Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908
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DOI Heft:
Nr. 41
DOI Artikel:Lockartikel als unlauterer Wettbewerb
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« JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST ■
280
Lockartikel als unlauterer Wettbewerb.
(Nachdruck verboten.)
So wenig befriedigend für unsere Geschäftswelt die
bekannte Stellung des Reichsgerichts in der Frage des
Ausverkaufsunwesens ist, so erfreulich tritt das Reichs-
gericht andrerseits dem Lockartikelunwesen entgegen;
das zeigt wieder einmal eine kürzlich ergangene Ent-
scheidung. Ein Geschäftsmann hatte, um das Publikum
anzulocken, im Schaufenster Waren zu Preisen ausge-
stellt, die weit unter dem regulären Preise blieben. Ein
Konkurrent, der sich hierdurch geschädigt fühlte, klagte
nun deswegen mit Erfolg gegen diesen Geschäftsmann
auf Unterlassung und Leistung von Schadenersatz. Der
Beklagte machte zu seiner Verteidigung geltend, dass
die betreffenden, mit schein-
liche Waren in offenbarem Widerspruch stehen, begeht
eine Täuschung des Publikums-, dieses muss dadurch
zu dem Glauben veranlasst werden, auch andere ähn-
liche Waren zu denselben billigen Preisen in diesem
Geschäft kaufen zu können. Hierin liegt eine Irreführung
des Publikums im Sinne von § 1 und § 4 des Unlauteren
Wettbewerb-Gesetzes. Nun liegt ja aber auch der Ein-
wand nahe, dass man einem Geschäftsmann nicht gut
verbieten könne, zurückgesetzte Waren, die er zu billigen
Preisen verkaufen wolle, auch zu diesen billigen Preisen
öffentlich in seinem Schaufenster anzubieten. Gewiss
kann er das, doch muss er, so führt das Reichsgerichl
aus, solche Waren von den
bar so billigen Preisen an-
gebotenen Waren zurückge-
setzte Artikel gewesen wären,
die entweder schadhaft oder
von nicht mehr gangbarer
Art waren. Die angezeigten
Preise seien für die be-
treffenden Waren daher
durchaus ernsthaft gemeint
gewesen; er wäre jederzeit
bereit gewesen, sie für die
angezeigten Preise zu ver-
kaufen, was übrigens häufig
vorgekommen sei.
Das Reichsgericht hat,
indem es die Angaben des
Beklagten selbst alle als
wahr unterstellte, dennoch,
wie schon erwähnt, den Be-
klagten nach dem Anträge
des Klägers verurteilt. —
Aus den dem Urteil dieses
höchsten Gerichtshofes bei-
gefügten Gründen sei hier
folgendes von sozusagen
prinzipieller Bedeutung her-
vorgehoben:
Die Auslagen in den
Schaufenstern dienen weni-
ger dazu, die ausgestellten
Stücke selbst zum Verkauf
zu bringen, sondern vielmehr
dazu, dem Publikum die
Preislage der in dem Ge-
schäft geführten Waren von
gleicher Qualität zur Kennt-
nis zu bringen; hiergegen
tritt der Verkauf der in dem Schaufenster ausgelegten
Waren völlig zurück; vielfach würde es sogar selbst dem
reellen Geschäftsmann unerwünscht sein, wenn das Pu-
blikum darauf bestünde, gerade die im Schaufenster
ausgestellten Waren zu haben, denn das hat ja bekannt-
lich für den Verkäufer mancherlei Nachteile im Gefolge;
oft würde es auch die Dekoration des Schaufensters
zerstören. Der Geschäftsmann aber, der bestimmte
Waren, die äusserlich für das Publikum nicht minder-
wertig erscheinen, zu Preisen im Schaufenster aus-
stellt, die mit den sonst üblichen Preisen für ähn-
regulären Waren irgendwie
unterscheidbar machen; er
darf sie nicht unterschieds-
los zusammen im Schau-
fenster auslegen; es muss
erkennbar sein, dass es sich
um Ausnahmepreise handelt.
