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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908

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Nr. 43
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Berühmte Diamanten
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https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0332

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296 ... JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST j--•<- m 43

Berühmte^Diamanten.

Marcel Adam, der bekannte französische Kritiker und Kunst-
historiker, gibt im „Gil Blas“ einen interessanten Überblick über
einige der berühmtesten Diamanten. Verschiedenes von dem,
was der geistvolle Pariser Autor vorbringt, ist ja an sich keines-
wegs neu — aber seine Plauderei ist so amüsant geschrieben,
dass sich auch das bereits Bekannte darin recht gut nochmals
liest. Es heisst da u. a.:
Jedermann weiss, dass es Diamanten gibt, die einen Weltruf
haben. Die Geschichte einiger dieser Edelsteine ist so aben-
teuerlich, dass man ein dickes Buch schreiben müsste, wenn man
sie ausführlich erzählen wollte. Während manche der welt-
bekannten Diamanten ihren Ruf ihrer ungewöhnlichen Grösse
verdanken, gewannen ihn andere wegen ihrer makellosen Klar-
heit und Reinheit, und noch andere infolge der historischen Er-
innerungen, die sich an sie knüpfen. Es sei hier nebenbei erwähnt,
dass die Kunst der Edelsteinschleiferei erst seit dem 16. Jahr-
hundert existiert. Diamantpolierer gab es zwar schon in den
ältesten Zeiten, allein weder die Produkte der europäischen noch
der indischen Industrie ältester Zeit können auf Schönheit An-
spruch machen; alle diese Steine sind unförmig, klumpig, mit
wenig spiegelnden Flächen. Epochemachend war die Erfindung
der für das Farbenspiel des Diamanten überaus wichtigen regel-
mässigen Fassettierung durch Ludwig v. Berquem. Er hat für
Karl den Kühnen v. Burgund den Sancy und den Florentiner
geschliffen. Berquem zeigte der Welt, dass man den Diamant am
besten mittels seines eigenen Staubes (Diamantbort oder Diamant-
pulver) schleifen könne.
Als grösster aller bekannten Diamanten gilt der „Rajah von
Matan“, der mehr als 367 Karat wiegt. Der „Kohinoor“, der
durch Umschleifen des „Grossmoguls“ gewonnen wurde, stammt
aus Indien, wo noch heute die fürstlichen wie die Tempelschätze
vorzugsweise in Diamanten und anderen Edelsteinen bestehen.
Er war im Besitz des Radschahs von Lahur und gehört jetzt zu
dem britischen Kronschatz. Zugeschliffen in Amsterdam, wiegt
er nur noch 106 Karat. Der „Grossmogul“ in seiner ursprüng-
lichen Gestalt wog 280 Karat; er wurde 1550 bei Golkonda ge-
funden und hatte die Form einer Eihälfte. Tavernier, der bekannte
Weltreisende im 17. Jahrhundert, der mit Diamanten handelte,
schätzte den Wert des „Grossmoguls“ auf 12 Millionen Francs.
„Der Grossmogul“, erzählt er, „hatte sieben Throne, die von oben
bis unten mit Edelsteinen bedeckt waren. Wenn er sich setzte
brachte man ihm den schönsten Diamant seines Schatzes, in
dessen Glanz seine Augen sich spiegelten. Dieser Diamant wurde
später selbst Grossmogul genannt“. Als „Kohinoor“ ist der ehe-
malige „Grossmogul“, wie bereits erwähnt, das grösste Kleinod
der Krone England. In der Hindu-Sprache bedeutet sein Name:
„Berg von Licht“. Nach der Legende soll der „Kohinoor“ oder
„Grossmogul“ schon dreitausend Jahre vor unserer Zeitrechnung
in dem Kronschatze eines indischen Königs namens Karna vor-
handen gewesen sein.
Der grösste Diamant des russischen Kronschatzes ist der
„Orlow“ (1943/< Karat), der die Spitze des russischen Szepters
schmückt. Er hat die Grösse eines Taubeneies, soll jedoch nicht
ganz fehlerlos sein. Gekauft wurde er 1794 für eine Leibrente
von 4000 Rubel und die bare Summe von 450000 Rubel, nachdem
er vorher das Auge einer Brahmastatue gewesen war. Die
russische Krone besitzt aber noch andere Diamanten von grossem
Wert: den „Schah“, den Alexander II. vom persischen Prinzen
Chosroes zum Geschenk erhielt und der auf den geschliffenen
Flächen persische Inschriften trägt, den „Polarstern“ u. a.

