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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908

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Nr. 35
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Ein japanischer Juwelier
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https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0276

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242 JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST

JK”35


Ein japanischer Juwelier.

Der Fussboden zahlreicher
Schoguntempel in Japan,
der im 14. Jahrhundert
lackiert wurde, ist heute
noch blank wie ein
Spiegel; Bronze- und
Nielloarbeiten japa-
nischen Ursprungs,
Silberstatuetten und
fabelhafte inkrustierte
echte Metallwaren,
die 1873 zur Welt-
ausstellung in Wien
gewesen und mit dem
Schiffe untergegan-
gen waren, zeigten
sich, nachdem sie 16
Jahre lang auf dem
Meeresgründe gele-

sind die Herstellungsmethoden dort und jenseits des
Grossen wie des Atlantischen Ozeans viel zu sehr ver-
schieden, die religiösen und sozialen Anschauungen zu weit
auseinandergehend. Aber immerhin hat sich die moderne
Fabrikation auch in Japan Eingang verschafft, und nament-
lich in billigeren modernen Artikeln, in Fassungen, Ketten
und Ringen kann man europäischen Fabrikaten heute schon
in Tokio, Yokohama, Kanasawa und Nagasaki usw. begegnen.
Es ist ja auch bei einem gewerblich so rührigen Volke,
wie dem japanischen, ganz natürlich, dass es sein Augen-
merk auf das richtet, was in dem von seinen Studierenden
und Handlungsbeflissenen, Kunstgewerbetreibenden usw.
mit Vorliebe zu Studienzwecken aufgesuchten Europa und
Amerika auch in der Edelmetallbearbeitung geleistet wird.
Neuerdings haben sich sogar japanische Juweliere,
meist bei Gelegenheit des Besuchs von Weltausstellungen,
den abendländischen Markt in der Edelmetallbranche aus
nächster Nähe angesehen. So war vor einiger Zeit der
Leiter des grossen japanischen Importhauses Tenshodo in

Altjapanische Uhr.

gen hatten, noch so
neu und schön, als

Tokio zu längerem Aufenthalte in Europa, und er hat auf
Grund der hier gewonnenen Eindrücke und Erfahrungen

hätten sie eben den
Juwelierladen oder die Goldschmiedewerkstatt verlassen.
Den Farbenschmelz, die Glasur, die minutiöseste Klein-
plastik in Gold, Silber, Elfenbein, Perlmutter, die Feinheit
der Cloisonnearbeiten, Tauschierung und Ätzung der ver-
schiedensten Art auf Stahl, Eisen und edlen Metallen —
alle diese Eigenarten des uralten, um Jahrtausende zurück-
reichenden japanischen Kunstgewerbes sind heute noch
von der abendländischen Kultur und Kunst unerreicht,
können als Muster und Vorlagen eines zwar oft bizarren,
aber im höchsten Masse selbständigen und in dieser Ori-
ginalität auch nicht selten schönen Stiles gelten.
Man weiss, welchen Einfluss der Japonismus auf das
europäische Kunstleben gewonnen hat; man denke an die
Nachahmung japanischer Vorbilder in der Malerei, in der
Herstellung und Verzierung von Porzellangegenständen, in
der Anfertigung von Tapeten, Teppichen, Matten und Vor-
hängen, im Ziselieren und Gravieren usw. Und diese
Beeinflussung durch ostasiatische Motive befindet sich
keineswegs in der Abnahme, sondern sie steigt noch und
treibt in der Verbindung mit europäischer Technik weitere
kraftvolle Blüten, liefert Anregungen über Anregungen
zu tiefgreifenden Reformen in den gesamten Kunstanschau-
ungen und selbst in der mehr handwerksmässigen Aus-
übung namentlich der Metallbearbeitung bei uns, sowie
auch in der massenweisen Herstellung von Produkten auf
diesem Gebiete.
Nun ist es aber interessant und namentlich volkswirt-
schaftlich und kulturhistorisch bedeutsam, dass die kommer-
ziellen Fäden, soweit besonders das Kunstgewerbe und
darin wieder die Edelmetallbearbeitung in Frage kommt,
sich nicht nur von Japan nach Europa herüberspannen,
sondern dass namentlich in jüngster Zeit das Reich des
Mikado speziell auch für den deutschen Export in Bijouterie-
waren und sonstigen Erzeugnissen des abendländischen
Goldschmiedegewerbes eine gewisse Rolle zu spielen
begonnen hat.
Selbstverständlich ist nicht daran zu denken, dass die
europäische, bezw. amerikanische Einfuhr in solchen Artikeln
— von einer abendländischen „Konkurrenz“ kann man über-
haupt noch nicht reden — im Handumdrehen etwa be-
deutenden Umfang annehmen könnte. Dazu ist die
autochthone japanische Kultur trotz aller Modernisierungs-
bestrebungen von oben her in Japan viel zu alt; dazu

Veranlassung genommen, in noch stärkerem Masse, als
früher schon, die Einbürgerung europäischer Goldschmiede-
Erzeugnisse in Japan zu versuchen.
Herr Kingoro Ezawa, der Inhaber des Hauses Tenshodo,
ist Hoflieferant des Mikado, eine einflussreiche Persön-
lichkeit, und hat sein Geschäft in Tokio vielleicht zum
interessantesten des ganzen Osten Asiens eingerichtet, so-
weit speziell die Goldschmiedewaren etc. in Betracht
kommen. Es ist darin nämlich ein ganz eigentümlicher
Parallelismus zur Durchführung gelangt: Echt Japan antiken
und neueren Charakters neben durchaus moderner euro-
päischer Fabrikation.


Silberne Vase
vom japanischen Hofjuwelier Tenshodo in Tokio.
 
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