Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908
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Nr. 3
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Journal der Goldsthmledekunst
Juweliere, Gold- und Silberschmiede,
CHEMNITZ, GERA-ALTENBURG, GLEIW1TZ, GLOGAU,
Innung pfälz.Gold- u. Silberarbeiter (Sitz: NEUSTADT a.H.),
der Freien Vereinigungen der Gold- und Silberschmiede zu
Silberschmiede von BADEN, WÜRTTEMBERG, RHEINLAND
WÜRZBURG und des Regierungsbezirks FRANKFURT a. O.
Nachdruck aller Artikel ohne Genehmigung der Redaktion ist verboten.
Der Juwelenmarkt und die wirtschaftliche Krise.
Von Karl v. Bachruch.
Aus Budapest wird uns nachstehender Artikel einge-
sandt, der durchaus auf unsere Verhältnisse in Deutsch-
land zutrifft. Wir drucken ihn daher ungekürzt ab, wenn
auch der und jener geschätzte Leser vielleicht in einzelnen
Punkten ein wenig abweichender Meinung sein sollte.
Die wirtschaftliche Krisis, die von Amerika ausgegangen
war, hat ihre gewaltige Wirkung auch nach Europa ver-
pflanzt. Ich möchte hier nur den Reflex der Krise auf
das Juwelengeschäft, in welchem Hunderte von Millionen
festgelegt sind, besprechen.
Nach vielen teils glänzenden, teils mittelmässigen Jahren,
wobei aber die Tendenz immer steigend war, hat sich bei
Beginn des Jahres 1907 eine gewisse Stagnation und Ge-
schäftslosigkeit gezeigt. Die Fabriken waren schwächer
beschäftigt, der Verkehr in der Branche wurde plötzlich
auffallend geringer. Amerika, der Hauptkonsument des
Edelsteinmaterials, hat seine Aufnahmsfähigkeit bedeutend
verringert, und in Paris, dem Zentrum unserer Branche,
ist die Krise mit voller Vehemenz ausgebrochen. Plötzlich
und unvermittelt erklärten die französischen Bankiers, sie
müssten die Kredite einschränken, eine Überraschung, die
viele angesehene Häuser, die mit ihrem Portefeuille und
dessen Begebung als Geldquelle rechneten, zu Kalamitäten
und zu Katastrophen führte. Mehr als zwanzig Namen
besitzende Firmen, darunter erstklassige, haben innerhalb
eines Monats ihre Insolvenz erklärt.
Von Frankreich erstreckte sich der Geschäftsstillstand
auf ganz Europa. Die Kreditbeschränkung, die auch bei
uns in Wirksamkeit trat, hat auch hier in bemerkenswerter
Zahl sein Opfer verlangt. Die Zurückhaltung der Banken
trifft sowohl den Handel als die Fabriken, deren Pro-
duktion dadurch enorm abnehmen musste. Bei uns in
Ungarn wird diese Situation noch durch den Umstand
verschärft, dass die Kreditgewährung hier Monopol der
Banken ist, während in Frankreich und Deutschland auch
Privatbankiers und Privatleute der Industrie Kredite ein-
räumen.
Das Privatkapital sucht dort nicht wie bei uns nur
Wertpapier- und Sparkassen-Anlagen, dort fördert es auch
gesunde Industrien, wenn es etwas günstigere Verzinsung
erzielen kann. Sonderbarerweise tritt bei der Juwelenkrise,
die sich von einem Ende der Welt zum anderen erstreckt,
eine Erscheinung zutage, die ebenso interessant als selt-
sam und schwer erklärlich ist.
Bei der allgemeinen Stagnation in unserer Luxus-
branche hat unser wichtigstes Material, der Diamant, seinen
Wert mit voller Energie behauptet.
Die Diamantenschleifer und Unterhändler zeigen auch
dem bestakkreditierten Käufer gegenüber grösste Zurück-
haltung, sie gewähren weder Kredite noch Preisreduktion.
Es ist dies ein sicheres Zeichen, dass ein Überfluss an
Material ausgeschlossen ist, weil der Überschuss an Vor-
räten in so bedrängten Zeiten durch Konzessionen sein
Plazement suchen müsste. Ja noch mehr, die Direktion
der De-Beers-Kompagnie, welche den grössten Teil der
Rohdiamanten in ihrer Hand konzentriert, fand die Zeit
für geeignet, allerletzten Datums einen Preisaufschlag von
5 Prozent zu empfehlen.
Bei den Perlen herrschen ähnliche Verhältnisse. Bei
der jetzigen Geldnot wäre doch ein lebhaftes Ausgebot
von Perlen zu erwarten — doch ist gerade das Gegenteil
der Fall. Zahlreiche Kauflustige aus dem Publikum, die
den Moment für besonders günstig hielten, müssen die
Erfahrung machen, dass feine Perlen schwerer als je zu
normalen Preisen erhältlich sind.
