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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 10 (Oktober 1925)
DOI article:
Luft, ...: Über subjektiv-optische Anschauungsbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0284

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277

lM sind die Farbeiweränderungen. Es ist natiirlich
nur von denen die Nede, die slch unabhängig voin
Willen vollziehen. Bei älteren Schiilern fand ich häu-
f,a vollständiges Fehlen der Farbwerte: die Ton-
vcrke erschienen in den richtigen Abstufungen. Gegen-
sahfarben werden vielfach verwechselt, besonders leichk
das Farbenpaar Griln-Not. Da die Vorlagen in den
j o. A. B. fiir gewöhnllch mit den gleichen Form-
eigenschaften ausgestakket sind wie in Wirlrlichlieit.
erscheinen die Farben dort als Gegenstands- oder
Oberflächensarben. Dle Eidetilrer der Gruppe l) sehen
die Farben natilrlich nichk als zu einem Gegenstand
gehörig, sie sehen sie rein als Farbe, als Flächen-
farbe. Mancke sehen den Gegenstand wie in farbiger
Flilssigkeit schwiminend: bei solchen s. o. A. B. wird
die Farbe zur Aaumfarbe.

Dle vorgenannten Beränderungen sind fast aus-
schliejzlich vom Willen unabhängig. Es gibt aber auch
olche, die ganz ins Belieben des Erzeugers geseht
slnd. Fast alle Eidekilrer sind dazu imstande: dle mei-
sten lrönnen willkilrliche Beränderungen aber nur lm
Vereiche deS Möglichen vornehmen. Wenige können
alles, selbst das Sinnwidrigste, zusammensehen.

Allen s. o. A. B. gemeinsam ist die Eigenscbafk, das,
sie zum Ausdruclr drängen. Der eine erzählt, der an-
dere schreibk dariiber Aufsähe, der drikte aestattet
seine Gesicbke bildhaft. Besonders deuklich trikt diese
Eigenschnfk bei den sponkanen s. o. A. B. in Erscbei-

""g?er ist anch der Plah, die Ergebnisse darzustellen
die Professor Kroh nus seinen Uiikersucbuiiasiiber-
sichken heraus gewonnen hak. Eigene Bersucke babev
sle nur bestätigt. Der zur Berfiigung stehende Raniii
verbiekst das Beifiigen der Tabellen: darum sei sn
dlesem Zusammenhang auch nochmals auf das Werk
bingewiesen. Die Ueberkichken erlauben folgende
Sckliifse: Dle eidekische Beranlagung isk fast ans-
fcbliefrsicb eine slugendeigenkiimlickkeik. Bis zum
17. llabr ist weit über die Aälfke aller Kinder Eide-
kiker. Bon da an nimmt die FShigkeit rascb ab. Er-
mncbsene Eidetiker gibt es nur weniae. Sicktlick be-
stehk ein Zusammenhang zwiscken eidetlfcber Fäbin-
keit und körperlich-seelischer Umwandlunq der Ent-
ivicklniigsiakre. Zm Lebensalter zwischen 1N nnd 1t»
öakren bleibk sich die Zabl der Eidetiker ziemlick
gleich. Bon da an nimmt Gruvpe V zu, ein Bemels.
das, dle Riickbildnnn zum Teil iiber deren Formen
vor sich geht. Das Berschwinden der Fähiakeit aeht
auherdem noch ilber die Formen des nesteiaerten
Gegensalzfarbennnchbildes nnd des s. o. A. B. mlt
Gegensahsarben vor sich.

Die Tabellen ergeben, dasz die Fähigkeik ersk voni
10. llahr an sich auswirkt: es ist jedoch nickk aus-
gemacht, dajz sie sich zu der Ieit erst entwickelt. Man
darf nach Beobachkungen sogar ziemlich sicher schlie-
hen, dah sie schon friiher vorhnnden ist. Wle und
wann sie sich zum erstenmal auswirkk.ckMftDMM we-
gen groher Beobachtungsschwierigkeiken nichk genau
angeben. Beim weiblichen Geschlecbt sind Unker-
sucbungen nock nlchk angestellt worden. Bermutlick
ist bier die Fahl der Eidekiker noch gröszer.

