Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0167
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Nr. 21
DOI article:Von deutscher Gold- und Silberschmiedekunst in vergangenen Tagen
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Journul der Goldsthmiedekunst
Hr.21
LEIPZIG
16. Mai 1908.
Inhaltsverzeichnis u. Bezugsbedingungen
befinden sich am Schlüsse des redakt. Teiles.
29
Jahrgang
Erscheint jeden Sonnabend
in zwei sich abwechselnden Ausgaben.
3uweliere, Gold- und Silberschmiede,
CHEMNITZ, GERA-ALTENBURG, GLEIWITZ, GLOGAU,
Innung pfälz.Gold- u. Silberarbeiter (Sitz: NEUSTADT a.H.),
der Freien Vereinigungen der Gold- und Silberschmiede zu
Silberschmiede von BADEN, WÜRTTEMBERG, RHEINLAND
WÜRZBURG und des Regierungsbezirks FRANKFURT a. O.
LEIPZIG, Reichsstrasse 18-20
Amtliches Organ des Verbandes Deutscher
der Goldschmiede-Innungen zu BERLIN, BRAUNSCHWEIG,
KOLBERG, LEIPZIG, LIEGNITZ und SCHWEIDNITZ, der
der Goldschmiede-Werkgenossen schäft BERLIN (E. G. m. b.H.),
GÖRLITZ u. STETTIN und der Vereine der Juweliere, Gold-u.
und WESTFALEN, KÖLN, MÜNCHEN, WIESBADEN,
==-] HERR!. SCHLAG HACHE
Nachdruck aller Artikel ohne Genehmigung der Redaktion ist verboten.
Von deutscher Gold- und Silberschmiedekunst in vergangenen Tagen.
Die ruhmreiche Vergangenheit des Goldschmiede-
gewerbes ist bekanntlich internationalen Charakters. Spe-
ziell auf deutschem Boden hat sich im Laufe der Jahr-
tausende wohl eine nationale Kunst auch in dieser Richtung
entwickelt, doch ist sie, zu ihrem wesentlichen Vorteil,
niemals von fremden, höher gestellten, weiter vorge-
schrittenen Kulturen unbeeinflusst geblieben. Die Antike,
das Byzantinertum, arabisch-maurische Momente, roma-
nische Vorbilder und zuletzt die Renaissance — das sind
die hauptsächlichsten Faktoren, die bei einem
Rückblick auf die Ausgestaltung des
deutschen Goldschmiedegewerbes zu
einem mächtigen, kräftig in die
Höhe, Breite und Tiefe gehenden
national-deutschen Werke niemals
äusser Acht gelassen werden
dürfen. Kunst und Handwerk
zugleich, in viel höherem Masse
als irgend eine andere gewerb-
liche Ausübung manueller Geschick-
lichkeit von der Bedeutung ihres Schaffens,
von dem ideellen und materiellen
Wert ihrer Produktion überzeugt,
ist die Tätigkeit des Goldschmiedes
schon in den frühesten Jahrhun-
derten des deutschen Mittelalters
eine hochangesehene. Da lohnt es sich wohl, einzelne be-
sonders charakteristische Daten und allgemein interessante
Vorkommnisse aus der Vergangenheit, aus der Geschichte
des deutschen Goldschmiedegewerbes in das Gedächtnis
der Gegenwart zurückzurufen, Momente, die freilich un-
wiederbringlich dahin sind, die sich nicht wieder erneuern
oder nachahmen lassen, die aber doch vieles Beherzigens-
werte für die moderne Generation, namentlich für den heu-
tigen jungen Nachwuchs im Goldschmiedegewerbe bieten.