Wenn es Personen geben sollte, welche dies bezweifeln,
denen empfehle ich, die Richtigkeit meiner Behauptung
zu erproben. Kann man sich eine grössere Anomalie
Juweliere, Gold- und Silberschmiede,
CHEMNITZ, GERA-ALTENBURG, GLEIW1TZ, GLOGAU,
Innung pfälz.Gold- u. Silberarbeiter (Sitz: NEUSTADT a.H.),
der Freien Vereinigungen der Gold- und Silberschmiede zu
Silberschmiede von BADEN, WÜRTTEMBERG, RHEINLAND
WÜRZBURG und des Regierungsbezirks FRANKFURT a. O.
Nachdruck aller Artikel ohne Genehmigung der Redaktion ist verboten.
Der Juwelenmarkt und die wirtschaftliche Krise.
Von Karl v. Bachruch.
Aus Budapest wird uns nachstehender Artikel einge-
sandt, der durchaus auf unsere Verhältnisse in Deutsch-
land zutrifft. Wir drucken ihn daher ungekürzt ab, wenn
auch der und jener geschätzte Leser vielleicht in einzelnen
Punkten ein wenig abweichender Meinung sein sollte.
Die wirtschaftliche Krisis, die von Amerika ausgegangen
war, hat ihre gewaltige Wirkung auch nach Europa ver-
pflanzt. Ich möchte hier nur den Reflex der Krise auf
das Juwelengeschäft, in welchem Hunderte von Millionen
festgelegt sind, besprechen.
Nach vielen teils glänzenden, teils mittelmässigen Jahren,
wobei aber die Tendenz immer steigend war, hat sich bei
Beginn des Jahres 1907 eine gewisse Stagnation und Ge-
schäftslosigkeit gezeigt. Die Fabriken waren schwächer
beschäftigt, der Verkehr in der Branche wurde plötzlich
auffallend geringer. Amerika, der Hauptkonsument des
Edelsteinmaterials, hat seine Aufnahmsfähigkeit bedeutend
verringert, und in Paris, dem Zentrum unserer Branche,
ist die Krise mit voller Vehemenz ausgebrochen. Plötzlich
und unvermittelt erklärten die französischen Bankiers, sie
müssten die Kredite einschränken, eine Überraschung, die
viele angesehene Häuser, die mit ihrem Portefeuille und
dessen Begebung als Geldquelle rechneten, zu Kalamitäten
und zu Katastrophen führte. Mehr als zwanzig Namen
besitzende Firmen, darunter erstklassige, haben innerhalb
eines Monats ihre Insolvenz erklärt.
Von Frankreich erstreckte sich der Geschäftsstillstand
auf ganz Europa. Die Kreditbeschränkung, die auch bei
uns in Wirksamkeit trat, hat auch hier in bemerkenswerter
Zahl sein Opfer verlangt. Die Zurückhaltung der Banken
trifft sowohl den Handel als die Fabriken, deren Pro-
duktion dadurch enorm abnehmen musste. Bei uns in
Ungarn wird diese Situation noch durch den Umstand
verschärft, dass die Kreditgewährung hier Monopol der
Banken ist, während in Frankreich und Deutschland auch
Privatbankiers und Privatleute der Industrie Kredite ein-
räumen.
Das Privatkapital sucht dort nicht wie bei uns nur
Wertpapier- und Sparkassen-Anlagen, dort fördert es auch
gesunde Industrien, wenn es etwas günstigere Verzinsung
erzielen kann. Sonderbarerweise tritt bei der Juwelenkrise,
die sich von einem Ende der Welt zum anderen erstreckt,
eine Erscheinung zutage, die ebenso interessant als selt-
sam und schwer erklärlich ist.
Bei der allgemeinen Stagnation in unserer Luxus-
branche hat unser wichtigstes Material, der Diamant, seinen
Wert mit voller Energie behauptet.
Die Diamantenschleifer und Unterhändler zeigen auch
dem bestakkreditierten Käufer gegenüber grösste Zurück-
haltung, sie gewähren weder Kredite noch Preisreduktion.
Es ist dies ein sicheres Zeichen, dass ein Überfluss an
Material ausgeschlossen ist, weil der Überschuss an Vor-
räten in so bedrängten Zeiten durch Konzessionen sein
Plazement suchen müsste. Ja noch mehr, die Direktion
der De-Beers-Kompagnie, welche den grössten Teil der
Rohdiamanten in ihrer Hand konzentriert, fand die Zeit
für geeignet, allerletzten Datums einen Preisaufschlag von
5 Prozent zu empfehlen.
Bei den Perlen herrschen ähnliche Verhältnisse. Bei
der jetzigen Geldnot wäre doch ein lebhaftes Ausgebot
von Perlen zu erwarten — doch ist gerade das Gegenteil
der Fall. Zahlreiche Kauflustige aus dem Publikum, die
den Moment für besonders günstig hielten, müssen die
Erfahrung machen, dass feine Perlen schwerer als je zu
normalen Preisen erhältlich sind.
Wenn es Personen geben sollte, welche dies bezweifeln,
denen empfehle ich, die Richtigkeit meiner Behauptung
zu erproben. Kann man sich eine grössere Anomalie