Aus einer Ziisaiiimeiistellung des Berufs der El-
tern läszt sich erjehen, dasz die eidetische Fähigkeit
der Kinder sehr eng zusammenhängt mit der seeliscken
Skruktur der Eltern. Bäter solcker Kinder benökiaen
den Gesichkssinn In besonders starker Weise im Be-
ruf. Demnach ist die Fähigkeit nichks Erworbenes,

sondern ekwas Ererbkes. Dabei wird iiicht blojz die
Fähigkeit an und für slch vererbt, sondern auch Ae-
sonderheiken, z. B. die Optimalitäk ujf. DurchUebung
kann felbstverständlich die Fähigkeit gesleigert imd
länger erhalken werden. Die Steigeriing erstreckt sicb
aber nicht blojz auf die Deutlichkeit, sondern aucb
auf andere Eigenschaften, z. B. Bestäiidigkeit, Bor-
lagentreue, Beränderung der Optimaliläk nach dec
hellen Seite hin usw. Bersiegke Kraft kann nichi
mehr erweckt werden.

Welche pädagogischen Folgerungen lassen sich aus
dem Bisherigen ziehen? Aile Erziehung und aller
Unkecricht hak die Aufgabe, dns Kind sich in selner
ihm zukoininenden Lntwicklungsstufe voll entsalken
zu lassen. Der Erwachsene denkk in abgezogenen Be-
griffen, die ganz schwach von Bildern vorstellungs-
inäjzigen Wesens bsgleiket werden. Das geistige Le-
ben des Kindes vollzieht sich im Kreise des Anschnu-
lichen, des stark an den Gegenstand gebuiidenen
Denkens. Mit den beiden letzten Sätzen verwesent-
lichk man im allgemeinen die Form der Enkwicklungs-
stufen. Diese Feststellung bekommt eine Taksachen-
unterlage durch das Ergebnis, dasz 00 Prozent der
liugendlichen zwischen dem 10. und 10. Lebensjahr
Eidetiker sind. Zwischen den zwei genannten Ent-
wicklungsstufen beskehk ein grundsätzlicher Unter-
schied. Auch nach dieser Seite hln ist das Kind ein
in sich abgeschlossener, voller Mensch, kein unferkiger
Erwachsener. Die Ansichken Aousseaus und Pestaloz-
zis werden hier in augenfälligster Weise neu begriin-
det. Die Häufigkeit des eidetischen Sehens bei Ou-
gendlichen und die Seltenheik bei Erwachsenen be-
weift gleichfalls von neuem, wie falsch es lst, pädago-
gische Majznahmen mit psychologischen Beobachtun-
gen an Erwachsenen zu begründen.

Das Wesen der s. o. A. V-, ihre empfindungs-
wahrnehmungsmäizige Art und der ihnen innewoh-
nende Ärang nach bildhafter Gestalkung beweist die
Nokwendigkeit und hohe Bedeutung des Unterrichls
im bildhaften Gestalken. Leider ist das noch nichk ge-
nügend anerkannt. Die kleine Zahl der ihm zuge-
wlefenen Stunden läjzt das deuklich erkennen.

Äein durch ihr Dasein hat die eidetische Beran-
lagung Necht auf Enkfaltung. Es ist aljo nicht am
Platze, in eine Erörterung darüber einzutreten, ob
man sie beachken soll oder nlchk. Dajz in dieser Enk-
falkung der Unterricht im bildhaften Gestalten kätig
mitzuwirken hat, ist selbstverständlich zu bejahen:
denn seine Aufgabe b»steht ekwa nicht darin, Kiinst-
ler zu erziehen, sondern ganze Menschen. Eine an-
 
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