In den Stürmen der Völkerwanderung fanden Wissen-
schaft, praktische kulturelle Arbeit und Kunst ihre Zuflucht
in erster Linie nicht an den Höfen der Könige und Grossen,
sondern zunächst in den Klöstern. Die Laienbrüder
in den Abteien und mönchischen Niederlassungen vor
allem trieben irgendwelche handwerksmässige Beschäftigung;
ja, selbst die Vornehmsten in den klösterlichen Ansied-
lungen, die mit der Zeit zu immer grösserer Bedeutung
gelangten, scheuten sich nicht, ein frommes Buch mit
kunstvollen Malereien, die elfenbeinernen Deckel eines
kostbaren, handschriftlichen Werkes mit zier-
lichen Schnitzereien zu schmücken, Siegel-
ringe zu gravieren, silberne und
goldene Leuchter, Monstranzen und
Reliquienschreine anzufertigen oder
sonst eine edle Kunst zu treiben,
Gott zur Ehre und der Kirche
und dem Kloster zum Ruhme.
Hören wir doch selbst von kunst-
erfahrenen Bischöfen, u. a. von
dem heiligen Eligius, der als Gold-
schmied von Limoges nach Paris sich
wandte, hier für die Frankenkönige
Chlotar und Dagobert die herr-
lichsten Werke schuf und dann,
zum Bischof von Tournay und
Noyon erhoben, seine Kunst willig
in den Dienst der Kirche stellte; oder von dem grossen
Bernward von Hildesheim, der in der Kunst des Erzgusses
ebenso wie in der Goldschmiedekunst erfahren war.
Als dann mit der Einkehr ruhigerer Verhältnisse, mit
der Konsolidierung des in den wilden Zeiten der Völker-
wanderung durch Gewalt gewonnenen Besitzes die Sess-
haftigkeit des Volkes zunahm und die Grossen nicht mehr
nur Landzerstörer und Landeroberer waren, da bildete sich
auch auf ihren Dominien, und zwar zunächst in der ein-
zig möglichen Form der Hörigkeit, das Handwerk aus, das
Rangstreit zwischen einem Goldschmiedjungen (rechts)
und einem Malerjungen (links)
Kupfer von J. Ammann (1539—1591). Dresden;
Kgl. Kupferstichkabinett.
Hr.21
LEIPZIG
16. Mai 1908.
Inhaltsverzeichnis u. Bezugsbedingungen
befinden sich am Schlüsse des redakt. Teiles.
29
Jahrgang
Erscheint jeden Sonnabend
in zwei sich abwechselnden Ausgaben.
3uweliere, Gold- und Silberschmiede,
CHEMNITZ, GERA-ALTENBURG, GLEIWITZ, GLOGAU,
Innung pfälz.Gold- u. Silberarbeiter (Sitz: NEUSTADT a.H.),
der Freien Vereinigungen der Gold- und Silberschmiede zu
Silberschmiede von BADEN, WÜRTTEMBERG, RHEINLAND
WÜRZBURG und des Regierungsbezirks FRANKFURT a. O.
LEIPZIG, Reichsstrasse 18-20
Amtliches Organ des Verbandes Deutscher
der Goldschmiede-Innungen zu BERLIN, BRAUNSCHWEIG,
KOLBERG, LEIPZIG, LIEGNITZ und SCHWEIDNITZ, der
der Goldschmiede-Werkgenossen schäft BERLIN (E. G. m. b.H.),
GÖRLITZ u. STETTIN und der Vereine der Juweliere, Gold-u.
und WESTFALEN, KÖLN, MÜNCHEN, WIESBADEN,
==-] HERR!. SCHLAG HACHE
Nachdruck aller Artikel ohne Genehmigung der Redaktion ist verboten.
Von deutscher Gold- und Silberschmiedekunst in vergangenen Tagen.