Tut er das nicht, legt er
vielmehr zurückgesetzte, mit
auffallend billigen Preisen
versehene Waren neben an-
deren regulären, aber nicht
ausgezeichneten Waren aus,
wie es hier geschehen war,
so muss hierdurch das Pu-
blikum irregeführt werden.
— So das Reichsgericht. —
Dieses Urteil dürfte von
jedem reellen Geschäftsmann
mit Befriedigung aufge-
nommen werden. Es gibt
wohl keine Branche, die
nicht unter schmutziger Kon-
kurrenz zu leiden hätte, und
da steht das Lockartikelun-
wesen heutzutage, wo man
ja nicht ohne Grund immer
mehr Gewicht auf das Schau-
fenster legt, obenan.
Mögen unsere Leser sich
diese Entscheidung zu nutze
machen und gegen jede
Konkurrenz in dieser Be-
ziehung unnachsichtlich vor-
gehen. Es wird am zweck-
mässigsten,weil am wenigsten
kostspielig, sein, in solchen
Fällen sich zunächst einmal mit einer Anzeige an die
Staatsanwaltschaft zu wenden. Diese hat zwar das
Recht, den Anzeigenden auf den Weg der Privatklage
zu verweisen, doch sind die Staatsanwaltschaften durch
eine Ministerialverfügung angewiesen, ein öffentliches
Interesse, wenn irgend angängig, für vorliegend anzu-
sehen. — Neben der Bestrafung kann dann der Ge-
schädigte in dem Strafverfahren, dem er sich als Neben-
kläger anschliesst, statt des Schadenersatzes, den er
mit einer Zivilklage verlangen kann, Busse bis zum
Betrage von 10000 Mark fordern.
Ref. Sc/zönrocZr-Berlin.
Relief, in Messing getrieben von G. Bergmann.
Aus der Ziselierwerkstätte des Herrn Prof. Offterdinger
an der Kgl. Zeichenakademie Hanau.
280
Lockartikel als unlauterer Wettbewerb.
(Nachdruck verboten.)
So wenig befriedigend für unsere Geschäftswelt die
bekannte Stellung des Reichsgerichts in der Frage des
Ausverkaufsunwesens ist, so erfreulich tritt das Reichs-
gericht andrerseits dem Lockartikelunwesen entgegen;
das zeigt wieder einmal eine kürzlich ergangene Ent-
scheidung. Ein Geschäftsmann hatte, um das Publikum
anzulocken, im Schaufenster Waren zu Preisen ausge-
stellt, die weit unter dem regulären Preise blieben. Ein
Konkurrent, der sich hierdurch geschädigt fühlte, klagte
nun deswegen mit Erfolg gegen diesen Geschäftsmann
auf Unterlassung und Leistung von Schadenersatz. Der
Beklagte machte zu seiner Verteidigung geltend, dass
die betreffenden, mit schein-
liche Waren in offenbarem Widerspruch stehen, begeht
eine Täuschung des Publikums-, dieses muss dadurch
zu dem Glauben veranlasst werden, auch andere ähn-
liche Waren zu denselben billigen Preisen in diesem
Geschäft kaufen zu können. Hierin liegt eine Irreführung
des Publikums im Sinne von § 1 und § 4 des Unlauteren
Wettbewerb-Gesetzes. Nun liegt ja aber auch der Ein-
wand nahe, dass man einem Geschäftsmann nicht gut
verbieten könne, zurückgesetzte Waren, die er zu billigen
Preisen verkaufen wolle, auch zu diesen billigen Preisen
öffentlich in seinem Schaufenster anzubieten. Gewiss
kann er das, doch muss er, so führt das Reichsgerichl
aus, solche Waren von den
bar so billigen Preisen an-
gebotenen Waren zurückge-
setzte Artikel gewesen wären,
die entweder schadhaft oder
von nicht mehr gangbarer
Art waren. Die angezeigten
Preise seien für die be-
treffenden Waren daher
durchaus ernsthaft gemeint
gewesen; er wäre jederzeit
bereit gewesen, sie für die
angezeigten Preise zu ver-
kaufen, was übrigens häufig
vorgekommen sei.
