Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908
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Nr. 21
DOI Artikel:Von deutscher Gold- und Silberschmiedekunst in vergangenen Tagen
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■ JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST ■-
Ns 21
142
seine höchste Vollendung im Gold- und Silberschmied
fand. Dem Herren galt nach den formalen Bestimmungen
die ganze Tätigkeit auch dieser beiden Handwerker; er
allein konnte ihnen ja auch die zur Ausübung ihres Be-
rufes unentbehrlichen Materialien, die kostbaren Edel-
metalle, Perlen usw. zur Verfügung stellen, und er allein
war auch in jenen rohen Tagen der einzige, wenn man
von der Geistlichkeit absieht, der den Gold- und Silber-
schmieden wenigstens einigermassen nach fremden Vor-
bildern anzugeben vermochte, welchen Charakter ihre
Arbeiten tragen, welchen Zwecken sie dienen sollten.
Erst später bekamen auch die Gold- und Silberschmiede
von ihren Herren die Erlaubnis, für andere zu arbeiten,
Unter Karl dem Grossen wurden auch die Verhältnisse
des deutschen Handwerks sorgfältig geregelt und zu hoff-
nungsvoller Entwicklung gebracht. Jeder Grundherr zählte
fortan unter seinen Handwerkern mindestens einen Gold-
und Silberarbeiter; in der Abtei Corvey gab es im 9. Jahr-
hundert 2 Goldschmiede mit einer Anzahl Gehilfen; in
St. Gallen bestand ein eigenes Handwerkerhaus, in dem
auch die Goldschmiede ihre besonderen, von den übrigen
Gewerblern getrennten Werkstätten inne hatten. Unter
Karl dem Grossen kamen zuerst auch Meister der Gold-
schmiedekunst aus Italien und von jenseits der Pyrenäen
herüber zur Ausschmückung der königlichen Pfalzen und
der Kirchen; man denke an den Ausbau der Grabeskirche
zu Aachen, an die Dome
zu Speyer und Trier.
Wie sich dann später
die Verschmelzung der
hofrechtlichen Hand-
werker mit den von
aussen zugewanderten,
durch keine Pflicht und
Abgabe beschwerten,
freien Handwerkern voll-
zog, wie allmählich ein
völliger Umschwung ein-
trat, die Fesseln der
Hörigkeit fielen, das
Handwerk sich über-
haupt gänzlich vom
Dominium loslöste und
zu einer selbständigen
Tätigkeit, zu einem in
sich gefestigten Beruf
ward, das ist eines der
interessantesten, aber
auch schwierigen Kapi-
tel kulturgeschichtlichen
Charakters und soll hier
des Näheren nicht be-
Goldschmiedewerkstatt im 15. Jahrhundert. St. Eligius am Amboss mit 3 Gehilfen.
Kupfer eines unbekannten Meisters. Dresden; Kgl. Kupferstichkabinett. ("Aus Monographien zur deutschen Kulturgeschichte,
herausgegeben von Georg'Steinhausen; VIII. Band: Ernst Munimenhoff: „Der Handwerker in der deutschen Vergangenheit“.
Verlegt bei Eugen Diederichs in Leipzig.)
handelt werden. Nur
so viel sei gesagt, dass
der Gold- und Silber-
sdunied, der sich sehr
doch immer nur gegen eine Abgabe an denjenigen, auf
dessen Grund und Boden sie sassen, der ihnen Schutz
gewährte vor Feindes Gewalt, Nahrung und Kleidung, und
der auch in letzter Linie haftbar war für den Schaden,
den seine Handwerker böswillig oder fahrlässig anrichteten.
Ja, es hat sogar ganz den Anschein, als ob zuweilen,
wie im Alamannenrecht, bei den höheren Handwerkern, den
Goldschmieden und Schwertfegern, schon in jenen frühen
Zeiten der Erlaubnis zum öffentlichen Betriebe des Hand-
werks eine Prüfung voranzugehen hatte. In der Rangwertung
der Handwerke auch nach der rechtlichen Seite — und das
blieb viele Jahrhunderte so, bis lange nach der Reformation
— stand der Goldschmied obenan, dann kam der Silber-
schmied, darauf der Eisenschmied, der Zimmermann usw.
bald in seiner ganzen Wichtigkeit zu fühlen begann, der
erkannte, dass seine Erzeugnisse wirtschaftliche und künst-
lerische Werte von hoher Bedeutung darstellten, an dieser
Umwandlung einen wesentlichen Anteil gehabt hat.