Die ruhmreiche Vergangenheit des Goldschmiede-
gewerbes ist bekanntlich internationalen Charakters. Spe-
ziell auf deutschem Boden hat sich im Laufe der Jahr-
tausende wohl eine nationale Kunst auch in dieser Richtung
entwickelt, doch ist sie, zu ihrem wesentlichen Vorteil,
niemals von fremden, höher gestellten, weiter vorge-
schrittenen Kulturen unbeeinflusst geblieben. Die Antike,
das Byzantinertum, arabisch-maurische Momente, roma-
nische Vorbilder und zuletzt die Renaissance — das sind
die hauptsächlichsten Faktoren, die bei einem
Rückblick auf die Ausgestaltung des
deutschen Goldschmiedegewerbes zu
einem mächtigen, kräftig in die
Höhe, Breite und Tiefe gehenden
national-deutschen Werke niemals
äusser Acht gelassen werden
dürfen. Kunst und Handwerk
zugleich, in viel höherem Masse
als irgend eine andere gewerb-
liche Ausübung manueller Geschick-
lichkeit von der Bedeutung ihres Schaffens,
von dem ideellen und materiellen
Wert ihrer Produktion überzeugt,
ist die Tätigkeit des Goldschmiedes
schon in den frühesten Jahrhun-
derten des deutschen Mittelalters
eine hochangesehene. Da lohnt es sich wohl, einzelne be-
sonders charakteristische Daten und allgemein interessante
Vorkommnisse aus der Vergangenheit, aus der Geschichte
des deutschen Goldschmiedegewerbes in das Gedächtnis
der Gegenwart zurückzurufen, Momente, die freilich un-
wiederbringlich dahin sind, die sich nicht wieder erneuern
oder nachahmen lassen, die aber doch vieles Beherzigens-
werte für die moderne Generation, namentlich für den heu-
tigen jungen Nachwuchs im Goldschmiedegewerbe bieten.
In den Stürmen der Völkerwanderung fanden Wissen-
schaft, praktische kulturelle Arbeit und Kunst ihre Zuflucht
in erster Linie nicht an den Höfen der Könige und Grossen,
sondern zunächst in den Klöstern. Die Laienbrüder
in den Abteien und mönchischen Niederlassungen vor
allem trieben irgendwelche handwerksmässige Beschäftigung;
ja, selbst die Vornehmsten in den klösterlichen Ansied-
lungen, die mit der Zeit zu immer grösserer Bedeutung
gelangten, scheuten sich nicht, ein frommes Buch mit
kunstvollen Malereien, die elfenbeinernen Deckel eines
kostbaren, handschriftlichen Werkes mit zier-
lichen Schnitzereien zu schmücken, Siegel-
ringe zu gravieren, silberne und
goldene Leuchter, Monstranzen und
Reliquienschreine anzufertigen oder
sonst eine edle Kunst zu treiben,
Gott zur Ehre und der Kirche
und dem Kloster zum Ruhme.
Hören wir doch selbst von kunst-
erfahrenen Bischöfen, u. a. von
dem heiligen Eligius, der als Gold-
schmied von Limoges nach Paris sich
wandte, hier für die Frankenkönige
Chlotar und Dagobert die herr-
lichsten Werke schuf und dann,
zum Bischof von Tournay und
Noyon erhoben, seine Kunst willig
in den Dienst der Kirche stellte; oder von dem grossen
Bernward von Hildesheim, der in der Kunst des Erzgusses
ebenso wie in der Goldschmiedekunst erfahren war.
Als dann mit der Einkehr ruhigerer Verhältnisse, mit
der Konsolidierung des in den wilden Zeiten der Völker-
wanderung durch Gewalt gewonnenen Besitzes die Sess-
haftigkeit des Volkes zunahm und die Grossen nicht mehr
nur Landzerstörer und Landeroberer waren, da bildete sich
auch auf ihren Dominien, und zwar zunächst in der ein-
zig möglichen Form der Hörigkeit, das Handwerk aus, das
Rangstreit zwischen einem Goldschmiedjungen (rechts)
und einem Malerjungen (links)
Kupfer von J. Ammann (1539—1591). Dresden;
Kgl. Kupferstichkabinett.