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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 1
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Friedländer, Max J.: Neues zu Quentin Massys
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0029

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Nacktheit namentlich aus den relativ frühen Schöpfungen des Meisters. Und
zu den frühen Werken gehört die Madonna im britischen Privatbesitze. Das
Hauptmotiv, das Verhältnis der Mutter zu dem Kind, ist auffällig ähnlich wie
in der großen dunkeln Madonnentafel der Brüsseler Galerie. Christus sitzt
aul dem Schoße der Mutter, gesichert wie hinter einer Schranke, indem
Maria mit beiden Händen das Gebetbuch vor ihm hält. Gewisse Unklar-
heiten der Raumgestaltung und Zaghaftigkeiten der Formensprache machen
mich geneigt, diese festliche und freundliche Madonna für noch früher ent-
standen zu halten, als die leidvoll durchseelte in Brüssel.
Aus erheblich späterer Zeit stammt die Madonna in Halbfigur, die fast allen
Kunstfreunden zur Überraschung letztes Jahr in der Warneck-Auktion zu Paris
verkauft wurde (Abb. 7). Die Tafel ist scharf geputzt, namentlich im Leib des
Kindes. Wer das Fehlende sich zu ergänzen vermag, genießt eine reife
Schöpfung des Meisters, die schwerlich vor 1510 entstanden ist. Der Ma-
donnenkopf leicht lächelnd, mit halb geschlossenen Augen, weich, vorsichtig
und ausführlich modelliert, liebevoll, fast gefühlsschw'elgerisch.
Auch die Zahl der Bildnisse läßt sich vergrößern. Ich bilde das Porträt eines
Würdenträgers ab,
das aus englischem
Privatbesitz in die
reiche Sammlung
M. Fried sam nach
New York gekom-
men ist (Abb. 8).
Die Komposition
erinnert an Joos
van Cleve. Massys
ist in seinen Bild-
nissen sonst mehr
rhetorisch und pa-
thetisch. Aber gei-
stig steht dieses
Porträt über den
ähnlichen, die wir
von Joos besitzen.
In Bildung und
Ausdruck bleibt
der Kopf an Vor-
nehmheit nicht zu-
rück hinter dem


Abb. 8
Quentin Massys Bildnis eines Mannes
New York, Sammlung M. Friedsam

ritterlichen Kostü-
me. Der etwas
schräge, feste, fra-
gende und enthül-
lende Blick verrät
das psychologische
Feingefühl, das
Massys in höherem
Grad als Joos besaß.
Und die Hände,
gleich Madonnen-
händen, sind ganz
so, wie Massys sie zu
bilden pflegte. Ich
meine, dieses Por-
trät ist um 1505
entstanden, also zu
jener Zeit, als Joos
van Cleve sich in
Antwerpen fest-
setzte und 1 ernfähi g
von Massys Anre-
gungen empfing.

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