KUNST-LITERATUR
H. KRÖLLER-MÜLLER: DIE ENTWICK-
LUNG DER MODERNEN MALEREI. (Ein
Wegweiser für Laien.) Verlag Klink -
har dt & Biermann. 4°. q.[\o Seiten mit
144 Abb. im Text. Geh. 8.5o M., in Leinen
i i.5o M.
Es sind nun etwa dreißig Jahre her, daß
Lichtwark seine „Übungen in der Betrachtung
von Kunstwerken“ herausgab. Ihm ist zehn
Jahre später Strzygowski mit seiner Einfüh-
rung in „Die bildende Kunst der Gegenwart“
(Seemann 1907, 2. Äufl. 1923) gefolgt, die
dem Suchenden einen Einblick in das künstle-
rische Getriebe um die Jahrhundertwende ge-
währt. Nun ist vor kurzem im Verlag von
Klinkhardt & Biermann die deutsche Über-
tragung von H. Kröller-Müllers „Entwicklung
der modernen Malerei“ erschienen. Ein Buch,
dessen Streben gleichfalls darauf ausgeht, dem
Laien als Wegweiser auf dem Gebiete der
Kunst zu dienen, wobei ihm seine eindring-
liche Sprache keine geringere Verbreitung
sichern dürfte, als sie die beiden Schriften von
Lichtwark und Strzygowski erfahren haben.
Während es sich bei Lichtwark um ein in der
Schule zu übendes Frage- und Antwortspiel
handelt, Strzygowski in seinem Handbuch dem
Erwachsenen ein festes Gerüst zur Betrach-
tung des Kunstwerkes bieten will, ist hier ver-
sucht, dem Laien die Entwicklung der moder-
nen Malerei (mit dem Realismus um 1870 als
Ausgangspunkt und dem neuen Realismus der
Nachkriegszeit als Ausklang) vermittelts Bild-
beschreibungen verständlich zu machen. Der
Betrachtung liegen Bilder aus der Sammlung
der Verfasserin (der bedeutendsten Privat-
sammlung moderner Kunst in Holland) zu-
grunde. Daraus erklärt sich auch das Über-
wiegen des französischen und namentlich des
holländischen Elementes. Diese Einstellung
der Sammlung bringt es mit sich, daß manche
wichtige Bewegung jüngster Zeit, wie der
deutsche Expressionismus und der Kon-
struktivismus unberücksichtigt bleibt oder eine
nur allzu flüchtige Würdigung erfährt, wo-
durch der Laie von der Vielfältigkeit und Be-
deutsamkeit der zahlreichen, zum führenden
Kubismus der Franzosen parallel laufenden
Richtungen nur einen unvollkommenen Ein-
druck erhält. Dagegen kann über die (obwohl
nur an wenigen Beispielen erläuterte) rea-
listische Periode, die dem Kubismus vorangeht
und der auch der Impressionismus und zum
Teil auch der Pointillismus angehören, nicht
leicht Treffenderes gesagt werden. Beschrei-
bungen wie die des „Clown“ von Renoir, des
„Cliahut“ von Seurat empfindet man gerade-
zu als klassisch.
Wir wollen nicht darüber rechten, ob nicht
einzelne der herangezogenen holländischen
Meister überschätzt sind, wo doch — und dies
ist ja das Ziel dieser Schrift — die hinreißende
Beredsamkeit jeden, der den Ausführungen
der Verfasserin mit Aufmerksamkeit folgt,
von der Notwendigkeit des Entwicklungsgan-
ges, den die moderne Kunst genommen hat,
überzeugen muß. Poglayen-Neuwall
RHEINISCHE MALEREI DER BIEDER-
MEIERZEIT. ln Verbindung mit Walter
Cohen und Bernd Lasch, herausgegeben von
Karl Koetschau. Verlag des Kunstvereins
für die Rheinlande und Westfalen. Düssel-
dorf 1926.
Ein Nachzügler zur verdienstlichen Düssel-
dorfer Ausstellung des Jubiläumsjahres 192b.
Schöne Abbildungen reizvoller Bilder, wert-
volles Material zur westdeutschen Kunstge-
schichte der ersten Jahrzehnte des 19. Jahr-
hunderts. Unter den begleitenden Kapiteln
wirbt das von Cohen für die qualitätvollen
rheinischen Maler, denen Cohen seit Jahren
seine sorgfältigen und ergiebigen Forschun-
gen angedeihen läßt. Sehr lehrreich ist das
Kapitel von Iv o e t s c h a u über Schadow und
dessen organisatorische und kunsterzieheri-
sche Gedanken. Die anderen Kapitel schei-
nen mir mit zuviel lokal geschichtlich kul-
turhistorischem Ballast belastet zu sein. Die
negativen Seiten der beginnenden Düsseldor-
fer Malerei werden zwar als negativ bezeich-
net, aber es werden an vielen Stellen so viel
Worte um sie gemacht, daß sie dem Leser
nur zu leicht als positiv erscheinen können.
Nirgends ist so scharfe Trennung nach Quali-
täten notwendig als bei diesem Zweig deut-
scher Kunst, weil im Rheinland in gefährli-
cher Weise ernst und hohl scharf nebenein-
ander stehen! Curjel
W. PINDER: DAS PROBLEM DER GENE-
RATION IN DER KUNSTGESCHICHTE
EUROPAS. Frankfurter Verlags-Anstalt,
Berlin. 1926
Bei der (jüngst noch mal gesteigerten) Kürze,
mit der Bücher hier eingeführt werden sollen,
sei einmal versucht, dies belebende, weil kühne
Buch, das zu allgemeingeschichtlichen, weit
über Kunstwissenschaft hinausgehenden Erör-
terungen anregen wird, allein mit eigenen
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H. KRÖLLER-MÜLLER: DIE ENTWICK-
LUNG DER MODERNEN MALEREI. (Ein
Wegweiser für Laien.) Verlag Klink -
har dt & Biermann. 4°. q.[\o Seiten mit
144 Abb. im Text. Geh. 8.5o M., in Leinen
i i.5o M.
