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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

DOI issue:
Heft 24
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Baum, Julius: Die Skulpturensammlung Hubert Wilm, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0779

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DTE SKULPTURENSAMMLUNG HUBERT WILM
VON JULIUS BAUM
I.
Ehemals haftete an den von Künstlern zusammengebrachten Sammlungen alter
Kunst leicht der Geschmack von Atelierdekoration, malerischem Gerümpel und
minderwertigem Tand. Der Maler Hubert Wilm in München hat durch seine
Kunstbücher bewiesen, daß er sich der alten Plastik nicht nur als eines Wand-
schmuckes erfreut, sondern daß er sie versteht. Seine Sammlung, mit beschei-
denen Mitteln, aber aus guter und gesicherter Provenienz, langsam erworben,
gehört heute zu den wenigen ernsthaften in München. Sie umfaßt vor allem
Bildwerke vom 12. bis 1 8. Jahrhundert, einige frühe Gemälde und gutes mittel-
alterliches Metallgerät. Im folgenden sei auf die wertvollsten Skulpturen des
Mittelalters hingewiesen. Als Einleitung vier thronende romanische Marien.
Die erste (Abb. 1) noch aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, aus Reis-
bach in Niederbayern, Höhe 67 cm, Typus Hodegetria1, ohne Krone, das seg-
nende Kind (mit neuem Kopf) auf dem linken Knie; ungewöhnlich die rechte
Hand auf der Brust. Das Ganze von sehr sorgsamer Bildung, unverkennbar
Ausläufer der Regensburger Schule, wenngleich ohne unmittelbare Beziehung
zu einem anderen unter den erhaltenen bayrischen Marienbildern.
Konventioneller eine gekrönte Pseudonikopoia (Abb. 2), Höhe 84 cm, mit seg-
nend erhobener rechter Hand, das Kind fast frontal frei vor das linke Knie hal-
tend. Sie stammt aus dem Pustertal. Die mager gezeichnete Faltengebung ver-
rät eine provinzielle Arbeit des 1 7. Jahrhunderts. Einigermaßen stilverwandt
eine Maria des gleichen Typus im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum2, dort als
regensburgisch bezeichnet.
Ein drittes Marienbild (Abb. 5), Flöhe 81 cm, zeigt die Mutter thronend, gekrönt,
in selbständiger, unbyzantinischer Art das Kind quer über den Schoß haltend.
Das Kind hat die gedrehten Löckchen des Knaben der Maria aus der Fuststraße.
Das Bildwerk, aus dem Anfang des 1 5. Jahrhunderts, stammt angeblich aus
Westfalen’.
Die vierte Muttergottes (Abb. g), eine anmutige Buxbaumfigur mit Glasaugen,
Höhe 27 cm, in reich gefaltetem Gewand, thronend, zu ihren Füßen Drache
und Löwe, gehört zu einer Gruppe wohl französischer Arbeiten, unter deren
besten Schöpfungen des weiteren die drei Elfenbeinmarien, früher Sammlung
Spitzer, jetzt Hamburg, Kunstgewerbemuseum1, Florenz, Sammlung Carrand”,
und früher Baden (Aargau), jetzt Mehrerau1’ zu nennen sind. Sie dürfte in die
Zeit des Endes der staufischen Renaissance, um 1 250, zu datieren sein.
Ein stehender Apostel mit Buch, Höhe 29 cm, niedersächsich (Abb. 4), gehört
zweifellos in einen Altaraufsatz in der Art des Mindener Altares im Kaiser-
1 Zur Typenunterscheidung vgl. Baum, Romanische Marienbilder im Schweizerischen
Landesmuseum, Anzeiger für schweizerische Altertumskunde, N. F. XVII, 1925, S. 2i5ff.,
sowie die aufschlußreiche Abhandlung von Hamann, Die Salzwedeler Madonna, Mar-
burger Jahrbuch, 1927, S. 77fr.
2 Vgl. Voege, Die deutschen Bildwerke, 1910, Nr. 30.
8 Große Abbildung des Kopfes in Wilm, Gotische Charakterköpfe, 192g, Tafel 10.
4 Vgl. Goldschmidt, Elfenbein, III, Nr. 133.
ö Vgl. Goldschmidt, a. a. O., Nr. 154.
f! Vgl. Baum, Romanische Marienbilder, a. a. O., S. 226.

49 Der Cicerone, XIX. Jahrg., Heft 24

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