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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

DOI Heft:
Heft 4 (April 1925)
DOI Artikel:
Natorp, Fritz: Das seelische Moment im Zeichenunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0089

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Zeltschrift deö Nelchsverbandes akadernlscher Zekchenlehrer

des Relchsverbandes akademlscher Zelchenlehrerlnnen

Verantwortlich für die Schriftleitung: Professor Gustav Kolb, Göppingen
Druck und Dertagr Eugen tzardt G. m. b. H. Stuttgart, Langestratze 18

3. Iahrgang April 1925 tzeft 4

Das seelische Moment im Zeichenunterricht, Fritz Natorp. — Probezeichnnngen, P. Sommer, Gandersheim.
— Mandernng in den tzerbstwald — Die Schulbücher und wir Zetchenlehrer, August Arensmeier, Var-
men. — Pshchologische Untersuchungen mit neuen Methoden an den höheren Schulen Württembergs,
Dr. G. A. Roemer, Stuttgart. — Ein Wort an Herrn Prof. Dr. Iulius Baum, Kunstwart in II lm —
Der Rundfunk in ber Bildsprache des Kindes, G. Tschorn, Stuttgart — Werke bes Verlages des kunit--
geschichtlichen Semtnars in Marburg a. d. Lahn. — Buchbesprechungen. — Zu unsern Abbildnngen — Inserate.

Das seelische Moment im Zeichenunterricht

Von Trisi Natorv.

3n unserer hauptsächlich auf Iiilellekk und Analyse
cingeskellleii Zeit ist es angebrachk, — um Miszver-
stäiidiiissen und unfruchtbaren psychologisäzen Erörte-
rungen aus -dem Wege zu gehen —, von vornherein
die „Univissenschaftlichtzeit" der angewandten Be-
griffe zu betonen. Diese haben sich mir als Ergebnisse
ernsten Nachdenkens aus der Praxis heraus in
ihrsr ganz unwlssenschaftlichen Einfachheit von selbst
aufgedcängt, sind also aus der Arbeit, aus Lem
Leben felbst erwachsen und wollen nicht als
Ergebnisse analysierender Betrachtungsweise aufge-
saszt werden. stch verftehe unter „Seele" den stnbe-
griff aller schövferischen, produktlven, unbewuszten
Krafte und fasse in Gegensatz dazu ben tznbegriff
aller bewuhten, reprodukliven und in tieferem Sinne
unschöpferischen Kräste in dem Worte „Geist" zu-
saiiimen.

Es ist klar, datz In einer hauptsächlich makeria-
listisch-technisch eingestellten Zeit die Erziehung des
Kindes einseitig auf Entwimlung und Ausbildung
des Geistes elnaesteut ist. So liegk die Gefahr vor,
i dasz in vielen heranwachsenden Menschen wichllge
feelische Kräfte verkümmern. Anderseits darf es
! für einen Erzleher und Lehrer nicht anders als selbst-
! verständlich sein, dah das Ziel seiner ganzen Arbeit
die harmonifche Entwicklung des-.AMnenschen ist,

> die harmonischs Ausbildung der getstigen u nd der
i feelischen Kräfte. Es besteht heute die grotze Gefahr,
! datz dies Ziel verwischk wird durch oie einseitige
Vetonung und lieberschätzung der rein kechiiischen
Kulturwerte, die gerne als lehte und höchste Werte
hingestellt werden, während ste ihrem Wesen nach
doch nur dlenende — dem Menschen, der immsr
letzter und höchster W>ert sein mutz, dlenende —
Kräfte sind. Es hietze den Knecht zum Herrn, das
Mitkel zum Zweck, sich selbft zum Sklaven der Dinge
machen, wollte man ernstilch in dieser einseitigen

Aichtuna sortfchreitend alle Folgerungen daraus
ziehen, die sesbskvsrsländlich nicht nur den „linker-
gang deS AbendlandeS", sondern den der Menschheil
herbeiführen würden. Unsere Schulerziehung ist schon
auf dem besten Wege, sich ganz in den Älensi dle-
ser einseitigen Ausbildung, die nur Teilmenschen er-
zeugen kann, zu ftellen, und ich sehe eine der schön-
sten, wenn auch schwersten Aufgaben gerade unseres
Zeichenunkerrichtes und unseres Zeichenlehrerberufes
darin, dem entgegenzuwirken, nicht ekwa durch das
negative Moment der Verachtung der Technik und
durch blindes Augenschlietzen vor dem, was ist, son-
dern durch die posikive, bewutzte Arbeit an Ler Enk-
wicklung -der seelischen, produkkiven Kräfle, ohne
die der Mensch verkiimmern mützke. Das, worum
es sich hier handelt, hat nun — um auch diesem
naheliegenden Mitzverskändnis vorzubeugen, —
nichls mit einer sogenannten „gefühlsmätzigen" Ein-
slellung zu kun. Es gehk hier nicht etwa um den
Gegensatz: Verftand und Wille auf der einen, Ge-
fühl auf der anderen Seite, sondern um den Gegen-
satz zwischen reproduktiver und produkkiver Täkig-
keit, wobei Verstand, Wille und Gefühl bei beiden
Gatkungen mitarbeiten können und müsfen.

Doch um nun endlich zur Sache zu kommen: Die
vielgerühmte Ausbildung von Äuge und Zand isk
selbstverständlich, ist rein technlsche, also dienende
Grundlage und erfolgt zwanglos ganz von felbst, so°
fern nur dem Kinde besonders am Anfang dsr Aus-
vildung nichts mit Gewalt zugemulel wird, wozu es
noch nicht fähig isk, Ueberhaupt mutz dies mlt aller
Schärfe betont werden: das Kind ist auf jeder Slufe
seiner Enkwicklung ekwas Ganzes, sozusagen in
stch selbst Abgeschlossenes, (nicht ekwas „Ferliges",
denn das gibr es, wo es sich um „Leben" handelt,
überhaupt nicht): es errelcht die folgenden Stusen
leicht und sicher, wenn man es oyne Gewalt dazu
 
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