Das Reichsgericht hat,
indem es die Angaben des
Beklagten selbst alle als
wahr unterstellte, dennoch,
wie schon erwähnt, den Be-
klagten nach dem Anträge
des Klägers verurteilt. —
Aus den dem Urteil dieses
höchsten Gerichtshofes bei-
gefügten Gründen sei hier
folgendes von sozusagen
prinzipieller Bedeutung her-
vorgehoben:
Die Auslagen in den
Schaufenstern dienen weni-
ger dazu, die ausgestellten
Stücke selbst zum Verkauf
zu bringen, sondern vielmehr
dazu, dem Publikum die
Preislage der in dem Ge-
schäft geführten Waren von
gleicher Qualität zur Kennt-
nis zu bringen; hiergegen
tritt der Verkauf der in dem Schaufenster ausgelegten
Waren völlig zurück; vielfach würde es sogar selbst dem
reellen Geschäftsmann unerwünscht sein, wenn das Pu-
blikum darauf bestünde, gerade die im Schaufenster
ausgestellten Waren zu haben, denn das hat ja bekannt-
lich für den Verkäufer mancherlei Nachteile im Gefolge;
oft würde es auch die Dekoration des Schaufensters
zerstören. Der Geschäftsmann aber, der bestimmte
Waren, die äusserlich für das Publikum nicht minder-
wertig erscheinen, zu Preisen im Schaufenster aus-
stellt, die mit den sonst üblichen Preisen für ähn-
regulären Waren irgendwie
unterscheidbar machen; er
darf sie nicht unterschieds-
los zusammen im Schau-
fenster auslegen; es muss
erkennbar sein, dass es sich
um Ausnahmepreise handelt.
Tut er das nicht, legt er
vielmehr zurückgesetzte, mit
auffallend billigen Preisen
versehene Waren neben an-
deren regulären, aber nicht
ausgezeichneten Waren aus,
wie es hier geschehen war,
so muss hierdurch das Pu-
blikum irregeführt werden.
— So das Reichsgericht. —
Dieses Urteil dürfte von
jedem reellen Geschäftsmann
mit Befriedigung aufge-
nommen werden. Es gibt
wohl keine Branche, die
nicht unter schmutziger Kon-
kurrenz zu leiden hätte, und
da steht das Lockartikelun-
wesen heutzutage, wo man
ja nicht ohne Grund immer
mehr Gewicht auf das Schau-
fenster legt, obenan.
Mögen unsere Leser sich
diese Entscheidung zu nutze
machen und gegen jede
Konkurrenz in dieser Be-
ziehung unnachsichtlich vor-
gehen. Es wird am zweck-
mässigsten,weil am wenigsten
kostspielig, sein, in solchen
Fällen sich zunächst einmal mit einer Anzeige an die
Staatsanwaltschaft zu wenden. Diese hat zwar das
Recht, den Anzeigenden auf den Weg der Privatklage
zu verweisen, doch sind die Staatsanwaltschaften durch
eine Ministerialverfügung angewiesen, ein öffentliches
Interesse, wenn irgend angängig, für vorliegend anzu-
sehen. — Neben der Bestrafung kann dann der Ge-
schädigte in dem Strafverfahren, dem er sich als Neben-
kläger anschliesst, statt des Schadenersatzes, den er
mit einer Zivilklage verlangen kann, Busse bis zum
Betrage von 10000 Mark fordern.
Ref. Sc/zönrocZr-Berlin.
Relief, in Messing getrieben von G. Bergmann.
Aus der Ziselierwerkstätte des Herrn Prof. Offterdinger
an der Kgl. Zeichenakademie Hanau.