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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Berggruen, Oskar; article: Die Jahresaussstellung im Wiener Künstlerhause
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0251

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493

Korrespondenz.

494

tragen. Nach diesem Zuckerwasser sind die geist-
^'chchikanten, leider etwas zu flüchtig hingeschriebenen
^Nrebilder von Wilh. Diez in München doppelt er-
^'ckend; diesmal gesellt sich ihnen ein ähnlich aufge-
^Mes und behandeltcs, aber weit sorgfältiger durch-
E^fldetes, sehr fein ausgeführtes Kabinetstück von Karl
^obst in Wien bei, welches einen jüdischen Trödler
^flellt, der ein ihm von marodircnden Landsknechten
^gebotenes Kruzifix auf die Silberwaage legt und mit
^chlaner Bedenklichk'cit fragt: „Was soll ich dafür geben?"
^tvähnung verdienen noch das große Gemälde von
Schauß, „Vor dem Bade", welches das einfache
, ^Ma, wie eine nackte Mutter ihr nacktes Kind zu
^en sich anschickt, in lebensgroßen, sehr gut gezeichneten,
im Fleisch mit dem charakteristischen granen Ton
^ Künstlers behaftcten Figuren ausführt; dann das in
«ktvaltigen Dimensionen gehaltene Dekorationsbild „Im
^flhling" von dem Münchcner Julius Kronbcrg,
flfln Komposition sich akademisch-steif gibt und
^flrige Erfindungsgabe bekundet, in der Farbe aber
^sanche große Vorzüge hat, die auf französische Bor-
'lder zurückzuführen sind. Das komische Genre ist
^^ch die „Ernste Geschichte" von Eugen Blaas, dann
^rch schneidernden Klosterbruder von Grützner

ani ergötzlichsten durch das in Erfindung und Aus-
^hrung gleich gelungene Bild „Die Tante kommt" ver-
^kten, pessen vis ooinioL das lächerliche Kostüm der
"bit unserer Großmütter noch vermehrt.

Auf dem Gebiete der Landschaft hat sich Will-
^ider in München mit einigen Bildern, namentlich
^>it pxx trefflichen großen „Landschaft aus Kärnthen"
glücklich eingeführt. Die bekannten Wiener Meister
^gust Schaeffer, Josef Hoffmann, Obermüllner,
'chtenfels, Halauska und Seelos sind würdig ver-
^kten. Der vielmalende Remi van Haanen, dessen
^)ählbare Bilder seit einem Jahrzehnt einander so
^flichen, daß man auf eine fabriksmäßige Erzeugung
"Erselben schließen möchte, hat uns durch seine diesmal
^gestellte „Waldlandschaft" wahrhaft überrascht. Das
. ckd lehnt sich allervings merklich an Hobbema an; es
^ aber so frei behandelt, so breit hingeschrieben, so
"chtig komponirl und so wirksam beleuchtet, daß man
^an seine Freude haben muß. Wie ein Künstler,
^cher solcher Leistungen fähig ist, sich zu jener ge-
"^hulichen Fabriksarbeit herablasscn kann, von welcher
^ch diesmal Proben aushängen, ist uns unbegreiflich.

. zahlreiche Suite landschaftlicher Federzeichnungen
F- Baer in München bietet kleine Meisterwerke
^ ^chärfe der Zeichnung und Energie der Stimmung;
^ iussen nur bedauern, Laß der Künstler sie nicht mit
^adirnadel ausgeführt hat, für welche sie wie ge-
lasfen sind, um sie der verdienten Verbreitung zu-
^führen.

Von der Plastik ist diesmal nichts zu melden;
Beachtung verdient nur das von Sckmidgruber nach
seinem schon bekannten Entwurfe für das Portal des
Künstlerhauses gearbeitete Standbild Albreckt Dürer's.
Die Figur ist in Haltung und Charakterisirung recht
gelungen und sehr sorgfältig in einheimischem tiroler
Marmor ausgeführt, welcher seine Verwendbarkeit für
derartige künstlerische Zwecke außer Zweifel gestellt hat.

Oskar Berggruen.

Korrespondtnz.

Frankfurt a/M. im April.

Die Hosfnungen unserer letzten Korrespondenz sind
fromme Wünsche geblieben. Die Verquickung des Kiinst-
vereins und Städel'schen Kunstinstituts hat eine neue
Besiegelung erfahren; in den Räumen des Kunstvereins
schwimmt das leidige Mittelgut wieder munter obenauf,
und wenn nicht einige Aprilscherze so überraschend glück-
lich für den ungesuchtesten Humor sorgten, könnten wir
allen Ernstes mit der Jnspektion hadern. So können
wir ihr für diese neueste Richtung den bekannten tief-
gefühlten Dank nicht vorenthalten. — Da haben wir
also zwei prächtig in Marmor gehauene weibliche Akte,
der eine mit Fledermausflügeln, der andere mit Schilf
im Haar, nach dem schmerzlich vermißten Badegewande
suchend. „Welches von den zweien ist das Porträt der
Frau L?", soll harmlos ein beschaulicher alter Herr
gefragt haben. — Da haben wir von einem Porträt-
maler ein wohlgenährtes Stillleben, von einem andern
einen schülerhaften Velazquez, von einem Kupferstecher
einen Oelstich, eins von beiden, einen alten Mann oder
eine alte Frau, und schließlich grün in grün ein Para-
dies, einen Charon, einen Christus — doch halt! hier
hört der Scherz auf.

Ueber das Wesen und die Aufgaben der Kunst ist
schon mancher Aesthetiker grübelnd gestolpert, und die
Kunstkenner von der klingenden Münze meinen wohl
gar, der'Markt allein bestimme das Zünglein der Kunst-
waage. Jn einem Punkte sind aber wohl Künstler,
Aesthetiker, Kunstkenner und Kunstfreunde einig, in dem
Berlangen, daß die Kunst unbefangen sein soll. Wo
wir in einem Kunstwerk die ungesuchte Wiedergabe der
Natur antreffen, da haben wir das Kriterium der Klassi-
cilät, der Kunst von bleibendem Werth. Das über-
legte, absichtliche, gemachte Gethue dagegen ist immer
das Zeichen unkünstlerischen Schaffens, nnd wo wir es
finden, sprechen wir von einer Unwahrheit in der Kunst,
welche gleichbedeutend ist mit Unnatur. Es giebt Mäd-
chen«von 15—17 Jahren, die wahre Glückskinder der
Unbefangenheit sind, die naiv lachen, naiv weinen, naiv
fragen, naiv denken, kurz bei jedem alten Brummbären
der Reflexion geradezu einen vergnüglichen Neid nach
diesem Edeu der Naivetät erregen. Dann giebt es aber
 
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