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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908

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Nr. 11
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Ostfriesischer Schmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0102

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aa JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST -— agu


GOLDENE OHRRINGE.



GOLDENE
KRAWATTENNADEL

DREITEILIGES FILIGR ANGOLDSCHLOSS mit silberner Kette.

Ostfriesischer Schmuck.

Jenes Land der alten Friesen, dessen Inseln heute den
Sammelpunkt der erholungsbedürftigen Lebewelt bilden,
hat sich noch einen grossen Teil seiner Urwüchsigkeit
bewahrt und seine Bewohner hängen noch immer mit
einer seltenen Treue an den Überlieferungen ihrer helden-
haften Altvorderen. Das „Lever tod als Sklov“, das uns
im vergangenen Jahre bei Gelegenheit des Kieler Verbands-
tages in so ergreifender Weise in die Seele drang und
das den Herrenstandpunkt eines freien Volkes in edelster
Form zum Ausdruck bringt, hat seine Heimat in jenem
meerumspülten Vorposten des Deutschtums, es lässt aber
auch ahnen, dass dieser Herrenstolz jederzeit äusserlich
in Gewandung und Schmuck, in Haus und Gerät in die
Erscheinung getreten ist. Und dieser Herrenstolz wurde
denn sowohl bei den alten Friesen als auch bei deren
Epigonen, den Ostfriesen, bis auf den heutigen Tag kühn-
lich zur Schau getragen. Alte Chronisten berichten, dass
schon König Karl der Grosse die gemeinen Friesen vor
allen anderen privilegiert habe, dass sie Gold an ihren
Häuptern und bis zu ihren Füssen herab tragen dürften,
so viel ein jeder bezahlen könne. Und alten Trachten-
bildern zufolge hat denn auch der Friese von diesem
Privilegium reichlich Gebrauch gemacht.
Ehedem trugen die ostfriesischen Frauen eine Art Diadem,
den „pael“, jederzeit aber reichlich Spangen und Schnallen,
Halsketten, Ringe und Ohrringe, zumeist in schwerem
Golde. Kein Wunder daher, dass die Goldschmiedekunst
seit altersher eine behagliche Heimstätte in Ostfriesland
besessen hat und dass noch manches ehrwürdige Stück
von ihrer Vergangenheit erzählt, obgleich die Mehrzahl in
schweren Zeit- und Kriegsläuften dem Schmelztiegel anheim
gefallen ist. Der Emder Silberschatz birgt noch eine gar
stattliche Anzahl Meisterwerke ostfriesischer Silber- und
Goldschmiedekunst, und auch in den reicheren Familien
des Landes ist noch vieles vorhanden, was eine Studien-

reise in diesen eigenartigen Marschen und Mooren zu einer
lohnenden Ausbeute für einen Kunstfreund machen würde.
Leider verdanken wir die erlangten Einblicke in die
ostfriesische Kultur nicht eigener Anschauung, sondern einem
trefflichen Werke, das uns kürzlich auf den Redaktionstisch
gelegt wurde. Es ist das Werk des Superintendenten
W. Lüpkes in Esens „Ostfriesische Volkskunde“ *), das in
fesselnder Sprache Land und Leute schildert und uns mit
dem Charakter eines Volksstammes vertraut macht, der
noch heute bis aufs Mark kerndeutsch ist Das Buch ist
ein trefflicher Beitrag zur Kenntnis des deutschen Volks-
tums und angetan, die Liebe zur heimatlichen Scholle zu
wecken, wo diese auch gelegen sei. Jedes Land hat seine
Eigenart und seine Schönheit, und diese offenbart sich
allen denen, die, ihren Spuren folgend, bemüht sind, sie in
ihrer Natürlichkeit und Ursprünglichkeit erkennen zu lernen.
Durch die Liebenswürdigkeit des Verlages ist es uns
vergönnt, aus dem prächtigen Buche einige Abbildungen
von Edelmetallarbeiten älterer Zeit zu veranschaulichen.
Wir zeigen zunächst zwei goldene Ohrringe, eine goldene
Krawattennadel und ein dreiteiliges Schloss einer Halskette.
Die Arbeit dieser Stücke ist wie bei allem für Landbe-
wohner bestimmten Schmuck das zierliche Filigran, aber
hier besonders reich im Ornament. Auch die übrigen
Schmuckabbildungen des Werkes zeigen die gleiche
Charakteristika, wie die von uns veranschaulichten.
Die ferner abgebildeten Hemdspangen sind ein uner-
lässliches Requisit des Sonntagsstaates einer wohlhabenden
ostfriesischen Bäuerin, häufiger allerdings waren diese
Spangen von lauterem Golde. Das krönende Ornament
ist eine in Variationen häufig wiederkehrende Erscheinung
ostfriesischer Handwerkskunst und besonders auf Möbel-
stücken zu finden.
*) W. Lüpkes, Ostfriesische Volkskunde mit über 100 Originalbildern,
17 Bogen; Preis geb. 5 Mk. Verlag von W. Schwalbe in Emden.
 
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