■ JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST äs
OFFENER SFRECHS5ÖL.
In dieser Rubrik räumen wir unseren geschätzten Abonnenten das Recht einer freien Meinungsäusserung ein , das wir so lange nicht einzuschränken
beabsichtigen, als die Auslassungen nicht gegen das Gesetz und die gute Sitte verstossen. Auf der andern Seite lehnen wir aber auch ein für allemal
jede Verantwörung für den Inhaber der Einsendung ab. Die Redakion.
Noch einmal die Preise der versilberten Bestecke.
Im Anschluss an den in No. 45 Ihrer Fachzeitschrift
enthaltenen Leitartikel, „Der Fall des Silberpreises“, hat sich
eine Pressfehde entsponnen, welche unter der Überschrift
„Das Missverhältnis der Preise für echt silberne und ver-
silberte Bestecke“ in den folgenden Nummern 47 und 49
des letzten, sowie in No. 1 des neuen Jahrganges unter der
Rubrik „Offener Sprechsaal“ zum Ausdruck gekommen ist.
Die Rubrik „Offener Sprechsaal“ ist eine an sich
dankenswerte neue Einrichtung Ihres Blattes und die gleiche
Einrichtung hat sich durch gelegentliche Benützung in
Fachzeitschriften, welche andere Abteilungen unserer Werke
betreffen, nach meinen Erfahrungen schon öfter als nützlich
erwiesen, da durch die freie Meinungsäusserung der An-
schauung verschiedener Parteien die Verhältnisse nur ge-
läutert und mannigfach falsche Vorstellungen auf diesem
Wege in der breiten Öffentlichkeit am besten richtig ge-
stellt werden konnten. Unter der Voraussetzung mög-
licher Objektivität der Schriftleitung eines Blattes
muss daher die Einrichtung des offenen Sprechsaales als
eine zweckmässige erachtet werden.
Der Belehrungen der allgemein bekannten Tatsache,
nach welcher die verwendeten Mengen des niederge-
schlagenen Silbers auf 1 Dtzd. Paar Essbestecke~gerechnet
werden, welche den breitesten Raum in den frag!. Artikeln
einnahmen, bedarf es indes tatsächlich kaum einem einzigen
Goldarbeiter gegenüber. Allgemein aber wird man das
Geschreibsel als das geistige Produkt eines Ludwig Niedieck,
eines kleinen Galvaniseurs, auch ohne Namensnennung er-
kannt haben, da dessen Stilblüten aus Prospekten des letzten
Jahres nur zu bekannt sind, und erkennt man auch in
unserer Zeit jeden Vogel immer noch an den Federn.
Das J. d. G. hat nun Herrn Niedieck mit Aufnahme
seiner Geistesschätze, mit deren Bekanntgabe derselbe dem
Schreiber Dieses nach vorliegenden Briefen schon vor
Jahren gedroht hat und was nach Niediecks Meinung die
ganze Fachwelt in Alarm setzen sollte, sehr viel Ehre
angetan und ich würde es mir gern versagen, es ihm
durch Erwiderung der Artikel gleichzutun. Nachdem
aber einmal diese Geistesschätze des Herrn Niedieck
in einem angesehenen Blatte Aufnahme gefunden, kann
ich mir schon um deswillen eine Entgegnung nicht ver-
sagen, weil die Tendenz der Artikel eine ganz bestimmte
Absicht verfolgt, welche der Aufklärung bedarf und die
den Lesern des J. d. G. nicht vorenthalten bleiben möchte.
Ich muss mich deshalb mit der Person des Herrn
Niedieck etwas näher beschäftigen, so gern ich mir dies
sonst auch geschenkt haben würde.
