Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0038
DOI issue:
Nr. 1
DOI article:Stroh, Adolf: Hausierhandel und Detailsreisen
DOI article:Offener Sprechsaal
DOI article:Niedieck, Ludwig: Über das Missverhältnis der Preise von echt silbernen und versilberten Bestecken
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JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST
Gebiete des unlauteren Wettbewerbes sich erlauben, was
sie wollen, und tun dies auch in ausgiebiger Weise, ohne
selbst belästigt zu werden. Also auch hier wie bei den
gewöhnlichen Hausierern Nachteile für den ansässigen
Gewerbetreibenden wie für die Gesamtheit. Wenn je
einmal ein Fall vor Gericht kommt, und es erfolgt eine
Verurteilung wie voriges Jahr in Heilbronn, so kann man
nur den Kopf schütteln, leider nur den eigenen. Man
verweist wohl und gern auf den Weg der Selbsthilfe.
Dieser Weg führt aber in diesem Fall dahin, dass wir
eine Änderung der bestehenden Gesetze verlangen müssen,
ob dieselben nun in dem Bereich der Landes- oder der
Reichsgesetzgebung liegen.
Überall ist man sich darüber klar, dass die Auswüchse,
die der Baum der Gewerbefreiheit getrieben hat, entfernt
werden müssen, wenn der Baum gesund bleiben und ge-
sunde Früchte tragen soll. Und wenn all die schönen
Worte, die man für den gewerblichen Mittelstand bei der
Hand hat, nicht bloss Worte bleiben sollen, so muss jetzt
einmal die Tat folgen.
OFFENER SPRECHSAAL.
In dieser Rubrik räumen wir unseren geschätzten Abonnenten das Recht einer freien Meinungsäusserung ein, das wir so lange nicht einzuschränken
beabsichtigen, als die Auslassungen nicht gegen das Gesetz und die gute Sitte verstossen. Auf der andern Seite lehnen wir aber auch ein für allemal
jede Verantwortung für den Inhalt der Einsendung ab. Die Redaktion.
Über das Missverhältnis der Preise
von echt silbernen und versilberten Bestecken.
Diese Abhandlung in Nr. 47 des „Journals der Gold-
schmiedekunst“ hat in der Nr. 49 eine Entgegnung ge-
funden, die verschiedene falsche Behauptungen enthält. Der
Verfasser dieser Entgegnung scheint ein Fabrikant ver-
silberter Bestecke zu sein, der sich getroffen fühlt, denn
sonst würde er nicht von „Verdächtigungen“ und „ge-
stiegenen Unkosten“ reden. Um so mehr ist es angebracht,
dass gerade diese sogenannten „Verdächtigungen“ einmal
gründlich beleuchtet und aufgeklärt werden, denn trotzdem
ist und bleibt es unumstössliche Tatsache, dass die 90, 60
oder 40 Gramm-Versilberung sich auf 24 Stück versteht,
dass also z. B. 90 Gramm auf 12 Esslöffel und 12 Ess-
gabeln etc. zusammen ist. Beweis:
Die „WürttembergischeMetallwaren-Fabrik“ schreibt z.B.
seit Jahren in jeder Detailverkaufsliste, die alljährlich zu
ungezählten tausenden Exemplaren zur Weihnachtszeit ver-
teilt werden, wörtlich auf jeder Seite, die Bestecke ent-
hält: „90, 60 etc. Gramm Silbergehalt verstehen sich für
1 Dutzend Löffel und 1 Dutzend Gabeln zusammen“.
(Deutlicher kann es nicht ausgedrückt werden.)
„Bruckmann & Söhne“ schreiben: „Die Versilberung ver-
steht sich per Dutzend Löffel und Gabeln“.
„Jürst & Cie.“ sind noch deutlicher, sie schreiben: Ge-
stempelt 90 Gramm, per Dutzend Esslöffel Silberauflage
48 Gramm, per Dutzend Essgabeln Silberauflage 42 Gramm
(zusammen also 90 Gramm).
„Aug. Wellner Söhne“ schreiben: „90 Gramm, 60Gramm,
40 Gramm das Essbesteck, — 24 Stück, Silberauflage ent-
haltend“.
