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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908

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Nr. 37
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Die Gehilfennot im Goldschmiedsgewerbe und ihre Hauptursachen
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https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0289

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Journal der Goldschmiedehunst

Dr. 37

LEIPZIG

5. September 1908.

Nachdruck aller Artikel ohne Genehmigung der Redaktion ist verboten

Die Gehilfennot im Goldschmiedsgewerbe und ihre Hauptursachen.

bildet

Hanau.

Inhaltsverzeichnis u. Bezugsbedingungen
befinden sich am Schlüsse des redakt. Teiles.

:: :: Erscheint jeden Sonnabend :: ::
in zwei sich abwechselnden Ausgaben.

29,
Jahrgang.

Moderne Haarnadel,
entworfen und ausgeführt in
der Klasse des Prof. Offter-
dinger in der Kgl. Zeichen-
akademie

Dass tatsächlich seit langem schon im Goldschmieds-
gewerbe eine Gehilfennot besteht, dass es immer schwerer
wird, Gutes leistende Hilfskräfte für die Werkstatt zu
bekommen, ist eine allerdings sehr bedauerliche, aber
feststehende Tatsache. Niemand weiss das besser, als die
Leitung des „Journals der Goldschmiedekunst“,
dieses doch in seinem seit annähernd 30 Jahren
bestehenden Arbeitsnachweis die Zentralver-
mittelungsstelle für Angebot und Nachfrage im
Goldschmiedsgewerbe. Die Klagen der Prinzi-
pale über den quantitativen und qualitativen
Mangel an geschultem Werkstattpersonal haben
sich aber in jüngster Zeit dermassen gehäuft,
und sind derart eindringlich geworden, dass
es wohl angebracht erscheint, in unserem, in
den weitesten Schichten der Branche gelesenen
Fachblatt sine ira et Studio öffentlich behandelt zu
werden. Vor allem liegt uns im allgemeinen Inter-
esse daran, eine möglichst ausführliche Besprechung
des bitter empfundenen Notstandes aus den Kreisen
der in der Praxis selbst Stehenden herbeizuführen.
Nur im Austausch der vom einzelnen nach dieser
Richtung gemachten Erfahrungen und Erlebnisse, nur
in der Vorbringung wirklich ausführbar erscheinender
Reformratschläge können sich Wege zur Abhilfe
dieser „Leutenot“ ergeben. Es sollte darum auch
keiner zurückstehen mit der Bekanntgabe dessen,
was ihm zur Lösung dieses Problems empfehlens-
wert erscheint, zur Abstellung einer im höchsten
Masse bedenklichen Situation, die die fernere ge-
deihliche Entwicklung des ganzen Goldschmiede-
berufes aufs Schlimmste gefährdet.
Gewiss sind der Ursachen zu der Gehilfen-
not eine ganze Anzahl, und wir wollen hier
nur die am meisten in die Augen springenden
hervorheben. Sicher wird uns aus dem
Kreise unserer geschätzten Leser noch so
manche Quelle genannt werden, aus der ebenfalls jener
Mangel an berufsmässig gelernten und leistungsfähigen
Arbeitskräften herzuleiten ist.
Häufig hört man die Behauptung, die „ungenügende
Bezahlung“ trage den grössten Teil der Schuld an dem
erwähnten Mangel. Diese Ansicht ist indes nur mit grösster

Vorsicht wiederzugeben. Fast täglich laufen bei uns näm-
lich Zuschriften von Goldschmiedemeistern, namentlich aus
mittleren und kleineren Städten ein, worin geklagt wird,
dass es ihnen nicht möglich sei, tüchtige Gehilfen zu er-
halten, obwohl sie hinsichtlich der Lohnbewilligung bis an
die Grenze ihrer Kräfte gehen. Und wir haben uns auch
vielfach selbst davon überzeugt, dass die dort
und ebenso auch in grösseren Städten gezahlten
Löhne durchaus nicht schlecht sind, dass man
in anderen Gewerben, die ebenfalls auf manu-
elle Geschicklichkeit in erster Linie angewiesen
sind, bei weitem nicht für die Gehilfen so viel
pekuniär aufwendet, wie in der Goldschmiede-
branche — trotzdem ist in der letzteren der
Leutemangel ganz besonders gross und drückend.
Man muss hier eben zwischen relativ guter
und absolut reicher Lohnzahlung unterscheiden.
Relativ wird heute auch in unserer Branche schon so
viel Lohn gezahlt, wie nur irgend möglich — das
liegt schon im eigensten Interesse der Meister und
im Zwange der Konkurrenz.
Dass ein tüchtiger Arbeiter seines Lohnes wert
ist, das weiss heute jeder Prinzipal — und die
Gehilfen wissen’s ebenfalls recht gut. Ausserdem
ist auch der Arbeitsmarkt gewissen feststehenden
ökonomischen Gesetzen unterworfen, bestimmten
Normen, gegen die der einzelne Arbeitgeber weder
nach oben, noch nach unten auf die Dauer ohne
empfindlichen Schaden verstossen kann. Also das
zur Zeit Menschenmögliche wird da heute schon
geleistet. Natürlich muss, wie man zu sagen pflegt,
„die Kirche im Dorfe bleiben“, und radikalen
sozialistischen Theorien der Arbeitnehmer zu
Liebe wird kein Meister sein schon ohnehin oft
nur schwach rentierendes Geschäft ruinieren.
Etwas anderes ist es aber mit der absolut
ausreichenden Bezahlung, d. h. mit der Frage,
ob der Verdienst eines guten Gehilfen in der Goldschmiede-
branche heute genügt, ihm die Gründung einer Familie,
eines eigenen Hausstandes zu ermöglichen, wenn er selbst
kein Vermögen besitzt. Und da muss allerdings in
den meisten Fällen die Antwort verneinend lauten. So-
lange wir nicht das Ein- oder Zweikindersystem nach

Amtliches Organ des Verbandes Deutscher
der Goldschmiede-Innungen zu BERLIN, BRAUNSCHWEIG,
KOLBERG, LEIPZIG, LIEGNITZ und SCHWEIDNITZ, der
der Goldschmiede-Werkgenossenschaft BERLIN (E. G. m. b.H.),
GÖRLITZ u. STETTIN und derVereine der Juweliere, Gold-u.
und WESTFALEN, KÖLN, MÜNCHEN, WIESBADEN,
HERR!. SCHLAG HACH?.,

3uwe!iere, Gold- und Silberschmiede,
CHEMNITZ, GERA-ALTENBURG, GLEIWITZ, GLOGAU,
Innung pfälz.Gold- u. Silberarbeiter (Sitz: NEUSTADT a.H.),
der Freien Vereinigungen der Gold- und Silberschmiede zu
Silberschmiede von BADEN, WÜRTTEMBERG, RHEINLAND
WÜRZBURG und des Regierungsbezirks FRANKFURT a. O.
LEIPZIG, Reichssfrasse 18-20
 
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