Ludwig Niedieck ist der Gründer der heute noch
bestehenden angesehenen Firma Niedieck & Wiebe in
Düsseldorf, welche als Spezialität die Versilberung von
Alpaccabestecken betreibt, und war Niedieck, soweit ich
unterrichtet bin, länger als 15 Jahre bis zu Anfang des
Jahres 1902 alleiniger Inhaber dieser Firma. Niedieck
hat nun als solcher, wie man zu sagen pflegt, sehr gute
Jahre gehabt, denen man die heutige Zeit nicht zur Seite
stellen kann, da Herr Niedieck nachweislich unter viel
günstigeren Verhältnissen wirtschaften konnte, als es die
gegenwärtigen Verhältnisse darstellen und mit denen heute
die Alfenidewarenfabriken zu rechnen haben. Weiter
wird mir jeder eingeweihte Fachmann bestätigen, dass
Herr Niedieck in den 90er Jahren bessere Preise für ver-
silberte Bestecke erzielt hat, als solche heute von den
Alfenidewarenfabriken erzielt werden; keinesfalls waren
aber die von ihm jetzt als zu hoch verschrieenen Preise
billigere, als solche heute üblich sind. Trotz der gün-
stigeren Verhältnisse aber, unter denen Niedieck gearbeitet,
muss das Ergebnis einer 15jährigen Tätigkeit als ein ge-
radezu klägliches bezeichnet werden, denn dasselbe fand
in einem bei meinen Akten befindlichen Rundschreiben
an seine Gläubiger vom Dezember 1901 seine Erklärung,
in dem es darin wörtlich heisst, dass eine so erhebliche
Überschuldung eingetreten sei, dass bei einem Konkurse
— es waren gegen 200000 Mk. Passiven — die Gläubiger
aus der Masse nur einen verschwindend kleinen Prozent-
satz erhalten würden, und nur durch die Hochherzigkeit
eines vermögenden Verwandten des Herrn Niedieck, welcher
das Geschäft den Niedieckschen Kindern erhalten wollte,
kam ein aussergerichtlicher Vergleich auf der Basis von
50 Proz. zustande, während Niedieck selbst nach Eintritt
der Katastrophe aus dem Geschäft ausgeschieden ist, um
später als Arbeiter in der Versilberung seiner ehemaligen
Firma einen Platz zugewiesen zu erhalten.
Ich wäre sehr wohl in der Lage, manche weiteren
interessanten Episoden aus dem Leben des Herrn Niedieck,
welche sein geschäftliches Wirken in ein ganz eigentüm-
liches Licht stellen, zum Besten zu geben, wenn dies den
Raum des Artikels in einer Fachzeitschrift nicht über-
schreiten würde, und beschränke mich deshalb auf die
Erklärung, dass ich nach Vorstehendem einem Ludwig
Niedieck jede Befähigung zum Verfassen fachwissenschaft-
licher Arbeiten absprechen muss, worin mir jeder Fachmann
nur Recht geben wird.
Es erübrigt nach Vorstehendem noch, die Tendenz
selbst festzunageln, welche Niedieck mit der Lancierung
seiner Artikel in das J. d. G. verfolgen konnte, und auch
dies liegt für eingeweihte Kreise sehr klar zu tage.
OFFENER SFRECHS5ÖL.
In dieser Rubrik räumen wir unseren geschätzten Abonnenten das Recht einer freien Meinungsäusserung ein , das wir so lange nicht einzuschränken
beabsichtigen, als die Auslassungen nicht gegen das Gesetz und die gute Sitte verstossen. Auf der andern Seite lehnen wir aber auch ein für allemal
jede Verantwörung für den Inhaber der Einsendung ab. Die Redakion.
Noch einmal die Preise der versilberten Bestecke.
Im Anschluss an den in No. 45 Ihrer Fachzeitschrift
enthaltenen Leitartikel, „Der Fall des Silberpreises“, hat sich
eine Pressfehde entsponnen, welche unter der Überschrift
„Das Missverhältnis der Preise für echt silberne und ver-
silberte Bestecke“ in den folgenden Nummern 47 und 49
des letzten, sowie in No. 1 des neuen Jahrganges unter der
Rubrik „Offener Sprechsaal“ zum Ausdruck gekommen ist.
Die Rubrik „Offener Sprechsaal“ ist eine an sich
dankenswerte neue Einrichtung Ihres Blattes und die gleiche
Einrichtung hat sich durch gelegentliche Benützung in
Fachzeitschriften, welche andere Abteilungen unserer Werke
betreffen, nach meinen Erfahrungen schon öfter als nützlich
erwiesen, da durch die freie Meinungsäusserung der An-
schauung verschiedener Parteien die Verhältnisse nur ge-
läutert und mannigfach falsche Vorstellungen auf diesem
Wege in der breiten Öffentlichkeit am besten richtig ge-
stellt werden konnten. Unter der Voraussetzung mög-
licher Objektivität der Schriftleitung eines Blattes
muss daher die Einrichtung des offenen Sprechsaales als
eine zweckmässige erachtet werden.
Der Belehrungen der allgemein bekannten Tatsache,
nach welcher die verwendeten Mengen des niederge-
schlagenen Silbers auf 1 Dtzd. Paar Essbestecke~gerechnet
werden, welche den breitesten Raum in den frag!. Artikeln
einnahmen, bedarf es indes tatsächlich kaum einem einzigen
Goldarbeiter gegenüber. Allgemein aber wird man das
Geschreibsel als das geistige Produkt eines Ludwig Niedieck,
eines kleinen Galvaniseurs, auch ohne Namensnennung er-
kannt haben, da dessen Stilblüten aus Prospekten des letzten
Jahres nur zu bekannt sind, und erkennt man auch in
unserer Zeit jeden Vogel immer noch an den Federn.