Wunderbare Diamanten besass der prachtliebende Karl der
Kühne. Den grössten trug er bei feierlichen Gelegenheiten als
Halsschmuck; er hatte diesen Stein dem Grossmogul abgekauft.
Nach der Schlacht bei Granson fand ein schweizerischer Soldat
den Edelstein auf dem Schlachtfelde. Er hielt ihn für ein ge-
schliffenes Glas und verkaufte ihn für einen Taler an den Pfarrer
von Montagny. Der Pfarrer, der den Wert des Steines auch nicht
kannte, verkaufte ihn für drei Taler an einen Berner Kaufmann,
der ihn für 5000 Dukaten einem Geschäftsfreunde überliess. Der
Diamant ging dann von Hand zu Hand, bis ihn Ludwig der Maure,
Herzog von Mailand, für 14000 Dukaten erwarb. Später kaufte
ihn Papst Julius II. für 20000 Dukaten. Heute noch schmückt
dieser Diamant die päpstliche Tiara. Einen anderen Diamanten
Karls des Kühnen, gleichfalls auf dem Schlachtfelde von Granson
gefunden, kaufte Jakob Fugger. Später gelangte der Stein in
den Besitz Heinrichs VIII., Königs von England. Der König
schenkte ihn seiner Tochter Marie, als sie nach Spanien ging.
Jetzt ist dieser Diamant, der unter dem Namen „Florentiner“
oder „Toscaner“ bekannt ist, der schönste Stein der österrei-
chischen Krone; er ist sehr rein, weingelb und wird auf mehr als
2 Millionen Mark geschätzt.
Die seltsamsten Schicksale werden dem „Sancy“ zugeschrieben,
der ebenfalls zuerst im Besitze Karls des Kühnen war. Der Stein
war um die Mitte des 15. Jahrhunderts aus Ostindien nach Europa
gebracht worden, und Karl pflegte ihn an Schlachttagen an seinem
Helm zu tragen. Nach der Niederlage bei Murten fand ein
schweizerischer Soldat den Diamanten mit anderen Gegenständen,
die Karl gehört hatten. Im Jahre 1489 befand sich der Diamant
im Kronschatz des Königs von Portugal. Der König soll dann,
da er Geld brauchte, den schönen Stein bei einem französischen
Edelmann namens Harlay de Sancy verpfändet haben. Dieser
geriet aber selbst in Geldverlegenheit; um Heinrich III., der in
Solothurn gefangen war, gefällig sein zu können, wollte er den
Stein weiter verpfänden. Er vertraute ihn einem treuen Diener
an, der ihn zum Pfandleiher tragen sollte. Auf dem Wege zum
Geldleiher wurde der Diener von Strassenräubern überfallen und
ermordet. Die Mörder durchsuchten aber vergebens alle Kleidungs-
stücke ihres Opfers — der Diamant schien verschwunden zu
sein. Als die Ärzte aber die Leiche öffneten, entdeckten sie den
kostbaren Stein zu ihrer nicht geringen Überraschung im Magen
des treuen Dieners. Wir finden dann den „Sancy“ im Besitze
Ludwigs XIV. und Ludwigs XV.; letzterer trug ihn bei seiner
Krönung. Eigentum der französischen Krone blieb der Stein bis
zur Restauraton; dann verkaufte ihn die Herzogin von Berry an
Johann Fridolin, der ihn für 625000 Francs an den Oberjäger des
Kaisers von Russland, den Fürsten Paul Demidow, verkaufte.
Der „Sancy“ hat die Gestalt einer Birne, wiegt 52% Karat und
ist vom reinsten Wasser.
Der schönste aller existierenden grossen Diamanten befindet
sich im französischen Schatze und ist im Louvre ausgestellt: es
ist der „Regent“, der auch „Pitt“ genannt wird. Kardinal Dubois
hatte ihn in England für 2 Millionen Francs von Pitt gekauft, um
ihn an seinen Schüler Philipp von Orleans zu verkaufen; Philipp
schenkte den Stein dem jungen Ludwig XV.
Die meisten dieser berühmten Diamanten stammen aus Indien.
Der König von Portugal besitzt zwei brasilianische Diamanten.
Der eine ist nie geschliffen worden; seine oktaedrische Form ist
natürlich. Der andere, der unter dem Namen „Südstern“ bekannt
ist, wurde 1853 entdeckt; er wog ursprünglich 254 Karat und hat
jetzt deren nur noch 125 nach dem Schliff.
 
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