All die anderen Fabrikanten, von der bedeutenden
„Berndorfer“ angefangen bis zu dem kleinsten Fabrikanten,
machen vor 90, 60, 40 Gramm eine Klammer, welche
Löffel und Gabeln umschliesst und mit der Spitze auf 90
zeigt. Diese Klammer soll also bedeuten, dass diese
90 Gramm sich auf 12 Löffel und 12 Gabeln zusammen
verstehen. Ein Blick in irgend eine Preisliste über ver-
silberte Bestecke wird jeden überzeugen. Es wird doch
wohl niemandem einfallen, behaupten zu wollen, dass diese
Klammer lediglich zur Verschönerung der Preisliste ange-
bracht wäre, oder aus technischen Gründen. Also muss
die Klammer doch einen bestimmten Zweck haben. Wenn
90 Gramm Silber sich auf 12 Esslöffel allein verstünde,
dann würden die Fabrikanten sicher „ 12 Esslöffel 90 Gramm,
12 Essgabeln 90 Gramm“ schreiben, gerade so wie sie vor
den anderen Teilen: Essmesser, Teelöffel usw. vor jede
Zeile die entsprechende Grammzahl schreiben, auch wenn
2 oder 3 gleiche Zahlen untereinander stehen. Die Klammer
dient also nicht zur Verschönerung, sondern sie soll einzig
und allein bedeuten, dass auf diese 12 Löffel und 12 Gabeln
zusammen 90 Gramm Silber kommen, also auf 12 Stück
45 Gramm.
Es ist ja nichts einfacher, als dass der Entgegner in Nr. 49
des Journals von „Verdächtigungen“ spricht, die sich einer
Erwiderung nicht lohnen sollen. Der Herr Entgegner kann
eben absolut nichts auf diese ihm scheinbar unangenehme
Wahrheit erwidern, sonst würde er es sicher getan haben.
Ebenso ist es eine falsche Behauptung, dass das Silber
vor 1890 in schneller Folge von 90 Mark auf 160 Mark
heraufgegangen ist. Der Artikel „Fall des Silberpreises“
in Nr. 45 des Journals weist ja schlagend ein ständiges
Sinken des Silberpreises seit 1871 nach und es ist sehr
seltsam, wenn der Herr Entgegner angesichts dieser Daten
noch behaupten will, dass das Silber gestiegen sein soll.
Das Silber ist also seit 1871 stetig gefallen, wie hätte
sonst zur Zeit von dem enormen Silbersturz und von der
Entwertung aller Silberschätze gesprochen werden können,
wenn das Silber kurz vorher noch auf dem sehr niedrigen
Kurse von 90 Mark gewesen sein soll.
Demnach entspricht es auch nicht der Tatsache, dass
um diese Zeit die Fabrikanten 5—10% Aufschlag ge-
nommen hätten, denn bei fallenden Preisen ist ein Auf-
schlag ein Unding.
Gebiete des unlauteren Wettbewerbes sich erlauben, was
sie wollen, und tun dies auch in ausgiebiger Weise, ohne
selbst belästigt zu werden. Also auch hier wie bei den
gewöhnlichen Hausierern Nachteile für den ansässigen
Gewerbetreibenden wie für die Gesamtheit. Wenn je
einmal ein Fall vor Gericht kommt, und es erfolgt eine
Verurteilung wie voriges Jahr in Heilbronn, so kann man
nur den Kopf schütteln, leider nur den eigenen. Man
verweist wohl und gern auf den Weg der Selbsthilfe.
Dieser Weg führt aber in diesem Fall dahin, dass wir
eine Änderung der bestehenden Gesetze verlangen müssen,
ob dieselben nun in dem Bereich der Landes- oder der
Reichsgesetzgebung liegen.
Überall ist man sich darüber klar, dass die Auswüchse,
die der Baum der Gewerbefreiheit getrieben hat, entfernt
werden müssen, wenn der Baum gesund bleiben und ge-
sunde Früchte tragen soll. Und wenn all die schönen
Worte, die man für den gewerblichen Mittelstand bei der
Hand hat, nicht bloss Worte bleiben sollen, so muss jetzt
einmal die Tat folgen.
OFFENER SPRECHSAAL.
In dieser Rubrik räumen wir unseren geschätzten Abonnenten das Recht einer freien Meinungsäusserung ein, das wir so lange nicht einzuschränken
beabsichtigen, als die Auslassungen nicht gegen das Gesetz und die gute Sitte verstossen. Auf der andern Seite lehnen wir aber auch ein für allemal
jede Verantwortung für den Inhalt der Einsendung ab. Die Redaktion.
Über das Missverhältnis der Preise
von echt silbernen und versilberten Bestecken.
