürlich niemals in
Bestellung gegeben werden.
Von besonders schöner Wir-
kung sind an dieser Monstranz
insbesondere noch die 6 auf
das Minutiöseste ausgeführten
Emailbilder am Fusse. Hier
hat das deutsche Gold-
schmiedegewerbe an einem
schwierigen Stücke, bei dem
indes so recht aus dem Vollen
gearbeitet werden konnte,
etwas ganz Hervorragendes
geschaffen.
Dasselbe gilt auch von
der Romanischen Monstranz
auf S. 195. Hier ist die Aus-
führung ebenfalls sehr reich
und vielgestaltig, und der Wert
des Metalls, der Brillanten,
Perlen und Edelsteine allein
wird auf 50000 Mark be-
ziffert. Diese Monstranz wurde
seinerzeit zuerst für den
Bischof Dr. Dominikus Willi
in Limburg angefertigt. Die
Filigranarbeit daran ist sehr
kunstvoll. Viele Emails be-
finden sich auf den Kreuz-
balken und 6 Emails auf dem
Fuss. Wiederholt wurde das
Kunstwerk dann in ganz
gleicher Ausführung im Auf-
trag der Landgräfin Anna von
Hessen für das Priesterseminar
zu Fulda, sowie später für
Grossauheim a. M. und für das
Cisterzienserstift in Szszyrzyce
in Galizien.


Romanischer Bischofsstab.
Ausgeflihrt von Domgoldschmied Wilhelm Rauscher, Fulda.

Wie man sieht, erstreckt
sich das Absatzgebiet solcher
Erzeugnisse deutscher Gold-
schmiedekunst weit über die
Grenzen unseres Vaterlandes
hinaus. Bis nach Amerika,
Afrika, Siam usw. sind schon
derartige Kunstwerke in meist
sehr wertvoller Ausführung ge-
gangen und haben dort der
Leistungsfähigkeit des deut-
schen Edelmetallgewerbes auf
diesem Spezialgenre das beste
Zeugnis ausgestellt. Die Firma
Rauscher ist keineswegs die
einzige Kunstwerkstätte dieser
Art — es gibt deren noch
verschiedene — aber sie ge-
hört zu den bedeutendsten, die
namentlich auch hinsichtlich
der Stilreinheit Hervorragendes
schafft. Da ist natürlich von
Massenfabrikation keine Rede,
ebensowenig von unechten
oder irgendwie sonst minder-
wertigem Material. Stoff und
Ausführung müssen bei all
den hier in Frage kommenden
Arbeiten auf gleicher Höhe
stehen. Unter dieser Voraus-
setzung hat sich denn auch,
wie die vorstehenden Abbil-
dungen erneut beweisen, das
deutsche Goldschmiedsge-
werbe, soweit es kirchlichen
Zwecken dient, so erfreulich
entwickelt, dass es sich in
seinen Leistungen ruhig neben
die besten Schöpfungen der
späteren Renaissance stellen
kann. Dr. D.

Ausbildung der Gold- und Silberschmiede an der Kgl. Zeichenakademie in Hanau a. M.
(Vom Direktor Prof. Ernst Petersen.} (Schluss.)

In der vorbereitenden Fachklasse für Goldschmiede
(Grätz) werden mustergiltige Gegenstände der Goldschmiede-
kunst aus den verschiedensten Zeiten, zum Teil Original-
Goldschmiedearbeiten, zum Teil Nachbildungen in Metall,
aber auch Gipsabgüsse derartiger Stücke, wie sie aus dem
Bayerischen Nationalmuseum und anderen Sammlungen
vorhanden sind, mit möglichster Exaktheit aufgenommen.
Dabei wird zunächst in wesentlich vergrössertem Mass-
stabe gearbeitet, bis der Schüler allmählich lernt, mit sorg-
fältigster Kleinzeichnung die Goldschmiedeform in natür-
licher Grösse wiederzugeben. Zunächst kommt jede
zufällige Formenabweichung des Originals zu genauer
Nachbildung. Mit der Zeit werden auch einfache farbige

Darstellungen geübt, doch immer erst dann, wenn nicht
mehr zu befürchten steht, dass die Freude an farbigen
Arbeiten eine Verminderung der zeichnerischen Sorgfalt
zur Folge hat. Um allmählich von dieser Studientätigkeit
zum freien Entwerfen überzuleiten, werden Übungen im
Gedächtniszeichnen angestellt. Hierbei handelt es sich
sowohl um die Stärkung des Formengedächtnisses, als in
gleicher Weise um die Anregung der Phantasie, da kom-
pliziertere Stücke nur zum Teil in das Gedächtnis ein-
gehen, nämlich, so weit sie dem Studierenden als wesentlich
erscheinen; so muss unmerklich die Phantasie selbsttätig
hinzutreten.
Zweck dieses Unterrichts ist, ergänzend zum Pflanzen-
 
Annotationen