Mit dem Aufblühen der Städte und dem Übergang
von der Natural- zur Geldwirtschaft schlossen sich dann
die primitiven Handwerkervereinigungen, die vielfach reli-
giös-genossenschaftlichen Charakter, besonders zur Pflege in
Krankheitsfällen, zurUnterstützung bedürftiger Kollegen usw.
gehabt hatten, in festere Organisationen zusammen. Der
im ganzen Mittelalter geltende Satz, dass „die Luft der
Stadt frei“ mache, d. h. dass jeder in das Weichbild der
Stadt Gelangte und dort seit Jahr und (1) Tag Wohnende
von seinem Gutsherrn nicht mehr reklamiert werden konnte,
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seine höchste Vollendung im Gold- und Silberschmied
fand. Dem Herren galt nach den formalen Bestimmungen
die ganze Tätigkeit auch dieser beiden Handwerker; er
allein konnte ihnen ja auch die zur Ausübung ihres Be-
rufes unentbehrlichen Materialien, die kostbaren Edel-
metalle, Perlen usw. zur Verfügung stellen, und er allein
war auch in jenen rohen Tagen der einzige, wenn man
von der Geistlichkeit absieht, der den Gold- und Silber-
schmieden wenigstens einigermassen nach fremden Vor-
bildern anzugeben vermochte, welchen Charakter ihre
Arbeiten tragen, welchen Zwecken sie dienen sollten.
Erst später bekamen auch die Gold- und Silberschmiede
von ihren Herren die Erlaubnis, für andere zu arbeiten,
Unter Karl dem Grossen wurden auch die Verhältnisse
des deutschen Handwerks sorgfältig geregelt und zu hoff-
nungsvoller Entwicklung gebracht. Jeder Grundherr zählte
fortan unter seinen Handwerkern mindestens einen Gold-
und Silberarbeiter; in der Abtei Corvey gab es im 9. Jahr-
hundert 2 Goldschmiede mit einer Anzahl Gehilfen; in
St. Gallen bestand ein eigenes Handwerkerhaus, in dem
auch die Goldschmiede ihre besonderen, von den übrigen
Gewerblern getrennten Werkstätten inne hatten. Unter
Karl dem Grossen kamen zuerst auch Meister der Gold-
schmiedekunst aus Italien und von jenseits der Pyrenäen
herüber zur Ausschmückung der königlichen Pfalzen und
der Kirchen; man denke an den Ausbau der Grabeskirche
zu Aachen, an die Dome
zu Speyer und Trier.
Wie sich dann später
die Verschmelzung der
hofrechtlichen Hand-
werker mit den von
aussen zugewanderten,
durch keine Pflicht und
Abgabe beschwerten,
freien Handwerkern voll-
zog, wie allmählich ein
völliger Umschwung ein-
trat, die Fesseln der
Hörigkeit fielen, das
Handwerk sich über-
haupt gänzlich vom
Dominium loslöste und
zu einer selbständigen
Tätigkeit, zu einem in
sich gefestigten Beruf
ward, das ist eines der
interessantesten, aber
auch schwierigen Kapi-
tel kulturgeschichtlichen
Charakters und soll hier
des Näheren nicht be-
Goldschmiedewerkstatt im 15. Jahrhundert. St. Eligius am Amboss mit 3 Gehilfen.
Kupfer eines unbekannten Meisters. Dresden; Kgl. Kupferstichkabinett. ("Aus Monographien zur deutschen Kulturgeschichte,
herausgegeben von Georg'Steinhausen; VIII. Band: Ernst Munimenhoff: „Der Handwerker in der deutschen Vergangenheit“.
Verlegt bei Eugen Diederichs in Leipzig.)
handelt werden. Nur
so viel sei gesagt, dass
der Gold- und Silber-
sdunied, der sich sehr
doch immer nur gegen eine Abgabe an denjenigen, auf
dessen Grund und Boden sie sassen, der ihnen Schutz
gewährte vor Feindes Gewalt, Nahrung und Kleidung, und
der auch in letzter Linie haftbar war für den Schaden,
den seine Handwerker böswillig oder fahrlässig anrichteten.
Ja, es hat sogar ganz den Anschein, als ob zuweilen,
wie im Alamannenrecht, bei den höheren Handwerkern, den
Goldschmieden und Schwertfegern, schon in jenen frühen
Zeiten der Erlaubnis zum öffentlichen Betriebe des Hand-
werks eine Prüfung voranzugehen hatte. In der Rangwertung
der Handwerke auch nach der rechtlichen Seite — und das
blieb viele Jahrhunderte so, bis lange nach der Reformation
— stand der Goldschmied obenan, dann kam der Silber-
schmied, darauf der Eisenschmied, der Zimmermann usw.
bald in seiner ganzen Wichtigkeit zu fühlen begann, der
erkannte, dass seine Erzeugnisse wirtschaftliche und künst-
lerische Werte von hoher Bedeutung darstellten, an dieser
Umwandlung einen wesentlichen Anteil gehabt hat.
Mit dem Aufblühen der Städte und dem Übergang
von der Natural- zur Geldwirtschaft schlossen sich dann
die primitiven Handwerkervereinigungen, die vielfach reli-
giös-genossenschaftlichen Charakter, besonders zur Pflege in
Krankheitsfällen, zurUnterstützung bedürftiger Kollegen usw.
gehabt hatten, in festere Organisationen zusammen. Der
im ganzen Mittelalter geltende Satz, dass „die Luft der
Stadt frei“ mache, d. h. dass jeder in das Weichbild der
Stadt Gelangte und dort seit Jahr und (1) Tag Wohnende
von seinem Gutsherrn nicht mehr reklamiert werden konnte,