Diese Abhandlung in Nr. 47 des „Journals der Gold-
schmiedekunst“ hat in der Nr. 49 eine Entgegnung ge-
funden, die verschiedene falsche Behauptungen enthält. Der
Verfasser dieser Entgegnung scheint ein Fabrikant ver-
silberter Bestecke zu sein, der sich getroffen fühlt, denn
sonst würde er nicht von „Verdächtigungen“ und „ge-
stiegenen Unkosten“ reden. Um so mehr ist es angebracht,
dass gerade diese sogenannten „Verdächtigungen“ einmal
gründlich beleuchtet und aufgeklärt werden, denn trotzdem
ist und bleibt es unumstössliche Tatsache, dass die 90, 60
oder 40 Gramm-Versilberung sich auf 24 Stück versteht,
dass also z. B. 90 Gramm auf 12 Esslöffel und 12 Ess-
gabeln etc. zusammen ist. Beweis:
Die „WürttembergischeMetallwaren-Fabrik“ schreibt z.B.
seit Jahren in jeder Detailverkaufsliste, die alljährlich zu
ungezählten tausenden Exemplaren zur Weihnachtszeit ver-
teilt werden, wörtlich auf jeder Seite, die Bestecke ent-
hält: „90, 60 etc. Gramm Silbergehalt verstehen sich für
1 Dutzend Löffel und 1 Dutzend Gabeln zusammen“.
(Deutlicher kann es nicht ausgedrückt werden.)
„Bruckmann & Söhne“ schreiben: „Die Versilberung ver-
steht sich per Dutzend Löffel und Gabeln“.
„Jürst & Cie.“ sind noch deutlicher, sie schreiben: Ge-
stempelt 90 Gramm, per Dutzend Esslöffel Silberauflage
48 Gramm, per Dutzend Essgabeln Silberauflage 42 Gramm
(zusammen also 90 Gramm).
„Aug. Wellner Söhne“ schreiben: „90 Gramm, 60Gramm,
40 Gramm das Essbesteck, — 24 Stück, Silberauflage ent-
haltend“.
All die anderen Fabrikanten, von der bedeutenden
„Berndorfer“ angefangen bis zu dem kleinsten Fabrikanten,
machen vor 90, 60, 40 Gramm eine Klammer, welche
Löffel und Gabeln umschliesst und mit der Spitze auf 90
zeigt. Diese Klammer soll also bedeuten, dass diese
90 Gramm sich auf 12 Löffel und 12 Gabeln zusammen
verstehen. Ein Blick in irgend eine Preisliste über ver-
silberte Bestecke wird jeden überzeugen. Es wird doch
wohl niemandem einfallen, behaupten zu wollen, dass diese
Klammer lediglich zur Verschönerung der Preisliste ange-
bracht wäre, oder aus technischen Gründen. Also muss
die Klammer doch einen bestimmten Zweck haben. Wenn
90 Gramm Silber sich auf 12 Esslöffel allein verstünde,
dann würden die Fabrikanten sicher „ 12 Esslöffel 90 Gramm,
12 Essgabeln 90 Gramm“ schreiben, gerade so wie sie vor
den anderen Teilen: Essmesser, Teelöffel usw. vor jede
Zeile die entsprechende Grammzahl schreiben, auch wenn
2 oder 3 gleiche Zahlen untereinander stehen. Die Klammer
dient also nicht zur Verschönerung, sondern sie soll einzig
und allein bedeuten, dass auf diese 12 Löffel und 12 Gabeln
zusammen 90 Gramm Silber kommen, also auf 12 Stück
45 Gramm.
Es ist ja nichts einfacher, als dass der Entgegner in Nr. 49
des Journals von „Verdächtigungen“ spricht, die sich einer
Erwiderung nicht lohnen sollen. Der Herr Entgegner kann
eben absolut nichts auf diese ihm scheinbar unangenehme
Wahrheit erwidern, sonst würde er es sicher getan haben.
Ebenso ist es eine falsche Behauptung, dass das Silber
vor 1890 in schneller Folge von 90 Mark auf 160 Mark
heraufgegangen ist. Der Artikel „Fall des Silberpreises“
in Nr. 45 des Journals weist ja schlagend ein ständiges
Sinken des Silberpreises seit 1871 nach und es ist sehr
seltsam, wenn der Herr Entgegner angesichts dieser Daten
noch behaupten will, dass das Silber gestiegen sein soll.
Das Silber ist also seit 1871 stetig gefallen, wie hätte
sonst zur Zeit von dem enormen Silbersturz und von der
Entwertung aller Silberschätze gesprochen werden können,
wenn das Silber kurz vorher noch auf dem sehr niedrigen
Kurse von 90 Mark gewesen sein soll.
Demnach entspricht es auch nicht der Tatsache, dass
um diese Zeit die Fabrikanten 5—10% Aufschlag ge-
nommen hätten, denn bei fallenden Preisen ist ein Auf-
schlag ein Unding.