Das J. d. G. hat nun Herrn Niedieck mit Aufnahme
seiner Geistesschätze, mit deren Bekanntgabe derselbe dem
Schreiber Dieses nach vorliegenden Briefen schon vor
Jahren gedroht hat und was nach Niediecks Meinung die
ganze Fachwelt in Alarm setzen sollte, sehr viel Ehre
angetan und ich würde es mir gern versagen, es ihm
durch Erwiderung der Artikel gleichzutun. Nachdem
aber einmal diese Geistesschätze des Herrn Niedieck
in einem angesehenen Blatte Aufnahme gefunden, kann
ich mir schon um deswillen eine Entgegnung nicht ver-
sagen, weil die Tendenz der Artikel eine ganz bestimmte
Absicht verfolgt, welche der Aufklärung bedarf und die
den Lesern des J. d. G. nicht vorenthalten bleiben möchte.
Ich muss mich deshalb mit der Person des Herrn
Niedieck etwas näher beschäftigen, so gern ich mir dies
sonst auch geschenkt haben würde.
Ludwig Niedieck ist der Gründer der heute noch
bestehenden angesehenen Firma Niedieck & Wiebe in
Düsseldorf, welche als Spezialität die Versilberung von
Alpaccabestecken betreibt, und war Niedieck, soweit ich
unterrichtet bin, länger als 15 Jahre bis zu Anfang des
Jahres 1902 alleiniger Inhaber dieser Firma. Niedieck
hat nun als solcher, wie man zu sagen pflegt, sehr gute
Jahre gehabt, denen man die heutige Zeit nicht zur Seite
stellen kann, da Herr Niedieck nachweislich unter viel
günstigeren Verhältnissen wirtschaften konnte, als es die
gegenwärtigen Verhältnisse darstellen und mit denen heute
die Alfenidewarenfabriken zu rechnen haben. Weiter
wird mir jeder eingeweihte Fachmann bestätigen, dass
Herr Niedieck in den 90er Jahren bessere Preise für ver-
silberte Bestecke erzielt hat, als solche heute von den
Alfenidewarenfabriken erzielt werden; keinesfalls waren
aber die von ihm jetzt als zu hoch verschrieenen Preise
billigere, als solche heute üblich sind. Trotz der gün-
stigeren Verhältnisse aber, unter denen Niedieck gearbeitet,
muss das Ergebnis einer 15jährigen Tätigkeit als ein ge-
radezu klägliches bezeichnet werden, denn dasselbe fand
in einem bei meinen Akten befindlichen Rundschreiben
an seine Gläubiger vom Dezember 1901 seine Erklärung,
in dem es darin wörtlich heisst, dass eine so erhebliche
Überschuldung eingetreten sei, dass bei einem Konkurse
— es waren gegen 200000 Mk. Passiven — die Gläubiger
aus der Masse nur einen verschwindend kleinen Prozent-
satz erhalten würden, und nur durch die Hochherzigkeit
eines vermögenden Verwandten des Herrn Niedieck, welcher
das Geschäft den Niedieckschen Kindern erhalten wollte,
kam ein aussergerichtlicher Vergleich auf der Basis von
50 Proz. zustande, während Niedieck selbst nach Eintritt
der Katastrophe aus dem Geschäft ausgeschieden ist, um
später als Arbeiter in der Versilberung seiner ehemaligen
Firma einen Platz zugewiesen zu erhalten.
Ich wäre sehr wohl in der Lage, manche weiteren
interessanten Episoden aus dem Leben des Herrn Niedieck,
welche sein geschäftliches Wirken in ein ganz eigentüm-
liches Licht stellen, zum Besten zu geben, wenn dies den
Raum des Artikels in einer Fachzeitschrift nicht über-
schreiten würde, und beschränke mich deshalb auf die
Erklärung, dass ich nach Vorstehendem einem Ludwig
Niedieck jede Befähigung zum Verfassen fachwissenschaft-
licher Arbeiten absprechen muss, worin mir jeder Fachmann
nur Recht geben wird.
Es erübrigt nach Vorstehendem noch, die Tendenz
selbst festzunageln, welche Niedieck mit der Lancierung
seiner Artikel in das J. d. G. verfolgen konnte, und auch
dies liegt für eingeweihte Kreise sehr klar zu tage.