Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908

DOI Heft:
Nr. 3
DOI Artikel:
Schmidt-Weissenfels, Eduard: Wenzel Jamnitzer und seine Zeit
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0046

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
■■ JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST ji- -— ,W3

vorstellen, als dass der Juwelier bei einer Anzahl schönster
Aufträge über allerschlechtesten Geschäftsgang klagen muss
einfach, weil er sich das Gewünschte zu halbwegs
möglichen Preisen nicht beschaffen kann. Früher war
unsere grösste Sorge die Acquirierung des Käufers, der
Verkauf; heute verursacht uns die Beschaffung des Ge-
suchten die grösste Anstrengung und Mühe. Der edle
Smaragd, dessen Preis seit zehn Jahren um zirka 500 Pro-
zent gestiegen ist, verlässt ebenfalls sein stolzes Niveau
nicht, er ist übrigens nur in allerersten Häusern erhältlich,
wo dem Käufer der Preis Nebensache sein muss.
Ebensowenig ist beim Saphir, dem Steine der allerletzten
Mode, auch nur das Geringste von der prekären wirt-
schaftlichen Lage zu merken. Seit einem Jahre ist er um
hundert Prozent gestiegen und er steigt ruhig weiter.
Leider befördert diese glänzende Wertzunahme nicht
den Wohlstand der Juweliere, sondern erschwert nur ihre
Existenz. Heute erhält der Juwelier für sein Geld 74 oder
]/5 des Vorrates, den er vor zehn Jahren für die gleiche
Summe erhielt. Wenige nur sind in der Lage, sich mit

ihren Mitteln ein halbwegs entsprechendes Assortiment zu
beschaffen. Wie bescheiden sieht heute ein Juwelierlager
aus im Vergleiche mit jenen vor der kolossalen Preis-
steigerung der Edelsteine und Perlen.
Dies vor Augen haltend, wird man beurteilen können,
wie schwer den Juwelier die Kreditentziehung oder Kredit-
reduktion trifft, und wie schwierig es für ihn ist, sich im
Rahmen seiner eigenen Mittel bewegen zu müssen.
Ich habe den Tatsachen entsprechend geschildert, wie
die sich über die ganze Welt erstreckende Krise die Preise
unserer Luxusartikel nicht verringert; ich kann dieses
Faktum nur konstatieren, aber nicht erklären. Weder das
Studium der Statistik, noch das der Produktionsverhältnisse
gibt mir eine klare Lösung des scheinbaren Widerspruches.
Ich sehe aber deutlich, wie glänzend Juwelen feinerer
Art jetzt, bei den harten, luxusfeindlichen Zeiten, die
Feuerprobe auf ihren inneren Handelswert bestehen, und
ich halte eine eklatante Hausse in unseren Artikeln für
wahrscheinlich, wenn sich einmal die Gewitterwolken
verziehen werden.

Wenzel Jamnitzer und seine Zeit.
Von Schmidt-Weissenfels.

Die Stadt Albrecht Dürers war durch den Ruf und
Ruhm ihrer Goldschmiede im 16. Jahrhundert die gefeiertste
in dem blühenden Kranze des deutschen Städtewesens.
Was auch Augsburg in gleicher Auszeichnung bedeutete,
wie auch das Kunstgewerbe und die Goldschmiedearbeiten
von Ulm, Esslingen, Strassburg, Frankfurt damit zu wett-
eifern suchten — Nürnberg führte den Reigen an. Kaiser
und Reich hatten früher schon dies gleichsam bekräftigt,
indem sie Nürnberg zur Reichsschatz-
kammer insofern machten, als dort seit
dem Jahre 1423 die alte deutsche Kaiser-
krone mit den übrigen heiligen Reichsin-
signien aufbewahrt wurde. Papst Martin
bestätigte durch eine besondere Bulle diese
„auf ewig vertraute Verwahrung der Reichs-
kleinodien“ und sie blieben in der Tat dort,
bis es kein römisches Reich deutscher
Nation mehr gab und sie vor Napoleons
Beutegier anderwärts in Sicherheit gebracht
wurden. Ein patriotischer Würzburger
Professor hielt sie acht Jahre lang in seinem Koffer ver-
borgen und erst 1815 lieferte er sie in die Schatzkammer
zu Wien.
Was speziell die Nürnberger Goldschmiede auszeichnete,
war neben der feinsten Kunstfertigkeit der Reichtum ori-
gineller und sinniger Ideen, die Vielseitigkeit derselben
und ein Einklang von künstlerischem Können und Wissen,
womit sie Muster stilvoller Arbeiten hervorbrachten. Der
Geist Albrecht Dürers lebte noch ein Jahrhundert lang
unter den Nürnberger Goldschmieden,, und mancher von
ihnen zeigte sich des grossen Ahnen würdig.

Vor allen Wenzel Jamnitzer.
Er war ein gelehrter Goldschmied, der namentlich in
Erfindung mathematischer Instrumente und deren Anwendung
in der Kunst sich auszeichnete und darüber auch eine
wertvolle Schrift verfasste. Zu den von ihm hergestellten
neuen oder verbesserten Instrumenten gehörten zusammen-
zulegende Winkelmasse, Zirkel mit stählernen Spitzen, vier-
schenklige Zirkel mit Stellschrauben; Messinstrumente;
Lineale mit Kompass, um schräge Felder
damit aufzureissen; ein grosser Quadrant,
um Entfernungen zu bestimmen; ein Mass-
stab, um die spezifische Schwere der da-
mals bekannten sieben Metalle zu ermitteln;
Kompasse und dergleichen mehr. Zugleich
war er einer der geschicktesten Uhrmacher
seiner Zeit und fertigte z. B. eine schlagende
Uhr, welche die kleine und grosse oder
die Nürnbergische Uhr, auch die Stunden
der Planeten, welche sowohl bei Tag als
bei Nacht nach der Astrologen Meinung
regieren, künstlich anzeigte; ein Ring, auf dem man die
Stunden der kleinen und grossen Uhr vom Auf- und
Niedergang erkannte; eine Tafel mit einem Kalender und
zwei Figuren, darinnen die Schaltjahre, die Sonntags-Buch-
staben und anderes angedeutet waren, und ähnliches mehr.
Die grosse Verschwendung, welche seit den Kreuz-
zügen unter der Ritterschaft und an den verschiedenen
Höfen auch in Bezug auf Schmuck an den Tag gelegt
wurde, entsprach dem hohen Selbstgefühl, welches Ritter-
und Fürstentum damals erfüllte und danach auch in die
freie, wohlhabende Bürgerschaft der Reichsstädte überging.
 
Annotationen