Es sind nun etwa dreißig Jahre her, daß
Lichtwark seine „Übungen in der Betrachtung
von Kunstwerken“ herausgab. Ihm ist zehn
Jahre später Strzygowski mit seiner Einfüh-
rung in „Die bildende Kunst der Gegenwart“
(Seemann 1907, 2. Äufl. 1923) gefolgt, die
dem Suchenden einen Einblick in das künstle-
rische Getriebe um die Jahrhundertwende ge-
währt. Nun ist vor kurzem im Verlag von
Klinkhardt & Biermann die deutsche Über-
tragung von H. Kröller-Müllers „Entwicklung
der modernen Malerei“ erschienen. Ein Buch,
dessen Streben gleichfalls darauf ausgeht, dem
Laien als Wegweiser auf dem Gebiete der
Kunst zu dienen, wobei ihm seine eindring-
liche Sprache keine geringere Verbreitung
sichern dürfte, als sie die beiden Schriften von
Lichtwark und Strzygowski erfahren haben.
Während es sich bei Lichtwark um ein in der
Schule zu übendes Frage- und Antwortspiel
handelt, Strzygowski in seinem Handbuch dem
Erwachsenen ein festes Gerüst zur Betrach-
tung des Kunstwerkes bieten will, ist hier ver-
sucht, dem Laien die Entwicklung der moder-
nen Malerei (mit dem Realismus um 1870 als
Ausgangspunkt und dem neuen Realismus der
Nachkriegszeit als Ausklang) vermittelts Bild-
beschreibungen verständlich zu machen. Der
Betrachtung liegen Bilder aus der Sammlung
der Verfasserin (der bedeutendsten Privat-
sammlung moderner Kunst in Holland) zu-
grunde. Daraus erklärt sich auch das Über-
wiegen des französischen und namentlich des
holländischen Elementes. Diese Einstellung
der Sammlung bringt es mit sich, daß manche
wichtige Bewegung jüngster Zeit, wie der
deutsche Expressionismus und der Kon-
struktivismus unberücksichtigt bleibt oder eine
nur allzu flüchtige Würdigung erfährt, wo-
durch der Laie von der Vielfältigkeit und Be-
deutsamkeit der zahlreichen, zum führenden
Kubismus der Franzosen parallel laufenden
Richtungen nur einen unvollkommenen Ein-
druck erhält. Dagegen kann über die (obwohl
nur an wenigen Beispielen erläuterte) rea-
listische Periode, die dem Kubismus vorangeht
und der auch der Impressionismus und zum
Teil auch der Pointillismus angehören, nicht
leicht Treffenderes gesagt werden. Beschrei-
bungen wie die des „Clown“ von Renoir, des
„Cliahut“ von Seurat empfindet man gerade-
zu als klassisch.
Wir wollen nicht darüber rechten, ob nicht
einzelne der herangezogenen holländischen
Meister überschätzt sind, wo doch — und dies
ist ja das Ziel dieser Schrift — die hinreißende
Beredsamkeit jeden, der den Ausführungen
der Verfasserin mit Aufmerksamkeit folgt,
von der Notwendigkeit des Entwicklungsgan-
ges, den die moderne Kunst genommen hat,
überzeugen muß. Poglayen-Neuwall
RHEINISCHE MALEREI DER BIEDER-
MEIERZEIT. ln Verbindung mit Walter
Cohen und Bernd Lasch, herausgegeben von
Karl Koetschau. Verlag des Kunstvereins
für die Rheinlande und Westfalen. Düssel-
dorf 1926.
Ein Nachzügler zur verdienstlichen Düssel-
dorfer Ausstellung des Jubiläumsjahres 192b.
Schöne Abbildungen reizvoller Bilder, wert-
volles Material zur westdeutschen Kunstge-
schichte der ersten Jahrzehnte des 19. Jahr-
hunderts. Unter den begleitenden Kapiteln
wirbt das von Cohen für die qualitätvollen
rheinischen Maler, denen Cohen seit Jahren
seine sorgfältigen und ergiebigen Forschun-
gen angedeihen läßt. Sehr lehrreich ist das
Kapitel von Iv o e t s c h a u über Schadow und
dessen organisatorische und kunsterzieheri-
sche Gedanken. Die anderen Kapitel schei-
nen mir mit zuviel lokal geschichtlich kul-
turhistorischem Ballast belastet zu sein. Die
negativen Seiten der beginnenden Düsseldor-
fer Malerei werden zwar als negativ bezeich-
net, aber es werden an vielen Stellen so viel
Worte um sie gemacht, daß sie dem Leser
nur zu leicht als positiv erscheinen können.
Nirgends ist so scharfe Trennung nach Quali-
täten notwendig als bei diesem Zweig deut-
scher Kunst, weil im Rheinland in gefährli-
cher Weise ernst und hohl scharf nebenein-
ander stehen! Curjel
W. PINDER: DAS PROBLEM DER GENE-
RATION IN DER KUNSTGESCHICHTE
EUROPAS. Frankfurter Verlags-Anstalt,
Berlin. 1926
Bei der (jüngst noch mal gesteigerten) Kürze,
mit der Bücher hier eingeführt werden sollen,
sei einmal versucht, dies belebende, weil kühne
Buch, das zu allgemeingeschichtlichen, weit
über Kunstwissenschaft hinausgehenden Erör-
terungen anregen wird, allein mit eigenen
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