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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908

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Nr. 19
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Der Ursprung des Türkenhalbmondes
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https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0162

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136 - ■■ JOURNAL DER OOLDSCHM1EDEKUNST ~ m 19

fälligen Verzierungen auf dem Rande jedem vornehmen Speise-
oder Jagdzimmer zur Zierde gereichen dürfte. Auch der Frucht-
korb ist mit anerkennenswerter Exaktheit durchgebildet.
Es ist von Kunstkennern oft bedauert worden, dass die
Vorliebe des Publikums für Filigranarbeit an Schmucksachen,
besonders an Broschen, Anhängern, Armbändern usw., während
der letzten Jahrzehnte immer mehr nachgelassen hat. Filigran-
schmuck galt bis vor gar nicht langer Zeit direkt als „unmodern“,
und so war es denn kein Wunder, dass sehr häufig solche
Gegenstände, die meist Erbstücke, Tauf-, Konfirmations- und
Hochzeitsgeschenke aus früherer Zeit, bildeten, gegen neueren
Schmuck umgetauscht, mit in Zahlung gegeben wurden oder,
soweit dies möglich, Umarbeitung fanden. In ganz billigen
Artikeln kam ja Filigranschmuck ab und zu neuerdings wieder
auf den Markt. In echtem Material aber hatte er nur noch als
Nationalschmuck, u. a. der Schweiz, der österreichischen Alpen-
länder und Holland Bedeutung, und dort erhielten sich auch
noch wertvolle Erbstücke in dieser einst ausserordentlich hoch-
entwickelten Spezialtechnik. Dass man übrigens früher auch
zahlreiche Gebrauchsgegenstände mit Filigranverzierung versah
— wir erinnern nur an die kunstvollen Bucheinbände, Metall-
platten mit Zieraten aus Filigran mit Gold- und Elfenbeinfiguren
usw. aus dem 12. Jahrhundert — dürfte bekannt sein. Eine
solche Verwendung zusammengelöteter und gedrehter Gold- und
Silberdrähte besitzt indes keine Aussicht auf Wiedereinführung.
Wohl aber wendet sich in jüngster Zeit die Aufmerksamkeit
weiterer Kreise des schmuckkaufenden Publikums aufs neue in
erfreulicher Weise dem echten Filigranschmuck zu und aller
Voraussicht nach handelt es sich hier um eine Geschmacksrichtung,
die nicht nur von einer vorübergehenden Modelaune diktiert ist.
Von der massenhaften massiven Verwendung des Gold- und
Silbermaterials und von den bei dieser lange massgebend ge-
wesenen schlichten Ornamentierung und Linienführung kommt
man eben immer mehr zurück und bevorzugt die gefälligen,
vielgestaltigen, reichen Formen der Renaissance und deren un-
mittelbarer Folgezeit. Das 17. und 18. Jahrhundert war für die
Gestaltuug des Filigrans speziell aus edlen Metallen beinahe
noch ergiebiger, als die Epoche der Renaissance. Ein Gang
durch die grossen Museen und die bedeutenderen Privat-
sammlungen von Goldschmiedearbeiten aus früheren Jahrhunderten
zeigt, dass da noch eine Fülle interessanter Motive und höchst
sorgfältig ausgeführter Prachtstücke auch für den Kleinschmuck
in Filigran vorhanden sind. In sehr glücklicher Weise greift
darum auch die renommierte Firma A. Rogmans in Amsterdam
und Cleve bei den von ihr auf den Markt gebrachten Filigran-
arbeiten auf jene bewährten Muster und Entwürfe zurück, passt
sie jedoch den modernen Ansprüchen und der modernen Gold-
schmiedetechnik möglichst an. So entstehen dann dort tatsächlich
kleine Kabinettstücke von unbestreitbarem Effekt. Von Hause
aus ist die gesamte Filigranarbeit bekanntlich mit orientalischen
Einflüssen durchzogen — und wenn man die auf Seite 133 ab-
gebildeten Schmuckgegenstände aus der Rogmans’schen Kunst-
werkstatt näher prüft — Arbeiten, die hinsichtlich der Ausnutzung
des Materials und in betreff geschmackvoller Dessins uneinge-
schränktes Lob verdienen — so drängt sich einem unwillkürlich
der Eindruck auf, dass auch da maurische und arabische Motive
in beinahe üppiger Ausgestaltung zur Geltung kommen. Das
Auge, das so lange an die von Manier nicht freien, sogenannten
„Jugendstil“-Formen und an nüchtern geometrische Ausschmückung
auch der Gold- und Silbersachen gewohnt war, muss sich freilich
erst allmählich mit dieser neuen, prunkvolleren, zierlicheren Aus-
gestaltung, mit dieser modernsten Miniaturkunst und der Eigen-
art des Materials vertraut machen. Durch das Aufsetzen
der feinen Rollköpfchen und Kugeln, durch die geschickte Ver-
teilung matter Töne und glänzender Polierung, durch die Ver-
wendung- von Ketten, Zäpfchen und Rosetten usw. in den mannig-
fachsten Mustern, namentlich bei Broschen und Anhängern lassen
sich die verschiedensten Variationen erzielen. Höchstwahrschein-

