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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 10 (Oktober 1925)
DOI Artikel:
Ziegelmüller, Franz: Weltanschauung und Zeichenunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0277

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270

sest: „Nichl i m
h IiegtderAn?

sniiunensnssend skelit, Grunwald
geisligen Schauen an sich
kerschied der k ü n s l l e r i ssch e n Bega-
bung von der p h i l o s o p h i s ch e n, sondern
in der Art >d e r B e r a r b e i t u n g. Philosoph
und Künstler brauchen einen offenen, scharfen Blick
für die ÄLelt und daS Menschenlebein Bon beiden
merden die gesainmelken Erfahrungsbruchstücke teils
bewuszt, teils unbewustt verarbeitet. stn beiden ringt
sich ein mehr oher weniger anschauliches Bild an
dem Menschen einpor, u»i letzten Endes doch plötz-
lich vor >dem hellen Bewutzksein zu stehen. Während
aber der Künstler das im Geiste Geschauke in eine
sinnlrche Form bringt, fatzt es der Philosoph
'In einem logisch g eg li ed e r ten System zu.
sammen."

Glelchwertlge Geistesgaben haben gleichwerlige
Arbeik zur Folge. Und trotz dieser Tatsache
ein Aschenbrödeldaseim eine Winkelstellung der
Kunst in der heukigen Schule! W i rd da nichk an
üor M e n s ch h e it g e sü n d i g t ? W in der Wis-
senschaft „alies Gold, was glänzt"? Man höre wie-
dsr Grnnmald, den Wlssenschaftlerl Er schreibk: „Der
Künstler mutz einen SchafsenSdrang, der Wissen-
schastler einen Forschungsdrang in sich verspüren.
geute aber verwechseln viele Stu-
dIerte Wissenschaft mit Studinm! Die
grosze Mehrzahl betätigt sich nur da-
mIt: Ergebnisse der Wissenschaft in
ji ch aufzunehmen und w e l r erz u g eb e n".
stst hier nichk die heutige Schule treffllch In einem
Sahe geschilüert? 2a, die Frage musz gestellt werden:
2st denn der Wissenschaftler Ärbeit heutzukage voll-
mertiger als unsere? 2a nochmals: vollwerkiger als
unsere, die man n i ch t zur Enkfalkung kommen läßt?

Äamit bin ich bei üer Kernfrage angelangk: Wann
leistet der Mensch vollrvertige Nr-
beit? Es sei gleich zuvor gefagt: Nlcht Prüfungen
stellen den Wert oder Ilnwert eines Menschen ses^
sondern seine Arbeik. Zmeifach jedoch kann sich der
Mensch der Arbeit gegenüber verhalten:

1. Aktiv: um eine neue Wlelt in sich und um sich
zu schaffen. Der Mensch wird dadurch zum
Schöpfer, „Ebenbild Gottes". Außen- n. 2nner>-
welt, sie werden durch Ihn eins. Zeikliches ver-
bindet er mit Ewigem. Synthese ist seine Arbeik.
Freilich: ein Kampf, ein Ringen geht voraus.
Der „Golkesfunke" aber bringl die Auslösung,
macht zum Sieger!

2. PassIv : um diese Melk neben und über slch
zu haben, »m Geschöpf zu bleiben. Autzen- und
2nnenwelt sind sich feindliche Welten. Zeitliches
widerstrebt da Ewigem. Analyse, Zergliederung
ist seine Arbeit. Bon vornherein begibt man sich
in Abhängigkeitl

Nur wer schöpferisch arbettet, be-
reichert die Welt, schafft Werte. Nur
aktive Menschen le>I sten, um ein Mort
unserer Tage zu. aebrauchen, produk-
tive Arbeit, sina'°§a'mN „Erzeuger"!
Nur die GesamtheitderGeistesgaben,
nur alle drei zusammen spiegeln das Leben wieder,
machen zusammen den ganzen Men-
schen aus. Naturgemäszes Arbeiten gleicht dem
fuaen- u. nahklosen Ringe. Zeikliche —wohlgemerkt:
vouwertige menschliche Arbeit — trägk immer auch
den SkempelderEwigkeik an stch! EtnekurzeBetrach-

tung kllnstlerischen Schafsens wird dieS klar erhelle».
Um das Gefllhl auszulösen, benötigen wir das Ob.
jekt. Das Gefühl selbst aber hat seinen Sitz iin
Subjekt! Entgegengeseht verläust der Erkeiin!iijs>
vorgang: Das Subiekk sucht zum Objekt vorzudrin-
gen. Die einander enkgegengesehken Pole der Wcii
werden dadurch verbunden. Der W'ilie dagegen isl
verankert in Gott, denn guker Wille isl Gottes Wiile.
Dieser guke Mille greift hinab in jedes Alenschen
Herz, erfatzk das „2ch". Schöpfer und Geschöpf, Golt
und Mensch, ste sind geeink durch solchen guten Wil-
lenl Gotk-Mensch und Welk!

Sind's nicht die Ängelpnnkke unserer Geisles-
gaben, -ihrer Vekätigungen: Neligion, — Kunsi und.
Wissenschaft?

2ch sagke bereikä durch Grunwald: „Der Küiisller
ühlt sich gedrungün, seine Gefiihle zu objeklivjereii",
agen wir mal als Äildwerk feskzuhalken. Die Ge-
ühle genünen nicht, er niinmt zu Hilfe: den gulen
Willenl Der „G o tk e s fu n k e" (waruin dies
Work?) schaffk die Auslösung. Die iiinere Spannuiig
wird in Krast gewandelk, das Werk enlstehk. Die
Tat, sie wird vollbracht, schon ist der Künstler erster,
eigener Krikiker: Er ordnek, ur-keilt, krennk damit
Ewiges in feiner Arbeik von Bergänglichein, sindet
in Ersterem den Weg zu Gotk zurück. von dem der
Funke ausging. Nennen wir die Nlänner groste»
Könnens, Künstler, groster Weisheik (nicht aber
Bielwisser!) nlcht unskerblich? Warum? Sie
wurden durch ihre Arbeit zu Schöpfern, dainik zu
„Ebenbildern Gokkes". Genau so arbeitet
auch dsr Wissenschafkler. besser der „F o r s ch e r". Er
erkennk, stchket, ordnet, wird beseelk vom Willen,
der Mahrheit zu dienen, Ewigkeitswerke zu schaf-
fen, er fühlk das Glück solchen Tuns, er ahnt Zu-
sammenhänge, die eine Äakur vor unseren Blicken
scheu verhüllk, er arbeikek mik a l l e n (nicbk nur mit
elnerl) Geisteskräfken. gibk Lebensweisheit. Er dlenk
als Einzelner der Gesamtheitl

Der Wille ist rlchkunggsbend in des
Menschen Aandeln. And doch dürfen wir
nichk vergessen: Unser Wills, er ist freil Guker Wille
drängk also zu Gotk. Einem Zinwenden stehk aber
auch ein sich Abwenden gegenüber. Darin liegk die
Tragik des Menschengeschlechts, dasz sich Geschöpi
mik Schöpfer auseinandersehen kann, >a mnß. Greift
der Wille entscheidend ein In unsere Arbeit, so mutz
sich sein Dualismus auch auswirken in der Kunst.

Lätzt sich die Kunst aller Bölker,
aller Zeiten auf eine so einfache For -
mel bringen? Wer unsere neueren Kunstbücher
kennt, wird wissen, datz es an üerartigen Problem-
skellungen und Lösungen nicht fehlt. 2ch nenne nur
wenige Namen. Deri spricht von nakurnaher und
naturferner Kunst. Worrlnger stellt, je nach
„Kunstwollen", Äuädrucksschönheit der Äusdrucks-
machk gegenllber. Kühn's neuestes Buch „Die
Kunst der Primiliven" nennt sensorische oder imagi-
native Kunst. Man bekrachte unter solchen Gesichks-
punkken mal Kinderzeichnungen und man wird sehen:
das eine Mal bleiben die Kinder beim Eindruck, das
andere Mal beim Ausdruck siehen. Doch für uns
entscheidend ist hier die Frage: Mann lrikt die
eine, wann die andere Kun strichkung
auf? Diese Frage beankwortek Kühn, skellt ste in
den Mittelpunkk selner Betrachkungen. Und seine
Ergebnisse sind umso wertvoller, weil ernichtvom
 
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