lich ist es nur eine Frage kurzer Zeit — sobald eben der Filigran-
schmuck überhaupt in erweitertem Masse Eingang beim Publikum
gefunden hat, — dann wird man auch in dieser Wiederbelebung
einer früher sehr beliebten Schmuckart zur Verzierung mit Schmelz,
Perlen, Halb- und Ganzedelsteinen greifen. Anfänge nach dieser
Richtung zeigen schon einzelne der Rogmans’schen Arbeiten.
Zwei Kabinettstücke modern-künstlerischer Empfindung auf
dem Gebiet der Goldschmiedearbeiten, zwei durchaus originelle
Muster in feinstilisierten Haarkämmen zeigen unsere Abbil-
dungen auf Seite 135. Auf Schildkrotunterlage — dem eigent-
lichen Kamm — heben sich bei dem grösseren Stück die in
kühner Ranken- und Blattverschlingung arabeskenartig ineinander
laufenden mattsilbernen Zierarten höchst effektvoll ab, um ihrer-
seits wieder als Folie für drei prächtige grosse Perlen oder ähn-
liche Verzierungen zu dienen, die dem Ganzen zu eigenartiger,
kraftvoller Wirkung verhelfen. Trotz der scheinbaren Wildheit
des Geschlinges, bei der sich gewisse Anklänge an orientalische
Einflüsse bemerklich machen — Momente, die indes durchaus selbst-
ständig weitergebildet sind — atmet das Ganze als Kleinkunst-
schöpfung doch Ruhe und Harmonie. — In noch höherem Grade gilt
dies von dem anderen Kamme: einem diademartig komponierten
Arrangement stilisierter Blüten auf Silberwerk mit kleinen Perlen.
Hier frappiert die geschmackvolle Zusammenfassung der zierlichen
Blütenblätter, die völlig naturgetreu auf den Stengeln aufsitzen und
in überraschender Vielartigkeit namentlich an den beiden äussersten
Enden angeordnet sind. Die Wirkung des dunklen Schildkrot-
grundes zu den Silberblättern der Blüten ist wunderbar schön
und eigenartig. Beide Kämme sind entworfen von dem Frank-
furter Maler Alfred Oppenheim und können nach Charakter und
Ausführung mit Recht als vorbildliche Arbeiten, als anerkennens-
werte Proben einer feinsinnigen, künstlerisch durchgebildeten
Phantasie betrachtet werden. Besonders erfreulich ist es, dass
sich hier einmal ein tüchtiger Maler die Aufgabe gestellt hat,
seine Leistungsfähigkeit im Entwerfen künstlerischer Motive in
den Dienst der Goldschmiedekunst zu stellen und damit dem
Kunstgewerbe neue Anregung zu geben. — Entnommen sind die
Abbildungen aus der Werkkunst; Zeitschrift des Vereins für
deutsches Kunstgewerbe. Verlag Otto Salle, Berlin W. 30. Dr. D.

Der Ursprung des Türkenhalbmondes.
* Man hat bis jetzt immer angenommen, dass der aufgehende
junge Mond das Vorbild des Wahrzeichens sei, das den Völkern
des Islam eigen ist. In einem Vortrag vor den Mitgliedern des
englischen Anthropologischen Instituts hat der Archäologe und
Anthropologe William Ridgeway, wie der Frankf. Ztg. geschrieben
wird, dieser Tage den Ursprung des Halbmondes als Wahrzeichens
der Söhne Mohammeds ganz anders erklärt. Nicht auf den neu
erscheinenden Himmelskörper, sondern auf ein wohlbekanntes
Amulett, das aus einer Klaue, Kralle oder einem Hauer besteht,
geht das halbmondförmige Symbol zurück. Im Laufe der Zeit
wurden zwei derartige Krallen aneinandergefügt, welche dann
eine halbmondartige Form bildeten. Diese beiden Krallen wurden
zunächst meist durch ein Band oder einen Silberstreifen
vereinigt, später aber in einem einzigen Stück aus dem Material
herausgeschnitzt oder geschnitten, wobei alle Spuren der früher
üblichen Verbindung verloren gingen, äusser dass in einigen
Fällen Dekorationsmuster an den Stellen auftreten, an denen
früher die zwei Teile sich getroffen haben. Die Türkei, Griechen-
land, Afrika und Neu-Guinea bieten Beispiele, die den Ursprung
dieser Halbmondform bezeugen, und bei den Ausgrabungen, die
die Engländer in den letzten zwei Jahren beim Artemis Orthia-
Tempel in Sparta gemacht haben, wurde ebenfalls ein solches
Amulett gefunden, das Ridgeway als das älteste derartige Vorbild
ansieht. Wenn die modernen Engländer den Halbmond auf ihrem
Pferdegeschirr anzubringen pflegen, so ist damit auch nicht der
Himmelskörper, sondern ursprünglich das Unheil abwendende
Symbol der zwei vereinigten Krallen dargestellt.
 
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